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Bausteine zur Figur des Saladin in Lessings Nathan der Weise

Lessings Saladin - ein »König mit menschlich-bürgerlichen Zügen«?


FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Literarische Gattungen Dramatische Texte Autorinnen und Autoren Gotthold Ephraim Lessing Nathan der Weise
teachSam-YouTube-PlaylistÜberblick Gesamttext (Recherche-/Leseversion) Entstehungsgeschichte Historischer Hintergrund  Aufbau des Dramas ▪ Handlungsverlauf Wichtige Motive ▪ Figurenkonstellation ▪ Figurenkonzeption Einzelne Figuren Nathan Recha Daja Tempelherr Saladin Überblick Auftritte Saladins im Szenenschema Korrespondenz- und Kontrastrelationen Aspekte und Textstellen zur Charakteristik [ Bausteine Äußerungen Saladins (Variante 1) Äußerungen Saladins, die ihn selbst charakterisieren (Variante 2) Zu wem sagt Saladin eigentlich? (ohne Szenenangabe) ▪ (Variante 3) Wo steht eigentlich? (verdrehte Reihenfolge der Äußerungen) (Variante 4) Worum geht es mir? (Zitate von Saladin im "Topf") ▪ Saladin: Maske, Kostüm, Requisiten Interpretationshypothesen zur Figur SaladinsSchiller, Friedrich "Sultanisch, aber kein Sultan"  ▪ Der Sultan im Familienstück. Anmerkungen zum "Privat-Saladin" Lessings Lessings Saladin - ein »König mit menschlich-bürgerlichen Zügen« Gruppenarbeitsprotokoll: (Beispiel: Der historische Saladin) Klassenarbeits- / Klausurthemen ] Sittah Al-Hafi Patriarch Klosterbruder Emir Sprachliche Form: Blankvers Rezeptionsgeschichte ▪ Textauswahl ▪ Portfolio ▪ Klassenarbeiten / Klausuren ▪ Links ins Internet ▪ Bausteine Schreibformen Operatoren im Fach Deutsch
 

Figurengestaltung in dramatischen Texten
Kontrast- und Korrespondenzbeziehungen der Figuren
Figurencharakterisierung

Techniken der Figurencharakterisierung in dramatischen Texten
▪  Auktoriale Techniken
▪  Figurale Techniken

Saladin, der edle Sarazene, und der Kreuzfahrerstaat in Jerusalem (Gert Egle, 2012)

Lessings Saladin - ein »König mit menschlich-bürgerlichen Zügen«?
Gert Egle (2012

Lessing hat bei seiner Gestaltung der Figuren des Patriarchen und des Sultans, die mit ihrem Fanatismus des ersteren und der Toleranz des letzteren in einem klaren Kontrast zueinander stehen, auf die französischen Quellen von Voltaire und Marin zurückgegriffen. Dabei stammt das Bild des "überraschend menschlichen und toleranten" und "leidenschaftslosen guten Herrschers" (Barner u. a. 1987, S.321ff.) vor allem von Marin, der die unzähligen »Tugenden« Saladins, darunter »seine Gnade, seine Gerechtigkeit, seine Mäßigung, seine Freygebigkeit« in höchsten Tönen gepriesen hat. Dabei war auch dieses Bild des "edlen Sarazenen" in der europäischen Literatur längst bekannt. Denn schon »Wolfram von Eschenbach (ca.1160/80 - ca. 1220) hat Saladin in der zwischen 1217 und 1200 entstandenen Reimerzählung »Willehalm ein Denkmal für allgemeine Menschlichkeit gesetzt, die über den Religionen liegt. Und auch der Florentiner Gelehrte »Dante Aligheri (1265-1321), der wohl bekannteste Dichter des Mittelalters, reihte ihn unter die rechtschaffenen heidnischen Seelen im Limbus ein (lat. für "Rand, Saum, Umgrenzung") , in der katholischen Theologie so eine Art Vorhölle, wo die Seelen sind, die eigentlich ohne eigenes Zutun und Verschulden vom Himmelreich ausgeschlossen sind.

Allerdings war es nicht gerade einfach, einem Heiden wie Saladin das Ideal wahrer Menschlichkeit und Tugend zuzuschreiben. Denn solche Zuschreibungen waren nach mittelalterlichem Verständnis christlichen Rittern vorbehalten. Indem die mittelalterliche Welt sich Saladin zum edlen Ritter anverwandelte, war der Weg frei, ihn zu einem "Beinahe-christlichen Ritter" Grotzfeld (1978, S. 483f.) zu stilisieren. Und doch haftete der ihm zugeschriebenen Humanität stets ein Makel an. Wenn man seiner Haltung auch Anerkennung zollte, so blieb Muslim eben Muslim und Heide eben Heide. Um diesem Dilemma aus dem Weg zu gehen, man  machte ihn eben schlicht "zu dem, was man anzuerkennen gewohnt ist, zum Ritter, möglichst zum christlichen Ritter" (ebd.)

Diese Anverwandlung ist mit unserem modernen Verständnis von "echter Humanität" indessen nicht ohne weiteres vereinbar. Grotzfeld (1978) ist daher beizupflichten, wenn sie schreibt, dass "echte Humanität" eben die Bereitschaft voraussetzt, "den andern in seiner Andersartigkeit anzuerkennen und zu tolerieren, Großes und Edles auch da zu sehen, wo man bisher nur Schlechtes, Unedles zu sehen gewohnt war."

Der Saladin, den Lessing im "Nathan" gestaltet hat, soll dem historischen Saladin indessen auch nicht gerecht werden. Und so schrieb Lessing auch kein historisches Drama, sondern ein Drama, dem es darum geht, den Gedanken religiöser Toleranz auf die Bühne zu bringen. Dass er bei der Dramatisierung dieses Themas auf den Moslem Saladin zurückgegriffen hat, erscheint Grotzfeld (1978) nach Lage der Dinge " fast selbstverständlich" , auch wenn Saladin in Wahrheit "so orthodox, so im Islam verhaftet (war), dass er gegen eine andere Religion als solche nicht - (in Lessings Sinn) - tolerant sein und die Christen als eine dem Muslim ebenbürtige Religionsgemeinschaft anerkennen konnte." Dementsprechend entspricht die an Marin und Voltaire angelehnte Gestaltung und Charakterisierung der Figur des Sultans in Lessings Drama auch genau "den Forderungen für den Charakter des biedermännischen Helden im Bürgerlichen Trauerspiel" (Barner u. a. 1987, S.321ff.). Dass er dabei auf den Mythos des "edlen Sultans", des "edlen Sarazenen" Saladin zurückgriff und diesen Mythos in Europa bis heute weiter stärkte, versteht sich fast von selbst. Als Personifikation "der Idee der Versöhnung, der Ritterlichkeit, des Edlen im Menschen, gleich welcher Religion" (Grotzfeld (1978, S.483f.) hat er das Denken über Humanität und Toleranz jedenfalls nachhaltig beeinflusst.

Allerdings bleibt unter religionskritischem Aspekt aber bemerkenswert, dass Lessing im "Nathan" Versöhnungsbereitschaft, Weisheit und edle Größe nicht im Patriarchen, im Vertreter der christlichen Religion, (...), sondern im Juden Nathan, der den Sultan Saladin überzeugen kann", verkörpert. (ebd.)

Barner u. a. (1987, S.321ff.) haben in folgender Weise untersucht, wie Lessing die Figur Saladins konzipiert hat: "Gleich in seinem ersten Auftritt zeigt sich der Sultan wie ein bürgerlicher Hausvater von Geldsorgen geplagt: »es klemmt sich aller Orten« (II,1) Heroismus erscheint an ihm nur noch als Zitat und als Gestus der Ohnmacht gegenüber der Finanznot: »Ein Kleid, Ein Schwert, Ein Pferd, - und Einen Gott! Was brauch ich mehr?«. Ganz im Gegensatz zu dieser Parole des Heiligen Eroberungskrieges, den der Koran dem Gläubigen gebot, sehen seine weltpolitischen (Heirats-)Pläne eine friedliche Überwindung des blutigen Konflikts zwischen den Religionen vor (II,1). [...]
Dass Saladin [...] einem Feind aufgrund einer plötzlich empfundenen Zuneigung das Leben schenkt (s. I,5 und IV,4), kann nach der Theorie des bürgerlichen Dramas als Indiz seiner Menschlichkeit betrachtet werden und macht ihn zum Helden geeignet. Maximen des politischen Rationalismus sind nicht von Saladin, sondern von Sittah zu hören."

Sie ist es auch, die "Realprinzipien der Macht" (Kröger 1991/98, S.42) wie "Kälte der Vernunft, selbstverständliche Handhabe herrscherlicher Macht, Wissen um die Bedeutung des Geldes" (ebd.) in Denken und Handeln des Herrschers einbringt.

Trotz allem: Auch die persönliche Integrität Saladins kann nicht grundsätzlich darüber hinwegtäuschen, dass auch "sein Regiment vom Makel absolutistischer Willkür gekennzeichnet" ist (Barner u. a. (1987, S.321ff.) Dies wird beim Schachspiel mit seiner Schwester Sittah deutlich (II,1 u. 2), bei der die Finanznot des Sultans zur Sprache kommt. Seine Macht, das zeigen auch die zunächst ausbleibenden und später eintreffenden Tributzahlungen aus Ägypten, beruht "auf der Ausplünderung seiner Untertanen" (Kröger 1991/98, S.42), auf die auch der gütigste Sultan im Interesse des eigenen Machterhalts nicht verzichten kann. So stellt denn auch Lessing den Sultan beim Schachspiel nicht zufällig beim Spiel vor, denn "Zeremoniell und Spiele hatten an den Höfen die Funktion, die Souveränität des Fürsten zu repräsentieren und gottähnliche Omnipotenz zu prätendieren.1)" (Barner u. a. 1987, ebd.) Und: Die "verschwenderische Mildtätigkeit Saladins" (ebd.) entpuppt sich bei genauerem Hinsehen denn auch als ein "Verhalten Saladins, das insgesamt nichts bessern kann und nur den Mythos von der Gottähnlichkeit des Fürsten festigen soll, in sozialethischer Hinsicht unverantwortbar und zudem Ausdruck persönlicher Schwäche. Insofern ist Nathan der Weise ein radikaler Bruch mit der Apologetik 2) der Höfe im klassizistischen Drama." (ebd.) Und genau dies bringt ihn in einen Gegensatz zu Nathan, der seine Mittel wohlüberlegt einsetzt, um das Ziel einer humanen Welt zu erreichen. Daher ziehen Barner u. a. (1987, ebd.) den Schluss: "Wenn der Nathan Ausdruck des gestiegenen bürgerlichen Selbstbewusstseins ist, hält er auch am Gedanken fest, dass soziale Veränderungen sich am besten über Bildung und Erziehung der Individuen und besonders eben der Fürsten herbeiführen ließen. Diese Bildungsidee wurde durch das Revolutionsziel erst ersetzt, nachdem in Frankreich die bürgerliche Revolution gesiegt hatte." (▪ Egle, Gert (2012): Saladin, der edle Sarazene, und der Kreuzfahrerstaat in Jerusalem)

WORTERKLÄRUNGEN

1 prätendieren: beanspruchen, Anspruch erheben
2 Apologetik: Verteidigung, Rechtfertigung

Figurengestaltung in dramatischen Texten
Kontrast- und Korrespondenzbeziehungen der Figuren
Figurencharakterisierung

Techniken der Figurencharakterisierung in dramatischen Texten
▪  Auktoriale Techniken
▪  Figurale Techniken

Saladin, der edle Sarazene, und der Kreuzfahrerstaat in Jerusalem (Gert Egle, 2012)

 

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 16.12.2023

     
   
   Arbeitsanregungen:
  1. Arbeiten Sie heraus, weshalb Barner u. a. (1987) bei der Figur des Saladin von einem "König mit menschlich-bürgerlichen Zügen" (ebd., S.322) sprechen.

  2. Worin äußert sich nach Ansicht die absolute Willkürherrschaft Saladins? - Überprüfen Sie diese Aussagen am Text.

  3. Diskutieren Sie die Beurteilung der Mildtätigkeit Saladins durch die Autoren.

  4. Wodurch hebt sich nach Ansicht der Autoren Lessings Nathan vom klassizistischen Drama ab?

  5. Inwiefern entspricht die auch von Lessing vertretene Bildungsidee den Auffassungen von Immanuel Kant, die dieser in seiner Schrift "Was ist Aufklärung?" vertritt?

 
 
 

 
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