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K. und der Kaufmann Block
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Im Kapitel "Kaufmann
Block / Kündigung des Advokaten"
in
Franz Kafkas Roman "Der
Prozess" gibt die Begegnung und Kommunikation von Josef K. und dem
Kaufmann Block einen weiteren Einblick in den Gang und in den Bedingungen
des Prozesses gegen K. Die nachfolgende Darstellung des Handlungsverlaufs
wird, da sie über die reine Beschreibung des Textinhalts hinausgehend immer
wieder Gedanken zur Interpretation enthält, hier im Gegensatz zu einer
vorwiegend beschreibenden (deskriptiven) Analyse hier interpretative
Textanalyse genannt.
- K. geht zum Haus des Advokaten, um diesem seine Vertretung zu
entziehen. Als er am Haus ankommt, bemerkt er zwei fremde Augen am
Guckfenster zur Wohnung des Advokaten und hört, wie drinnen jemand vor
ihm mit den "Warnungsruf"
(HL 120) "Er
ist es!"( HL 120) ausstößt.
- K. hat es eilig der Sache auf den Grund zu gehen, zudem er
hört, wie die Türschlüssel zur anderen Wohnung im Parterre des Hauses,
die von dem Mann mit dem Schlafrock bewohnt wird, hastig umgedreht wird.
(HL
120) Ehe der lästige Mann herauskommen und sich wieder einmischen
kann, will K. unbedingt in die Wohnung des Advokaten gelangen.
- So drängt K. zur Tür hinein und stürmt ins Vorzimmer. (HL
120)
- Dort sieht K. gerade noch wie Leni, nur mit einem Hemd bekleidet,
davonläuft (HL
120f.)
- K. will von dem "kleine(n),
dürre(n) Mann mit Vollbart“ wissen, ob er beim Advokaten
angestellt und ob Leni seine "Geliebte"
sei (HL
121). Dabei stellt er sich mit ein wenig gespreizten Beinen
und hinter dem Rücken verschlungenen Händen vor den Kaufmann (HL
121) und fühlt sich schon durch die Art seiner Kleidung geschützt
und "dem
mageren Kleinen sehr überlegen.“
(HL 121) Indem er Block so abwertet, versucht er in ihm
keinen Konkurrenten um die Gunst Lenis zu sehen.
Trotz alledem wirkt das Ganze nicht sehr kongruent, wenn er auf der
einen Seite, jeden Winkel nach Leni absuchen lässt, gleichzeitig aber
betont, dass das Ganze völlig an ihm "abtropfe“ ("Er fühlte sich so
frei, wie man es sonst nur ist, wenn man in der Fremde mit niedrigen
Leuten spricht, alles, was einen selbst betrifft, bei sich behält, nur
gleichmütig von den Interessen der anderen redet, sie dadurch vor sich
selbst erhöht, aber auch nach Belieben fallen lassen kann.",
HL 121)
- Die körpersprachlichen Signale, die K. sendet, schüchtern
Block ein, der die Frage, ob Leni seine Geliebte sei, vehement von sich
weist. (HL
121)
- Nachdem Block so eine inferiore Position in der Kommunikation
mit K. eingenommen hat, kann K. aus der superioren Position auf
Block "lächelnd"
herabsehen. (HL
121) Im Gestus, Milde und vielleicht auch Gnade vor Recht walten zu
lassen, scheut er sich dennoch nicht, Block mit einem bloßen Wink ("winkte
mit dem Hut“, HL 121) dazu zwingen, mit der Kerze vor ihm
herzugehen, um nach Leni den ganzen Raum abzusuchen. ("Nicht
so eilig! Leuchten Sie hier!",
HL 121; "K.
dachte, Leni könnte sich hier versteckt haben, er ließ den Kaufmann alle
Winkel absuchen, aber das Zimmer war leer.“, HL 121)
- Im Ton eines Verhörs fährt K. fort, Block nach seinem
Namen zu fragen ("Wie
heißen Sie denn?", HL 121). Sich selbst stellt er jedoch nicht vor,
vielleicht weil er ja aufgrund des zuvor von Block getätigten Ausrufs,
annehmen kann, dass er diesem eh schon bekannt ist. So treibt K. Block,
körpersprachlich-gestisch ("Stehen
bleiben ließ ihn aber K. nicht“,
HL 121) und sprachlich-gestisch vor sich her und signalisiert damit
seine gesellschaftliche Superiorität und seine männliche Dominanz.
In ihm sieht er im Gegensatz zum Studenten und dem Untersuchungsrichter
bei seiner Erfahrung mit der Frau des Gerichtsdieners weder einen
männlich ebenbürtigen noch hierarchisch-gesellschaftlichen überlegenen
"Nebenbuhler". Während er von diesen noch regelrecht "entmannt"
worden ist (→Interpretationsskizze),
dreht er hier in gewisser Weise den Spieß um. Als ob er sich an der
Situation noch weiden wollte, zweifelt er an, ob Block ihm seinen
richtigen Namen genannt hat (HL
121), dies im Übrigen, nachdem er ihm gerade zuvor noch seine
Glaubwürdigkeit bescheinigt hat. Jetzt aber, so scheint es, will er dem
Kaufmann offenbar auf diese Weise noch einmal Angst vor seinen denkbaren
Reaktionen als vermeintlich tief verletzter Nebenbuhler machen.
- In dem Gefühl, sich und seine Emotionen angesichts einer durchaus
schwierigen Situation völlig unter Kontrolle zu haben, sonnt er sich
geradezu in dem Gefühl einer "cool“ wirkenden Abgeklärtheit ("Er
fühlte sich so frei, wie man es sonst nur ist, wenn man in der Fremde
mit niedrigen Leuten spricht, alles, was einen selbst betrifft, bei sich
behält, nur gleichmütig von den Interessen der anderen redet, sie
dadurch vor sich selbst erhöht, aber auch nach Belieben fallen lassen
kann.“,
HL 121). Die Wahrnehmung und Artikulation eines "Gefühls“ durch K.,
immerhin, so scheint es zwar, aber in Wahrheit eben doch "unecht" und
doch nur die Kehrseite der psychischen Abwehr.
- Der körperlichen und gesellschaftlichen Abwertung Blocks lässt K.
auch eine intellektuelle Herabsetzung folgen. Das Festhalten
Blocks von hinten an dessen Hosenträgern ("hielt
K. den Kaufmann hinten an den Hosenträgern zurück"; HL 121) , K.s
oberlehrerhaft wirkender Zeigefinger auf das Richterbild und die Frage
danach, ob Block den Richter kenne ("Kennen
Sie den?", HL 121), degradieren den Kaufmann zu einem nach
Belieben lenk- und steuerbaren Objekt K.s. Die Frage zielt aber auch
darauf ab, Blocks kognitive Fähigkeiten einerseits und seine
"Welterfahrung“ im Zusammenhang mit dem Gerichtswesen auf den Prüfstand
zu stellen. Von oben herab, aus dem kritischen Eltern-Ich gesprochen,
kann K. Block, der sich über die Bedeutung des dargestellten Richters
täuscht, wie ein kleines Kind tadeln und belehren. ("Sie
haben keinen großen Einblick«, sagte K. […]“, HL 121). Später ist er
allerdings sehr begierig zu erfahren, welche Erfahrungen Block mit dem
Gerichtswesen gemacht hat. Schließlich belustigt er sich sogar noch in
ironischer Manier über die Ausflüchte Blocks, dem sein Irrtum oder
wohl eher die Tatsache, dass er von K. so vorgeführt wird, sichtlich
peinlich zu sein scheint. "Aber
natürlich«, rief K., »ich vergaß ja, natürlich müssen Sie es schon
gehört haben.“, HL 121f.)
- Seine sich wiederholenden Frage "Aber
warum denn, warum denn?“ (HL 122) zeigt indessen, dass Block, fast
hilflos, die Ironie nicht versteht. Um so besser versteht er das
herrische Auftreten K.s, der ihn mit seinen Händen auf den Flur
hinaustreibt, wo er mit einer Frage im Gestus der Unterstellung von
Block wissen will, wo sich Leni versteckt habe. ("Sie
wissen doch, wo sich Leni versteckt hat?“, HL 122)
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Arbeitsanregungen:
- Markieren Sie die Textaussagen, die eindeutig
Interpretationsaussagen darstellen.
- Führen Sie die Auflistung mit der weiteren Untersuchung des
Verhältnisses von K. und Block fort.
- Wie erklären Sie sich das Verhalten Josef K.s gegenüber Block?
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[ Bausteine ]
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