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Aspekte der Erzähltextanalyse

Kafkas Parabel und das biblische Gleichnis vom verlorenen Sohn

Franz KafkaParabeln Heimkehr

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur
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Fremdheitserfahrungen thematisieren

Ausgewählte Zugänge zu Kafkas Parabeln im Literaturunterricht
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Baustein: Einen Zugang zu Kafkas Parabeln finden:
▪ Kohärenzbildung über mentale Modelle, kognitive Schemata und literarische Konventionen (Gattungen)

GLEICHNIS VOM VERLORENEN SOHN
Bausteine
 
Rembrandt: Rückkehr des verlorenen Sohnes (um 1662)

Motiv des Heimkehrers / MOTIV DER HEIMKEHR
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Textanalysen
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Die sprachliche Gestaltung des Bildbereichs untersuchen
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Sich für eine Schreibstrategie entscheiden
Arbeitsschritte zur Bewältigung von Schreibaufgaben
Formulierungshilfen
Typische Schreibaufgaben

KafkasParabel ▪ »Heimkehr« kann, wie alle seine Parabeln und parabolischen Erzählungen, auf ganz unterschiedliche Art und Weise verstanden und interpretiert werden.

Dessen ungeachtet hat die literaturwissenschaftliche Forschung, ungeachtet der deutlichen • biografischen Bezüge, die der Text aufweist, lange Zeit nahezu unisono und geradezu apodiktisch vertreten, dass sich die Interpretation "an der biblischen Vorlage zu orientieren" habe, die nur im im Vergleich mit ihr, Profil gewinne. (Bekes 1988a, S.10)

Ohne jeden Zweifel wird das biblische Gleichnis als unverzichtbarer "Bezugstext" (Meurer 1988/31998, S.83) verstanden, der zeige, "wie sehr das • Motiv der Heimkehr symbolisch besetzt ist". (Niehaus 2010, S.111) Und auch Sudau (2021, S.71) betont, dass der Bezug zum biblischen Gleichnis vom verlorenen Sohn kaum wegzudenken sei und als weiter reichender Sinn unweigerlich mitschwinge. Dabei ziele dieser "nicht nur auf den Verlust einer individuellen Vater- oder Familienliebe (...) sondern zusätzlich auf den Verlust der göttlichen Vaterliebe." Ganz im Sinne der • existenzialistischen These von der "kosmologischen Obdachlosigkeit" (Yun Mi Kim 2012, S.22 des erzählenden Ichs akzentuiert auch Sudau die "transzendentale Obdachlosigkeit" des von Heimat- und Familienverlust betroffenen Ich-Erzählers, auch wenn er ansonsten diesen textexternen Bezügen im Gegensatz zu zahlreichen anderen nicht ausführlich nachgeht.

Bekes (1988a, S.10) sieht in der Tatsache, dass • Kafkas Geschichte im Gegensatz zur biblischen Parabel der Kontext fehle, den hauptsächlichen Unterschied zwischen beiden Texten. Weil Kafkas Text sämtliche Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Rückkehr des erzählenden Ichs ins Elternhaus stellen, unbeantwortet lasse und eine Sachhälfte, auf die sich der Bildbereich explizit beziehe, fehle, überlasse er es dem Leser, diese Unbestimmtheitsstellen zu füllen.

Besondere Aufmerksamkeit verlange, so Bekes (1988a, S.10) die von Kafka in seinem Text verwendete • Ich-Perspektive, im Sinne der • traditionellen Erzähltheorie von »Franz K. Stanzel (geb. 1924) die sich klar von der • neutralen Perspektive in der biblischen Vorlage unterscheide.


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Im Vergleich der beiden Texte gelangt Bekes (1988a, S.12) zum Schluss, dass der Unterschied zwischen beiden vor allem in den "verschiedenen Wirklichkeitsinterpretationen ihrer Verfasser" begründet sei. Das Gleichnis vom verloren Sohn setze ein "immer noch geschlossenes Weltbild voraus", auf das der Erzähler mit seiner Demonstration eines a-typischen Einzelfalles vertrauen könne, um  "diskurshaft ein Einverständnis herbeizuführen". In Kafkas Parabel hingegen habe sich der Bild- vom Sachbereich gelöst und so weit verselbständigt, dass der Leser bzw. die Leserin "in einen Strudel von Reflexionen, Spekulationen und Irritationen gerissen" werde. Dadurch werde das Verstehen selbst problematisiert.

Für Niehaus (2010, S.111) gestaltet Kafka in seinem Text die sein Werk immer wieder kennzeichnende Schwellensituation, und zwar eine Situation vor der Schwelle, die zu überwinden den jeweiligen Protagonisten nicht gelingt. Im biblischen Gleichnis hingegen komme diese Schwellensituation überhaupt nicht vor, weil der Vater sie überbrücke.

Im Unterschied zu Kafkas Geschichte sei der Moment der Rückkehr der Höhepunkt der biblischen Geschichte. Diese Rückkehr werde durch Kontexte erläutert, die dem Leser Informationen über die Vorgeschichte des Geschehens. So glaubt der Vater (und wohl auch der zurückgebliebene Sohn), dass der verlorene Sohn, nachdem er das Elternhaus verlassen hat, in der Fremde • zu Tode gekommen ist und erlebt nun, dass er • wieder lebendig geworden ist. ("denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden, war verloren und ist gefunden worden")

Wie Bekes (1988a, S.10) betont auch Niehaus (2010, S.112), dass das • Fehlen solcher Kontexte in Franz Kafkas Text einen entscheidenden Unterschied zwischen beiden Texten ausmacht. Außerdem kreisten die Gedanken des Ich-Erzählers nicht nur um den Vater, sondern schließt eine Gruppe der ›dort Sitzenden‹ ein. Daher frage sich auch nicht, ob der Vater überhaupt da sei, um ihn wieder aufzunehmen. So gebe es auch keine väterliche Instanz, die über die Schwelle wache: "Es ist eben nur noch des Vaters Haus da." Daher gebe es auch nicht das geringste Anzeichen dafür, dass der Heimkehrer als Sünder zurückkehre.

Im Hinblick auf den Bezug zum • biblischen Gleichnis betont Niehaus (2010), dass der Text Kafkas "in fast allen Punkten vom biblischen Schema abweicht." (ebd., S.111) Dennoch, nicht zuletzt durch die Titelgebung durch  »Max Brod (1884-1968), wurde und werde der Text immer wieder vor dem Hintergrund des biblischen Textes gelesen. Im biblischen Gleichnis hingegen komme diese Schwellensituation überhaupt nicht vor, weil der Vater sie überbrücke. Im Unterschied zu Kafkas Geschichte sei der Moment der Rückkehr der Höhepunkt der biblischen Geschichte. (vgl. ebd., S.111

Auch Meurer (1988/31998, S.83) betont im Vergleich von Kafkas Text mit der biblischen Vorlage, die Einbettung des biblischen Texts in den Kontext und die ausgesprochene Gleichnisfunktion. Das Gleichnis solle "Gottes verzeihende Gnade" zeigen, die dem reuigen Sünder zuteil werde, selbst wenn er noch so spät umkehre und keinerlei gute Werke vorzuweisen habe. In dem im Präteritum und der dritten Person erzählten Text bilde zudem die dialogisch gestaltete Begrüßungsszene den Höhepunkt.

Kafkas ▪ »Heimkehr« gestalte hingegen nur einen bestimmten Moment der Heimkehr des Sohnes, der in der Ich-Form erzählt werde. Dabei sei "die Redeweise" in Kafkas Text im Grunde beschreibend. Dabei nutze der Erzähler den inneren Monolog um zu Beginn die äußere und danach die innere Situation zu schildern. Im Unterschied zum biblischen Gleichnis werde die Geschichte, abgesehen von der im Perfekt dargestellten Tatsache der schon vollzogenen Rückkehr ( ›Ich bin zurückgekehrt, ich habe den Flur durchschritten‹, ›Ich bin angekommen‹, im Präsens dargeboten. Nur einmal ziehe das erzählende Ich die mögliche Zukunft mit in seine Überlegungen ein (›Wer wird mich empfangen?‹). Vor allem aber teile Kafkas Text im Unterschied zum biblischen Gleichnis explizit keine Lehre mit, "es sei denn, dass man den einzigen Aussagesatz, in dem die Ich-Form durch das verallgemeinernde ›man‹ abgelöst wird, so versteht." (ebd.)

Strukturskizze zum Gleichnis vom verlorenen Sohn

Die wesentlichen Elemente und Strukturen des ▪ "Gleichnisses vom verlorenen Sohn" lassen sich mit dem folgenden Schaubild veranschaulichen.


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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 05.04.2025

 
 

 
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