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Bausteine (II,2)

Sprechhandlungen bestimmen

Johann Wolfgang von Goethe: Egmont - Zweiter Aufzug - Egmonts Wohnung (5/13)

 
FAChbereich Deutsch
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In ihrem Gespräch über das Problem, wie die niederländischen Fürsten auf die bevorstehende Ankunft • Herzog Albas, des neuen Regenten, (II,9) reagieren sollen, äußern sich die beiden Dialogpartner • Egmont und • Oranien zu verschiedenen Punkten. Während die Figuren etwas sagen, tun sie aber auch etwas: Sie vollziehen eine Sprechhandlung oder sagen etwas auf eine bestimmte Art und Weise und mit einer bestimmten Absicht.

Zur Bestimmung der Sprechhandlungen kannst man folgende Hilfsmittel heranziehen. Dabei ist freilich stets zu berücksichtigen, dass die Zuordnung bestimmter Sprechhandlungen stets ein Akt der Deutung und Interpretation des Gesagten ist, sofern die Sprechhandlung selbst nicht explizit in der dramatischen Rede bzw. im Nebentext formuliert wird. z. B. "Ich warne sie ..,m ich befehle hiermit ..., ich habe eine Bitte ... etc..)

Egmont

Oranien

Sprechhandlungen

Dramatische Rede

Dramatische Rede

Sprechhandlungen

begrüßt, vermutet

Willkommen, Oranien. Ihr scheint mir nicht ganz frei.

Was sagt Ihr zu unsrer Unterhaltung mit der Regentin?

fragt

 

Ich fand in ihrer Art, uns aufzunehmen, nichts Außerordentliches. Ich habe sie schon mehr so gesehen. Sie schien mir nicht ganz wohl.

Merktet Ihr nicht, dass sie zurückhaltender war? Erst wollte sie unser Betragen bei dem neuen Aufruhr des Pöbels gelassen billigen; nachher merkte sie an, was sich doch auch für ein falsches Licht darauf werfen lasse; wich dann mit dem Gespräche zu ihrem alten gewöhnlichen Diskurs: dass man ihre liebevolle gute Art, ihre Freundschaft zu uns Niederländern, nie genug erkannt, zu leicht behandelt habe, dass nichts einen erwünschten Ausgang nehmen wolle, dass sie am Ende wohl müde werden, der König sich zu andern Maßregeln entschließen müsse. Habt Ihr das gehört?

 
 

Nicht alles; ich dachte unterdessen an was anders. Sie ist ein Weib, guter Oranien, und die möchten immer gern, daß sich alles unter ihr sanftes Joch gelassen schmiegte, daß jeder Herkules die Löwenhaut ablegte und ihren Kunkelhof vermehrte; dass, weil sie friedlich gesinnt sind, die Gärung, die ein Volk ergreift, der Sturm, den mächtige Nebenbuhler gegeneinander erregen, sich durch ein freundlich Wort beilegen ließe und die widrigsten Elemente sich zu ihren Füßen in sanfter Eintracht vereinigten. Das ist ihr Fall; und da sie es dahin nicht bringen kann, so hat sie keinen Weg, als launisch zu werden, sich über Undankbarkeit, Unweisheit zu beklagen, mit schrecklichen Aussichten in die Zukunft zu drohen, und zu drohen - daß sie fortgehn will.

Glaubt Ihr dasmal nicht, daß sie ihre Drohung erfüllt?

 
 

Nimmermehr! Wie oft habe ich sie schon reisefertig gesehn! Wo will sie denn hin? Hier Statthalterin, Königin; glaubst du, dass sie es unterhalten wird, am Hofe ihres Bruders unbedeutende Tage abzuhaspeln? oder nach Italien zu gehen und sich in alten Familienverhältnissen herumzuschleppen?

Man hält sie dieser Entschließung nicht fähig, weil Ihr sie habt zaudern, weil Ihr sie habt zurücktreten sehn; dennoch liegt's wohl in ihr; neue Umstände treiben sie zu dem lang verzögerten Entschluss. Wenn sie ginge? und der König schickte einen andern?

 
 

Nun, der würde kommen, und würde eben auch zu tun finden. Mit großen Planen, Projekten und Gedanken würde er kommen, wie er alles zurechtrücken, unterwerfen und zusammenhalten wolle; und würde heut mit dieser Kleinigkeit, morgen mit einer andern zu tun haben, übermorgen jene Hindernis finden, einen Monat mit Entwürfen, einen andern mit Verdruss über fehlgeschlagne Unternehmen, ein halb Jahr in Sorgen über eine einzige Provinz zubringen. Auch ihm wird die Zeit vergehn, der Kopf schwindeln und die Dinge wie zuvor ihren Gang halten, daß er, statt weite Meere nach einer vorgezognen Linie zu durchsegeln, Gott danken mag, wenn er sein Schiff in diesem Sturme vom Felsen hält.

Wenn man nun aber dem König zu einem Versuch riete?

 
 

Der wäre?

Zu sehen, was der Rumpf ohne Haupt anfinge.

 
 

Wie?

Egmont, ich trage viele Jahre her alle unsere Verhältnisse am Herzen, ich stehe immer wie über einem Schachspiele und halte keinen Zug des Gegners für unbedeutend; und wie müßige Menschen mit der größten Sorgfalt sich um die Geheimnisse der Natur bekümmern, so halt ich es für Pflicht, für Beruf eines Fürsten, die Gesinnungen, die Ratschläge aller Parteien zu kennen. Ich habe Ursach', einen Ausbruch zu befürchten. Der König hat lange nach gewissen Grundsätzen gehandelt; er sieht, daß er damit nicht auskommt; was ist wahrscheinlicher, als daß er es auf einem andern Wege versucht?

 
 

 Ich glaub's nicht. Wenn man alt wird und hat so viel versucht, und es will in der Welt nie zur Ordnung kommen, muß man es endlich wohl genug haben.

Eins hat er noch nicht versucht.

 
 

Nun?

Das Volk zu schonen und die Fürsten zu verderben.

 
 

Wie viele haben das schon lange gefürchtet! Es ist keine Sorge.

Sonst war's Sorge; nach und nach ist mir's Vermutung, zuletzt Gewissheit geworden.

 
 

Und hat der König treuere Diener als uns?

Wir dienen ihm auf unsere Art; und unter einander können wir gestehen, dass wir des Königs Rechte und die unsrigen wohl abzuwägen wissen.

 
 

Wer tut's nicht? Wir sind ihm untertan und gewärtig in dem, was ihm zukommt.

Wenn er sich nun aber mehr zuschriebe und Treulosigkeit nennte, was wir heißen: auf unsre Rechte halten?

 
 

Wir werden uns verteidigen können. Er rufe die Ritter des Vlieses zusammen, wir wollen uns richten lassen.

Und was wäre ein Urteil vor der Untersuchung? eine Strafe vor dem Urteil?

 
 

Eine Ungerechtigkeit, der sich Philipp nie schuldig machen wird; und eine Torheit, die ich ihm und seinen Räten nicht zutraue.

Und wenn sie nun ungerecht und töricht wären?

 
 

Nein, Oranien, es ist nicht möglich. Wer sollte wagen, Hand an uns zu legen? - Uns gefangen zu nehmen, wär' ein verlornes und fruchtloses Unternehmen. Nein, sie wagen nicht, das Panier der Tyrannei so hoch aufzustecken. Der Windhauch, der diese Nachricht übers Land brächte, würde ein ungeheures Feuer zusammentreiben. Und wohinaus wollten sie? Richten und verdammen kann nicht der König allein; und wollten sie meuchelmörderisch an unser Leben? - Sie können nicht wollen. Ein schrecklicher Bund würde in einem Augenblick das Volk vereinigen. Hass und ewige Trennung vom spanischen Namen würde sich gewaltsam erklären.

Die Flamme wütete dann über unserm Grabe, und das Blut unsrer Feinde flösse zum leeren Sühnopfer. Lass uns denken, Egmont.

 
 

Wie sollten sie aber?

Alba ist unterwegs.

 
 

Ich glaub's nicht.

Ich weiß es.

 
 

Die Regentin wollte nichts wissen.

Um desto mehr bin ich überzeugt. Die Regentin wird ihm Platz machen. Seinen Mordsinn kenn ich, und ein Heer bringt er mit.

 
 

Aufs neue die Provinzen zu belästigen? Das Volk wird höchst schwierig werden.

Man wird sich der Häupter versichern.

 
 

Nein! Nein!

Lass uns gehen, jeder in seine Provinz. Dort wollen wir uns verstärken; mit offner Gewalt fängt er nicht an.

 
 

Müssen wir ihn nicht begrüßen, wenn er kommt?

Wir zögern.

 
 

Und wenn er uns im Namen des Königs bei seiner Ankunft fordert?

Suchen wir Ausflüchte.

 
 

Und wenn er dringt?

Entschuldigen wir uns.

 
 

Und wenn er drauf besteht?

Kommen wir um so weniger.

 
 

Und der Krieg ist erklärt, und wir sind die Rebellen. Oranien, lass dich nicht durch Klugheit verführen; ich weiß, dass Furcht dich nicht weichen macht. Bedenke den Schritt.

Ich hab ihn bedacht.

 
 

Bedenke, wenn du dich irrst, woran du schuld bist; an dem verderblichsten Kriege, der je ein Land verwüstet hat. Dein Weigern ist das Signal, das die Provinzen mit einmal zu den Waffen ruft, das jede Grausamkeit rechtfertigt, wozu Spanien von jeher nur gern den Vorwand gehascht hat. Was wir lange mühselig gestillt haben, wirst du mit einem Winke zur schrecklichsten Verwirrung aufhetzen. Denk an die Städte, die Edeln, das Volk, an die Handlung, den Feldbau, die Gewerbe! und denke die Verwüstung, den Mord! - Ruhig sieht der Soldat wohl im Felde seinen Kameraden neben sich hinfallen; aber den Fluss herunter werden dir die Leichen der Bürger, der Kinder, der Jungfrauen entgegenschwimmen, dass du mit Entsetzen dastehst und nicht mehr weißt, wessen Sache du verteidigst, da die zugrunde gehen, für deren Freiheit du die Waffen ergriffst. Und wie wird dir's sein, wenn du dir still sagen musst: »Für meine Sicherheit ergriff ich sie

Wir sind nicht einzelne Menschen, Egmont. Ziemt es sich, uns für Tausende hinzugeben, so ziemt es sich auch, uns für Tausende zu schonen.

 
 

Wer sich schont, muss sich selbst verdächtig werden.

Wer sich kennt, kann sicher vor- und rückwärts gehen.

 
 

Das Übel, das du fürchtest, wird gewiss durch deine Tat.

Es ist klug und kühn, dem unvermeidlichen Übel entgegenzugehn.

 
 

Bei so großer Gefahr kommt die leichteste Hoffnung in Anschlag.

Wir haben nicht für den leisesten Fußtritt Platz mehr; der Abgrund liegt hart vor uns.

 
 

Ist des Königs Gunst ein so schmaler Grund?

So schmal nicht, aber schlüpfrig.

 
 

Bei Gott! man tut ihm Unrecht. Ich mag nicht leiden, daß man unwürdig von ihm denkt! Er ist Karls Sohn und keiner Niedrigkeit fähig.

Die Könige tun nichts Niedriges.

 
 

Man sollte ihn kennen lernen.

Eben diese Kenntnis rät uns, eine gefährliche Probe nicht abzuwarten.

 
 

Keine Probe ist gefährlich, zu der man Mut hat.

 Du wirst aufgebracht, Egmont.

 
 

 Ich muß mit meinen Augen sehen.

O sähst du diesmal nur mit den meinigen! Freund, weil du sie offen hast, glaubst du, du siehst. Ich gehe! Warte du Albas Ankunft ab, und Gott sei bei dir! Vielleicht rettet dich mein Weigern. Vielleicht daß der Drache nichts zu fangen glaubt, wenn er uns nicht beide auf einmal verschlingt. Vielleicht zögert er, um seinen Anschlag sicherer auszuführen; und vielleicht siehest du indes die Sache in ihrer wahren Gestalt. Aber dann schnell! schnell! Rette! rette dich! - Leb wohl! - Lass deiner Aufmerksamkeit nichts entgehen: wieviel Mannschaft er mitbringt, wie er die Stadt besetzt, was für Macht die Regentin behält, wie deine Freunde gefasst sind. Gib mir Nachricht - - - Egmont -

 
 

Was willst du?

Laß dich überreden! Geh mit!

(ihn bei der Hand fassend).

 

Wie? Tränen, Oranien?

Einen Verlornen zu beweinen, ist auch männlich.

 
 

 Du wähnst mich verloren?

Du bist's. Bedenke! Dir bleibt nur eine kurze Frist. Leb wohl!

(Ab.)

(allein)

Dass andrer Menschen Gedanken solchen Einfluss auf uns haben! Mir wär' es nie eingekommen; und dieser Mann trägt seine Sorglichkeit in mich herüber. - Weg! - Das ist ein fremder Tropfen in meinem Blute. Gute Natur, wirf ihn wieder heraus! Und von meiner Stirne die sinnenden Runzeln wegzubaden, gibt es ja wohl noch ein freundlich Mittel.

   

 

 

 

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 29.01.2024

     
   Arbeitsanregungen:
  1. Bestimmen einzelne Sprechhandlungen und beschreiben Sie die sprachliche Äußerung möglichst genau und differenziert.
  2. Markieren Sie jene Passagen im Text, die sich um einen bestimmten Punkt drehen.
  3. Ergänzen Sie im letzten Schritt die vorgegebenen spärlichen Bühnenanweisungen durch genauere Regiebemerkungen. (vgl. Dramaturgie und Inszenierung)
 
  
 

 
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