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▪ Jede/r Tote im
Straßenverkehr ist eine/r zuviel (diskontinuierlicher Text)
▪ Von der Disko an
den Baum (kontinuierlicher Text)
Regeln, Auflagen und Verbote helfen: Das allgemeine
Tempolimit ist überfällig
von Gert Egle
Eines vorweg: Jeder Tote, der im Straßenverkehr zu beklagen
ist, ist ein Toter zuviel.
Und doch: Über einen langen Zeitraum betrachtet, sind immer
weniger Menschen im Verkehr umgekommen und das, obwohl der
Kraftfahrzeugbestand stark gestiegen ist: 1953 gab es es nach
Aussage des Kraftfahrtbundesamtes in Deutschland 4,8 Millionen
zugelassene Kraftfahrzeuge und 2017 12-mal so viele. Wenn
man das berücksichtigt ist das Risiko bezogen auf 100 000
zugelassene Fahrzeuge bei Unfällen im Straßenverkehr getötet zu
werden, um zwei Drittel gesunken, wie das
Statistische Bundesamt 2018
festgestellt hat.
Die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland ist nach
Berechnungen des
Statistischen Bundesamts auf den zuletzt im Jahr 2019
ermittelten geringsten Stand seit der Wiedervereinigung
(1991:11.300, 2019: 3.059) gesunken. Diese Entwicklung hat viele
Ursachen.
Eine der Ursachen: Der Staat hat schon seit Jahrzehnten mit
unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen dafür gesorgt, dass
immer weniger Unfallopfer auf den bundesdeutschen Straßen zu
beklagen sind. Aber auch die technische Entwicklung der Autos,
die zu einer besseren passiven, aber auch aktiven
Verkehrssicherheit geführt haben (z. B. »Airbags,
»ABS,»
ESP,
»Auffahrwarngeräte
und Notbremsassistenten etc.), ist hier zu nennen. Am
augenscheinlichsten korrelierte der Rückgang jedoch mit den
verschiedenen Maßnahmen, die der Staat seit 1950 ergriffen hat.

Wenn es auf den deutschen Straßen kracht und dabei Personen
verletzt werden oder umkommen, dann ist der Anteil junger Erwachsener überdurchschnittlich
hoch. Die Polizei stuft 62% der 18- bis 24-jährigen Unfallbeteiligten
als Hauptverursacher ein, bei den unfallbeteiligten Pkw-Fahrern waren es
sogar 66%. Und der ADAC hat vor ein paar Jahren auf der Basis von 2200 schweren Crashs
ermittelt, dass 63% der jungen Autofahrer zwischen 18 und 24 ohne
Einfluss eines anderen Fahrzeugs verunglücken - sie verlieren die
Kontrolle und kommen von der Straße ab. Und obwohl diese Altersgruppe,
wie gesagt, nur 7,7 Prozent an der Gesamtbevölkerung ausmacht,
verursachen junge Fahrer mehr als ein Viertel der Verkehrsunfälle.*
Auch wenn die Zahl der tödlichen
verunglückten jungen Leute im Alter zwischen 18 und 24 Jahren in
den letzten Jahrzehnten sehr, im Vergleich zu den anderen
Altersgruppen sogar überproportional zurückgegangen ist, sind
und bleiben "junge Erwachsene immer noch die mit Abstand am stärksten gefährdete
Altersgruppe im Straßenverkehr: 12,4 % aller Getöteten und 16,1 % aller
Verletzten waren zwischen 18 und 24 Jahren alt, wobei ihr Anteil
an der Gesamtbevölkerung nur bei 7,7 % lag. Dass 18- bis
24-Jährige im Straßenverkehr besonders gefährdet sind, zeigt
sich auch daran, dass von allen im Jahr 2015 Gestorbenen dieser
Altersgruppe (2 040) etwa jeder vierte (23,2 %) bei einem
Verkehrsunfall zu Tode kam. " (Statistische Bundesamt 2018)
Wie bei allen Unfällen, ist Alkohol auch bei Unfällen, die von jungen Fahrerinnen und Fahrern
verursacht werden, besonders häufig im Spiel ist. Man hat ermittelt, dass
durchschnittlich jeder dritte alkoholisierte unfallbeteiligte Pkw-Fahrer
ein junger Erwachsener im Alter zwischen 18 und 24 Jahren ist. Die
Hauptrisikogruppe: Junge Männer, die dazu neigen, sich mit ihrem
Fahrkönnen zu überschätzen und Anerkennung bei den
Gleichaltrigen suchen.
Dass es gerade die Gruppe der 18- bis 34-Jährigen ist, die
sich einer repräsentativen Umfrage des Deutschen
Verkehrssicherheitsrats (DVR) aus dem Jahr 2017 zur Einführung
eines Tempolimits mit 61 Prozent weit überdurchschnittlich
dagegen ausgesprochen hat (eine knappe Mehrheit aller Befragten
war mit 52 Prozent dafür, 47 Prozent dagegen; Frauen zu zwei
Dritteln dafür) (vgl.
brandeins.de), verweist allerdings, wie lückenhaft und
problematisch das Selbstverständnis der Hauptrisikogruppe ist.
Aber auch hier haben staatliche Maßnahmen durchaus Wirkung
gezeigt. Die Einführung des Führerscheins auf Probe (2007) mit der Auflage eines
absoluten Alkoholverbotes für Fahranfänger hat nämlich die Zahlen im Vergleich zu
den Vorjahren deutlich gesenkt.
Wer die Anzahl von Verkehrstoten weiter senken will, kann
natürlich verschiedene Hebel ansetzen. Aber, wenn die Politiker
aller Parteien weiterhin nichts mehr fürchten, als ein
allgemeines Tempolimit auf den deutschen Autobahnen zu erlassen,
wird es wohl kaum zu einem größeren Rückgang der Anzahl der
Verkehrstoten und sämtlicher Unfälle mit Personenschäden kommen.
Da können die Werbeanzeigen der Automobilbranche noch so sehr
mit kostspieligen intelligenten Assistenzsystem wedeln, wenn sie
gleichzeitig den PS- und SUV-Wahn fördern, der in Deutschland,
anders z. B. als den tempokontrollierten USA, immer noch an
Vorstellungen von "freier Fahrt für freie Bürger" klebt. Dass
sich aber hochmotorisierte Karossen auch im "Land der
unbegrenzten Möglichkeiten", wo die Autos selbst auf kaum
befahrenen Highways nach deutschen Verhältnissen dahinschleichen
müssen, zeigt, dass selbst rigorose Tempolimits, sofern sie
überwacht und angemessen sanktioniert werden, dem Verkauf von
Sechszylindern bis im Kleinwagensegment sogar nicht einmal
entgegensteht. Höchste Zeit also, dass die parteiüberfreifenden
Angsthasen in der deutschen Politik, sich, wenn es denn nicht
anders geht, alle gemeinsam am Händchen fassen, und das längst
überfällige allgemeine Tempolimit auf deutschen Autobahnen
beschließen.
Wie schon eingangs gesagt: Jeder Tote, der im Straßenverkehr zu beklagen
ist, ist ein Toter zuviel. Selbst wenn Tempo 130 bundesweit nur
70 Tote weniger bedeuten würde, wie
Forscher ermittelt haben wollen, sind dies 70 Menschen, die
wegen der europaweit einzigartigen Raserei auf den Autobahnen
ihr Leben lassen müssen. Gegen ein Tempolimit auf Autobahnen
spricht auch nicht, dass auf den Autobahnen hierzulande "nur" 13
Prozent, während 56 Prozent der Todesopfer auf Landstraßen zu
beklagen sind. Wo es nämlich Tempolimits gibt, sind es nur
8 Prozent, wie Wulf Hoffmann (2018), ein ehemaliger Polizist,
der im Vorstandsausschuss Verkehrstechnik des Deutschen
Verkehrssicherheitsrats (DVR) sitzt, betont. (brandeins.de)
Zugleich zeigte eine Untersuchung des DVR außerdem auf, "dass es
auf den Abschnitten ohne Tempobegrenzung durchschnittlich 28
Prozent mehr Verkehrstote gab als auf regulierten. Und als in
den Achtzigerjahren in Hessen versuchsweise Tempo 100 auf
einigen Autobahnen eingeführt wurde, halbierte sich die Zahl der
Toten und Schwerverletzten". (ebd.)
Und: Jedes Gramm CO2, Kohlenmonoxid, Stickoxid,
Schwefeldioxid oder Rußpartikel, das mit der Einführung eines
Tempolimits von 120 km/h auf Autobahnen eingespart wird, schützt
nicht nur unsere Umwelt im Allgemeinen, sondern auch Menschen,
die auch deshalb sterben, weil sie die Schadstoffe unentwegt
einatmen müssen. (945 Wörter)
*Von der Disco in den Tod, in: ADAC Motorwelt H.11, Nov. 2012
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▪ Jede/r Tote im
Straßenverkehr ist eine/r zuviel (diskontinuierlicher Text)
▪ Von der Disko an
den Baum (kontinuierlicher Text)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
05.09.2023