Hans Hoff hat es in seiner Fernsehkritik zur RTL-Produktion "»Der
Bachelor" in der Süddeutschen Zeitung vom 22.2.2012 treffend auf den
Punkt gebracht: Was RTL mit seinem "Bachelor" inszeniert hat, wirkt "wie ein
Rücksturz ins Mäuschenzeitalter", das all das hinter sich zu lassen scheint,
was Frauen seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhundert sich unter dem
Schlagwort "Emanzipation" auf die Fahnen geschrieben haben. Die Mädels, wie
die Frauen in der Show allesamt tituliert werden, präsentieren sich darin
als Waren, die auf dem Markt um männliche Anerkennung als Sexualobjekte
buhlen.
Im Bachelor (engl. Junggeselle) von RTL, soll - so das Konzept - ein
attraktiver Junggeselle eine Lebenspartnerin finden. Der Bachelor
lehnt sich an das seit 2002 produzierte Erfolgsformat The Bachelor im
US-Fernsehen (ABC) an. Dort läuft das Ganze seit Januar 2012 schon als
sechzehnte Staffel.
Und so läuft das Format in Deutschland ab: "In Gruppen- und Einzeldates
lernen sich der Junggeselle und die Kandidatinnen in gehobener Umgebung
kennen. Bis die Gewinnerin feststeht, finden Eliminationsrunden statt. Dazu
überreicht der Junggeselle vorwiegend zum Schluss einer Folge Rosen an seine
Favoritinnen. Da jedes Mal weniger Rosen zur Verfügung stehen, als sich noch
Kandidatinnen im Rennen befinden, scheiden die Bewerberinnen ohne Rose aus."
(Wikipedia,
22.02.12)
Dem Publikum gefällt, "was RTL da nachmittags mit Hartz-IV-Aroma verströmt",
wie Hoff sagt. Und das liege nicht zuletzt daran, dass andere längst den
Publikumsgeschmack beeinflusst und die Maßstäbe verändert hätten, mit denen
die Inszenierungen des "Unterwerfungsfernsehens à la RTL" über den Sender
gehen. Denn: "Bedingungslose Unterwerfung ist inzwischen die Regel." Und der
kategorische Imperativ dieses Unterhaltungsprinzips lautet eben, wie es Hoff
ausdrückt: "Gib Körper, gib Seele, erhalte Fernsehpräsenz".
Wer sich in Sendungen wie Germany’s Next Topmodel by Heidi Klum
(Pro
Sieben) oder Deutschland sucht den Superstar (RTL) aufhält,
kennt die Bewegungsgesetze der Formate. Die Klum, z. B., wird "mit
ihrem penetranten Plastikfröhlichkeitscharme" (Meike Laaf, "Die
Gleichschaltung der Gesichter" in der tageszeitung (taz) vom 3.3.2011) immer
wieder das tun, was sie sich in der Rolle der "Hohepriesterin des
Modelgewerbes" (ebd.) zuschreibt. In der einen Woche wirft sie ihren
Kandidatinnen vor, "ihnen fehle die richtige Einstellung" , sie
müssten "endlich mal aus sich rauskommen" (ebd.). In der nächsten Woche
scheut sie sich als selbsternannte "Domina vom Dienst" (Hans Hoff in
der Süddeutschen Zeitung vom 3.3.2011) dennoch nicht, die so "beratenen"
"Mädchen" aus ihrer Sendung zu kicken, "weil sie einfach zu langweilig sind
oder ihnen einfach das stets einsetzbare 'gewisse Etwas‘ oder die
'Persönlichkeit‘ fehlt. Zu aufgedreht, zu introvertiert. Zu unkontrolliert,
zu brav, zu unnatürlich, zu maskulin, zu erotisch, zu süß, zu wenig
wandelbar –" (Laaf, ebd.)
Und im Bachelor? Viel Wind um nichts - und doch so erfolgreich?
Vielleicht gerade drum. Auch wenn alles, was in dieser Sendung geschieht -
oder eben auch nicht, "nach plumper Inszenierung, nach Frauenhandel im
Reise-Katalog-Ambiente (riecht)" scheint das Format - zumindest für die
nächste Zeit gerettet. Die Sendezahlen zeigen nach oben (5,5 Mio. für Folge
sieben) (vgl. Hoff 2012). Bis zu 24% der unter 50-Jährigen Zuschauer sollen
dies gewesen sein. Kaum zu glauben, dass sich so viele Menschen beiderlei
Geschlechts "an die schlecht ausgesuchten Protagonisten gewöhnt, die nach
schlechten Drehbüchern schlecht gespielten Geschichten in sogenannten
Scripted-Reality-Dokus zur Aufführung bringen." (ebd.)
"Das ist doch einfach pure Unterhaltung," erklärte einmal der ehemalige
RTL-Chef Gerhard Zeiler, als er sich gegen den Vorwurf der
Frauenfeindlichkeit des Formats zur Wehr setzte. Zugleich verwies er auf die
Produktion der "Bachelorette - Die Traumfrau", bei der sich eine Frau
in einer Villa an der Côte d’Azur unter 25 Kandidaten ihren Rosenkavalier
aussuchen sollte. (vgl.
Wikipedia, ebd.) Seine Hoffnung mit dieser Produktion mit umgekehrtem
Geschlechterverhältnis, die Kritik zum Verstummen zu bringen, währte
indessen nicht lange. Wegen zu geringem Publikumsinteresse (warum wohl?)
wurde das Ganze nach der ersten Staffel wieder abgesetzt. So haftet dem
heutigen Bachelor eben immer noch an, was seit der ersten Staffel
gegen die Sendung vorgebracht wird: "verkommenste TV-Sendung" seit
Menschengedenken" (Oliver Fuchs in der Süddeutschen Zeitung v. 2.1.2004),
ein Frauenbild, das "an den arabischen Kamelhandel" erinnert (»Sabine
Bätzing-Lichtenthäler (geb. 1975); SPD-Politikerin auf
Spiegel Online v. 10.12.2003). Und sogar der Schlagersänger
»Udo
Jürgens (1934-2014), der nun, weiß Gott, kein Kostverächter in Sachen
weiblichen Geschlechts war, wurde von
NEWSAT (2003) mit den Worten zitiert: "Ich empfinde es als billig und
nuttig, wenn 25 Frauen um einen Mann buhlen.“ (vgl.
Wikipedia, 22.02.12) Bachelor Paul hält in der Episode "»Spaß
im Spa", bei der neun Kandidatinnen im Bikini in seinen Pool steigen,
dagegen: "War schon ein schöner Anblick, und ich meine, es kann nicht jeder
von sich behaupten, mit neun hübschen Mädchen in einem Pool zu sitzen ...
wie im Paradies." Sagt's und bricht auf zur Massage. Und eine der
Kandidatinnen: "Jetzt grade komm' ich mir vor wie im Traum ... perfekt alles
... traumhaft" ... wie ein Rücksturz ins Mäuschenzeitalter eben - mit
Lichtgeschwindigkeit.
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
30.12.2023