In
Baden-Württemberg
wird der Essay
als schulische Schreibform ab 2014 in allen Gymnasien als
Aufgabentyp IV des
schriftlichen Abiturs verbindlich. Die Legitimation des
Lerngegenstandes Essay ergibt sich aus einem klaren Bezug zu den
»Bildungsstandards für das Fach Deutsch. Sowohl im Hinblick auf die
darin unter den Leitgedanken als zentrale Aufgaben formulierten Prinzipien
als auch unter dem Blickwinkel des Kompetenzerwerbs im Fach Deutsch lässt
sich der schulische Essay bzw. essayistisches Schreiben in der Schule für
den Unterricht in Sekundarstufe II mit einem klaren
Bildungsplanbezug legitimieren.
Das komplexe Anforderungsprofil der Schreibform, das auf unterschiedlichen
Kompetenzen in verschiedenen
Kompetenzbereichen
basiert, ruht auf Fähigkeiten, die sich neben den
Bildungsstandards
auch den
Anforderungsbereichen (
(Afb 1
und Afb
2) für die Abiturprüfung zuordnen lassen. (vgl.
Ulmer
2012, S.13)
Dies gilt sowohl für die rezeptive,
vorwiegend textanalytisch ausgerichtete Textarbeit (→Literarästhetische Rezeptionskompetenz,
als auch für die produktive Arbeit beim
Verfassen eigener Essays durch Schülerinnen und Schüler (→Literarästhetische Produktionskompetenz).
Üblicherweise kommen im Rahmen eines kompetenzorientierten
Essayunterrichts in der gymnasialen Oberstufe beide Formen der Textarbeit
zum Zuge. Gerade die Textarbeit mit den formalästhetisch und poetologisch so
unterschiedlichen
Essays als Kunstprosa, die literaturwissenschaftlich zu den
literarischen Zweckformen (Literarisierte Gebrauchstexte) gezählt werden können, hat im
kompetenzorientierten
Literaturunterricht
der Oberstufe ihren Platz. (→Literarische Kompetenz)
In Baden-Württemberg kann die rezeptive und produktive Essayarbeit in der
Schule mit Bezug auf die folgenden
Bildungsstandards
legitimiert werden:
Informieren
Methoden der Aufbereitung und Vermittlung von Informationen anwenden
(Strukturierung und Visualisierung)
Texte wiedergeben
(...) das Wesentliche eines anspruchsvollen Textes mit eigenen Worten
sachgerecht wiedergeben; Techniken des Zitierens und des referierenden
Sprechens sicher anwenden.
Argumentieren
(...) komplexe Fragestellungen erfassen und Problemfelder erschließen;
eine präzise und adäquate Begrifflichkeit verwenden;
mit Techniken und Formen des Argumentierens und Erörterns selbständig
umgehen:
Norm und Wertvorstellungen reflektieren und sich ein begründetes Urteil
bilden;
Texte analysieren
und interpretieren
(...) Verstehensvoraussetzungen klären;
eine funktionale, auf Inhalt und Wirkung bezogene Analyse von Texten
durchführen und deren Darstellungsmittel einbeziehen (auch Glosse,
Satire, Reden, Kommentare);
Sach- und Gebrauchstexte in unterschiedlichen medialen
Erscheinungsformen auf ihre Funktionen hin untersuchen und beurteilen;
Lesekompetenz
(...) sich mit in einem Text dargestellten Menschen- und Weltbild
auseinandersetzen.
Medienkompetenz
(...) die verschiedenen Medien als Mittel der Information,
Meinungsbildung, Manipulation, Unterhaltung, Kommunikation und
ästhetischen Gestaltung gezielt nutzen;
Sprachwissen und
Sprachkompetenz
(ein Repertoire semantischer, syntaktischer und stilistischer
Möglichkeiten situationsgerecht und funktional anwenden;
Mehrdeutigkeit, Denotation und Konnotation erkennen und sie bei der
eigenen Sprachproduktion verwenden;
(vgl.
Merkel 2012,
S.130)
Die Kompetenzen, die die Schülerinnen und Schüler bei der
rezeptiven und produktiven Essayarbeit benötigen, sind dem
baden-württembergischen Bildungsplan curricular eingearbeitet. Der
Kompetenzerwerb dazu beginnt im Grunde schon in der Unter- und Mittelstufe
und mündet in das in der Oberstufe verlangte essayistische Schreiben.
Merkel (2012,
S.130) empfiehlt dazu allerdings ausdrücklich die Abstimmung im
Schulcurriculum, das wie
Thies (2012b, S.109ff.) beispielhaft skizziert, auf einer "kleine(n)
Didaktik des Essays bis zur Oberstufe" basiert.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
04.06.2020