Schulische Schreibform und Schreibform im Allgemeinen unterscheiden
sich
Die schulische
Schreibform des kommentierenden Leserbriefs unterscheidet sich in
einigem von dem, was einen
Leserbrief außerhalb
der Schule als publizistische Schreibform ausmacht.
Als schulische
Schreibform kann man ihn zum erörternden Schreiben
zählen, da mit ihm zu einem oder mehreren Problemen oder Sachverhalten
kritisch Stellung genommen werden soll. Dieses Problem ist entweder
allgemeiner Art oder ist in einem Text oder sonstigen Beitrag eines
Pressemediums (z. B. Offline- oder Online-Zeitung oder Zeitschrift)
publiziert (Primäräußerung). Die vorgestellte oder vorgegebene allgemeine Kommunikationssituation gibt
dabei unter Auslassung einer dazwischen geschalteten Redaktion (Mehrfachadressierung
bleibt unberücksichtigt) vor, dass
sich der Leserbrief an die oder an eine bestimmte Öffentlichkeit richtet.
Kritisch Stellung nehmen
Beim kommentierenden Leserbrief, der sich je nach vorgegebener
Kommunikationssituation und Referenztextbezugs mal eher der
freien Erörterung/Problemerörterung
oder mal eher der
Texterörterung
zuordnen lässt. (Formen des
kommentierenden Leserbriefs), wird eine kritische und
vernunftorientierte Auseinandersetzung mit überzeugend angelegten Argumenten
verlangt.
-
Dazu gehören die
Verwendung plausibler Argumentationsmuster, Begründungspflicht, sowie die
redliche Bezugnahmen auf Gesagtes und implizit Vorausgesetztes logische
Gültigkeit und Sachlichkeit (10 Regeln für
die kritische Argumentation).
-
Dem Gebot der Sachlichkeit
steht dabei nicht entgegen, dass auch der angemessene Ausdruck von Gefühlen,
die z.B. der Missbilligung bestimmter Dinge Ausdruck verleihen, bei einem
kommentierenden Leserbrief dazugehören. Gerade das expressive Schreiben,
also die Artikulation von Gefühlen und ihre angemessene
sprachlich-stilistische Gestaltung, macht einen der wesentlichen
Unterschiede zu einer textbezogenen Stellungnahme
aus, mit der der kommentierende Leserbrief aber teilt,
dass am Ende kein ausgewogenes Sach- und Werturteil stehen soll, wie
dies z. B. bei der Erörterung als schulischer Schreibform verlangt wird.
-
Man darf also seinen Überzeugungen durchaus auch
das eine oder andere Mal
polemisch Nachdruck verleihen, solange damit keine Herabsetzungen anderer
Personen verbunden sind. Der
rhetorischer Giftschrank sollte allerdings auch für diese eher
subjektive, teilweise expressive und
tendenziell persuasive (überredende) Schreibform nicht extensiv genutzt werden, selbst
wenn ihr eristische
Argumentationstechniken in der Polemik nicht grundsätzlich
versagt sein können. Nur: Bloßes, dazu noch suggestives Überreden im Sinne
unfairen Argumentierens kann und wird niemals Schreibziel dieser
schulischen Form des Leserbriefes sein.
Formen des kommentierenden Leserbriefes
Je nach Art des Ausgangstextes bzw. der Primäräußerung lassen sich zwei
verschiedene Formen von kommentierenden Leserbriefen unterscheiden:
-
Der freie kommentierende
Leserbrief setzt an einem Problem, einer Zeiterscheinung oder einem
beliebigen Sachverhalt an und nimmt dazu Stellung. Das strittige Problem
kann also auf unterschiedlichsten Sachverhalten etc. beruhen und muss sich nicht
auf einen bestimmten Text oder eine bestimmte Primäräußerung beziehen.
-
Der
textbezogene
kommentierende Leserbrief orientiert sich dagegen eindeutig an
Aussagen, die in textlicher – mündlicher oder schriftlicher – Form vorliegen
und bezieht sich mit seiner Stellungnahme ausdrücklich auf den Inhalt, die
Form oder die Bedeutung dieser Primäräußerung. (vgl.
Textgebundener
kommentierender Leserbrief)
Aufbau des kommentierenden Leserbriefs
Auch wenn ein kommentierender Leserbrief
nicht grundsätzlich in einer ganz klar umrissenen Art und Weise aufgebaut
sein muss, ist es hilfreich, sich an die nachfolgenden Prinzipien zu
halten. Dies gilt um so mehr, wenn der kommentierte Leserbrief als
schulische
Schreibform eingesetzt wird und u. U. gar als Prüfungsaufgabe
verlangt wird.
Einleitung |
In der Einleitung soll die Aufmerksamkeit des Lesers geweckt
werden. Dazu greift man das aktuelle Ereignis auf und stellt dabei den Bezug zur
Textvorlage ausdrücklich her. Außerdem wird der Leser zum Thema hingeführt.
|
Hauptteil |
Im überwiegend argumentierenden bzw. kommentierenden Hauptteil
begründet der Verfasser seine Meinung. Er zeigt dabei Hintergründe
zu dem Sachverhalt auf, auf den er Bezug nimmt, und / oder stellt
den Sachverhalt in einen größeren / anderen Zusammenhang. Schon in
diesem Teil kann ein Verfasser pointierte, mitunter auch
provozierende Äußerungen machen oder Bewertungen vornehmen und ggf.
seinen Gefühlen in angemessener sprachlich stilistischer Form
Ausdruck verleihen
|
Schluss |
Im appellierenden Schlussteil werden Schlussfolgerungen
gezogen, Forderungen aufgestellt, Appelle ausgesprochen und kritische Bemerkungen gemacht.
Im Schlussteil wird ganz eindeutig Stellung genommen. |
Trotz dieser Anregungen zum Aufbau muss eingeräumt werden, dass
die Besonderheiten der Schreibform jenseits der Schule oft auch
einen anderen Aufbau nahelegt, weil dann die "Gefahr" der Kürzung
durch eine Leserbriefredaktion besteht, auch wenn Kürzungen
keineswegs immer von hinten oder von vorne vorgenommen werden. In
der Regel wählt die Redaktion eben nach Belieben aus.
Sprachliche Form
Der
Leserbrief
hat keine festgeschriebene Form.
Aber in der Regel sollten folgende Gesichtspunkte bei
der sprachlichen Ausarbeitung berücksichtigt werden:
-
Im Hauptteil möglichst kurze Hauptsätze,
Satzreihen und Satzgefüge, um Zusammenhänge darzustellen. ·
-
In der Einleitung und im
Schlussteil bei Appellen,
Bewertungen und Forderungen kann es sinnvoll sein, umgangssprachliche Elemente einzusetzen
oder rhetorische Figuren zu benutzen.
-
Tempus
-
Präsens:
bei Deutungen, Bewertungen und Beurteilungen
-
Präteritum: beim Berichten über ein vergangenes Geschehen
Themen für den textungebundenen Leserbrief in pointierter
Thesenform
Die Themen für einen textungebundenen Leserbrief entsprechen oft denen, die
auch sonst bei der freien
Problem- und Sacherörterung gestellt werden.
Um eine Stellungnahme zu einem konkreten Problem anzuregen, lohnt es
sich aber, die Themen in pointierter Thesenform zu
formulieren, so dass sie zur Auseinandersetzung reizen, wie dies bei
den nachfolgenden Themen der Fall ist.
Besonderes Merkmal der Themen ist allerdings stets der Arbeitsauftrag zur
Abfassung eines kommentierten Leserbriefes. Dabei wird oft auch auf
ein singuläres Ereignis rekurriert, das sich jederzeit und überall
ereignet haben könnte.
-
Staat und Polizei müssen gegen
Unfallgaffer viel härter durchgreifen.
Verfassen Sie einen kommentierenden Leserbrief zu diesem Thema.
-
Die
Alten werden, da ihr Anteil immer höher wird, zunehmend zur Last der
nachfolgenden Generationen. Es wird Zeit, dass auch sie lernen, den
Gürtel enger zu schnallen.
Nehmen Sie in Form eines kommentierenden Leserbriefes zu dieser
These Stellung.
-
Schülerinnen kommen heutzutage gerne mal im superkurzen Minirock,
mit einem bauchfreien T-Shirt oder einem Ausschnitt knapp über dem
Bauchnabel: in die Schule. Das geht gar nicht.
Nehmen Sie dazu in Form eines kommentierenden Leserbriefes Stellung
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Immer mehr junge Erwachse machen es sich zu Hause bequemen und
wohnen viel länger als früher im Elternhaus. Ungeniert machen sie es
sich auf Kosten ihrer Eltern bequem..
Beziehen Sie in einem kommentierenden Leserbrief Position zu dieser
Entwicklung.
-
"Mit einem Smartphone wird jeder zum Paparazzi."
Formulieren Sie Ihre Meinung zu dieser Aussage in Form eines
kommentierenden Leserbriefs.
→Weiter mit:
Arbeitsschritte beim kommentierenden Leserbrief
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
31.12.2023
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