Früher: Das Textprodukt war alles
Lange Zeit war das schulische Schreiben lediglich auf das
herzustellende Textprodukt fixiert und hat dem Schreibprozess kaum
Beachtung geschenkt.
Schreiben konnte man oder eben nicht, und so
fungierten die mannigfachen Aufsätze oft als ein
Nachweis darüber, was alle Beteiligten längst wussten: "Mir liegt
das Schreiben" oder "Mir liegt das Schreiben überhaupt nicht".
Solche Alltagshypothesen, die oft in der
▪
Genie-,
▪
Dornröschen- oder
▪
Nachahmungshypthese gründen (vgl.
Feilke (1995,
S.278ff.), verleihen dem Schreiben nicht nur den Charakter eines
Mysteriums, sondern erklären es für im Grunde nicht erlernbar. (▪
Schreibentwicklung).
Ein-Phasen-Modell des Schreibens: Einen Text zu einer Idee
schreiben
Dazu trug lange Zeit auch bei, wie die Schule bestimmte Schreibhandlungen
und ▪ Schreibstrategien kultivierte. Beim "Klassenaufsatz" genau so
wie beim
"Übungsaufsatz" dominierte das Einphasen-Modell des
Schreibens, das mit der allseits propagierten
▪ Schreibstrategie
des
▪ Einen Text zu einer Idee schreiben
umgesetzt wurde.
Dazu kam noch die fast immer damit verbundene
bewertend-prüfende Beurteilung. So bildeten
Benotung und schulisches Schreiben lange Zeit eine
untrennbare Einheit, ließ andere Schreiberfahrungen kaum zu.
Das lag
nicht zuletzt auch daran, dass bei
Bewertung und
Benotung schriftlich
erbrachte Leistungen allemal als "objektiver"
galten als mündliche Leistungen. Das war diesem Dilemma, aber auch
den gesellschaftlichen Funktionen der Leistungsmessung geschuldet
(z. B. curriculare Kontrolle, Information, Schulempfehlungen,
Ausbildungs- und Studienplatzvergabe, Selektion etc.). Bis heute
gewichten zahlreiche Lehrpersonen die
wenigen schriftlichen Klassenarbeiten, die von einem Schüler bzw.
einer Schülerin im
Laufe eines Schuljahres geschrieben werden müssen, deutlich höher
als mündlich erbrachte
Leistungen.
Neuere schreibdidaktische Konzepte
Neuere
▪ schreibdidaktische Konzepte haben damit aufgeräumt und mit dem
Ruf nach einer "ganzheitlichen Begleitung von Schreibprozessen in
der Schule" (Bräuer
2010, S.4) versucht, eine grundsätzlich andere Richtung
einzuschlagen. Dabei soll der Begriff "ganzheitlich" in diesem
Zusammenhang bedeuten, "dass Schreibprozesse auf verschiedenen
Bezugsebenen und über wechselnde Wahrnehmungskanäle begleitet
werden". (ebd.)
Möglichkeiten, um eine solche ganzheitliche Begleitung zu gestalten,
sind u. a.
-
Lehrer-Schüler-Schreibkonferenzen,
in denen die schreibenden Schülerinnen und Schüler durch die
Lehrperson förderliches Feedback und konkrete Hilfestellungen für
ihr Schreibhandeln erhalten.
-
Peer-Feedback,
das den Schreibern in den unterschiedlichen Formen
▪ kooperativen Schreibens
zuteil wird (z. B.
Fragelawine,
Textlupe,
▪
Schreibateliers,
▪
Schreibkonferenz,
▪
Experten-Team,
▪
Über-den-Rand-hinaus-Schreiben,
▪
Papier-Posting:
▪
Textforum,
▪
Schreibzirkel).
-
Institutionalisierte Schreibberatung an der jeweiligen Schule,
bei dem speziell ausgebildete Schülerinnen und Schüler (denkbar auch
in einer Art Mentorensystem) den anderen Schülern an der Schule
fächer- und jahrgangsstufenübergreifend z. B. in Schreiblesezentren,
Lernwerkstätten u. ä. im Rahmen des Ganztagsangebots zu bestimmten
Zeiten zur Verfügung stehen, um bei Schreibproblem zu helfen.
-
Verfügbarkeit von Selbstlernmaterialien in der elektronischen
Lernumgebung der Schule (z. B. SchreibQuests), die auch als Kommunikationsplattform über die
Texte mit kollaborativen Funktionalitäten wie Wikis, Foren oder
Blogs aufwarten müssen. Dann können sie auch kollaborative Arbeitsformen im
Netz ermöglichen und dem Online-Peer-Feedback Raum geben.
Sollen »Blended Learning-Konzepte
(=integriertes Lernen) genutzt werden muss die Plattform auch von zu Hause aus zu erreichen
sein.
-
Externe Schreibexperten
wie Journalisten können im Rahmen von besonderen Angeboten an der
Schule tätig werden und damit die berufliche Bedeutung bestimmter
Schreibformen ganz lebensnah vermitteln.
Auf diese und ähnliche Weise kann eine Schule ihr
besonderes "Schreibprofil" entwickeln und das Schreiben zu einem
wichtigen Bestandteil der Schulkultur machen.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
07.01.2024
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