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Campe, Robinson der Jüngere im Projekt Gutenberg
Die wohl mit Abstand
erfolgreichste und auch folgenreichste Bearbeitung von »Daniel Defoes
(1660-1731)
Roman »Robinson
Crusoe (The life and
strange surprizing adventures of Robinson Crusoe") (1719), im
deutschsprachigen Raum stammt von dem deutschen Schriftsteller,
Sprachforscher und Pädagoge »Joachim
Heinrich von Campe (1746-1818).
Mit seiner Bearbeitung
des Robinsonmotivs mit dem Titel »"Robinson
der Jüngere, zur angenehmen und nützlichen Unterhaltung für Kinder"
(1779-80) griff er den Fingerzeig »Jean
Jacques Rousseaus auf, der dem Robinson Defoes das •
Prädikat eines "idealen Kinderbuchs"
verliehen hatte, weil es trotz seines sonstigen • "Hasses"
auf Bücher seinem
erfahrungspädagogischen Konzept entsprach.
Allerdings entfernte
sich Campe mit seiner an einem "krasse(n) Nützlichkeitsstandpunkt"
orientierten Darstellung, mit der er sich auch gegen die "Seelenseuche"
der Zeit, gegen das "leidige Empfindsamkeitsfieber" richtete, sehr von
der moralisch-pädagogischen und praktisch-nüchternen Intention und Art
der Originalerzählung »Daniel
Defoes (1660-1731) (»Robinson
Crusoe (The life and strange surprizing adventures of Robinson Crusoe")
(1719)) (vgl.
Rehm/Kohlschmidt 1977, S.475ff.).
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Ganz anders als das,
was Rousseau dazu zu sagen hat, liest sich auch das, was Campe (1848) als Kriterien für sein
ideales Kinderbuch formuliert:
."..ein Buch, welches zwar eben so unterhaltend und anziehend
als irgendein anderes wäre, aber nicht so, wie andere, bloß zu untätigen
Beschauungen, zu müßigen Rührungen, sondern unmittelbar zur Selbsttätigkeit
führte; ein Buch, welches den jungen Nachahmungstrieb der Kinderseele (den
ersten unter allen Trieben, die bei uns zu erwachen pflegen) unmittelbar auf
solche Gegenstände lenkte, welche recht eigentlich zu unserer Bestimmung
gehören, ich meine auf Erfindungen und Beschäftigungen zur Befriedigung
unserer natürlichen Bedürfnisse; ein Buch, worin diese natürlichen
Bedürfnisse des Menschen mit den erkünstelten und eingebildeten, so wie die
wahren Beziehungen der Dinge in der Welt auf unsere Glückseligkeit, welches
Junge und Alte das Glück des geselligen Lebens, bei allen seinen Mängeln und
unvermeidlichen Einschränkungen. recht mit Händen greifen ließe, und dadurch
alle zur Zufriedenheit mit ihrem Zustande, zur Ausübung jeder geselligen
Tugend und zur innigen Dankbarkeit gegen die göttliche Vorsehung ermunterte.
Indem ich mir das herrliche Bild eines solchen Buches ausmalte und
schüchtern nach dem Manne, der es uns geben könnte, umherblickte, fiel mir
ein, dass schon
Rousseau einmal ein ähnliches Buch gewünscht und wie fing mein Puls an
zu pochen!"
(aus: Joachim Heinrich von Campe, Robinson der Jüngere,
Braunschweig 1848)
Offenbar
traf Campe damit aber auch mit seinem Erziehungsratgeber das, was das
bürgerliche Publikum zur Orientierung in Erziehungsfragen suchte. Mit
über 120 Auflagen und seiner Übersetzung in 25 Sprachen war er, wie das
Original Defoes ein Weltbeststeller. Während Rousseau aber bei seiner
Robinson-Rezeption auf das freie Spiel mit den realen Gegenständen der
Welt setzte, um seinem Zögling Emile vor der moralischen und religiösen
Erziehung Gelegenheit zu geben, historisches Bewusstsein, moralisches
Verhalten und religiöse Überzeugungen als Formen gesellschaftlichen
Seins zu entwickeln, setzt Campe allein auf Belehrung und Vermittlung
deklarativen
Wissens und religiöser und gesellschaftlicher Normen. Insofern ist
er wohl auch ein typischer Vertreter der Aufklärung mit ihren •
volkspädagogischen Ambitionen, die aber stets darauf achteten, dass
die unteren Schichten, wenn sie überhaupt lesen konnten, bei den •
Lesestoffen blieben, die ihnen die Aufklärer zugedacht hatten.
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Campe, Robinson der Jüngere im Projekt Gutenberg
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
05.11.2024