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Robinsonmotiv/Robinsonade

Überblick

Motive der Literatur

 
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Die • Robinsonade ist eine literarische Mischgattung, die unterschiedliche Textsorten vereint. Die Titelfigur von »Daniel Defoes (1660-1731) Roman »Robinson Crusoe (The life and strange surprizing adventures of Robinson Crusoe") (1719) gibt der Gattung ihren Namen und viele Elemente dieses Romans gehen auch in die entsprechenden Gattungsmerkmale ein.

Dabei hat "die freiwillige oder erzwungene Rückversetzung des zivilisierten Menschen in einen Naturzustand durch Weltflucht, Einsiedelei, Schiffbruch, Aussetzung" (Frenzel 1976, S.637ff.) bis heute kaum ihren Reiz verloren.


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Gattungsmerkmale von Robinsonaden
  • Variation der Grundsituation: "Inseldasein eines Schiffbrüchigen"

  • Isolation eines oder mehrerer Menschen verursacht aus unterschiedlichsten Gründen wie Schiffbruch, Flugzeugabsturz, Atomkatastrophe ....

  • Entwicklung von Überlebensstrategien

  • Prozess der Selbstfindung bzw. Neubestimmung

  • explizite oder implizite Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Natur und Zivilisation

  • räumliche Distanz fördert Entwicklung einer neuen Haltung gegenüber der Welt

Daniel Defoes Robinson - ein Welterfolg

»Daniel Defoes (1660-1731) Roman »Robinson Crusoe (The life and strange surprizing adventures of Robinson Crusoe") (1719) machte seinen Autor, dessen Werk in viele Sprachen übersetzt wurde, weltberühmt, aber reich wurde davon, wie so oft in der damaligen Zeit, nur sein Verleger.

Die Gründe für den Erfolg des Romans dürften vielschichtig sein, einer davon ist sicher die Tatsachen, dass "der Roman der praktisch-utilitaristischen wie der religiös-pietistischen Strömung der Zeit entgegenkam". (Rehm/Kohlschmidt 1977, S.475ff.) Und kaum ein anderer Stoff wurde von zahlreichen Nachahmungen weiterentwickelt, die vor allem seinen Abenteuercharakter betonten und damit dem Zeitgeschmack an Abenteuerroman entsprechen und die entsprechende Nachfrage an • "Lesestoffen für den gemeinen Mann" bedienen wollten. Zu Beginn des aufgeklärten Jahrhunderts aber traf die Geschichte den Zeitgeist und bediente sowohl die rationalistische als auch sentimentale Strömungen. (vgl. ebd.) Vielleicht las es sich wie die "Geschichte vom verlorenen Sohn in Abenteuerform" (ebd.) (vgl. • Gleichnis vom verlornen Sohn)

Nachdem Defoes Robinson zunächst keinen Verleger gefunden hat, wurde es nach seiner Veröffentlichung zu einem regelrechten Weltbeststeller. "Es war", so Hettner (1854, S.33), "sagt ein Schriftsteller jener Zeit, keine arme Witwe so arm, als dass sie sich täglich nicht wenigstens einen Pfennig abgespart hätte, um sich nach einiger Frist den herrlichen Robinson verschaffen zu können. (...) Übersetzungen folgten sodann auf Übersetzungen, und Bearbeitungen auf Bearbeitungen." Und bald hatte nahezu "jedes einzelne Land, ja jeder einzelne Landestheil (...) seinen besonderen Robinson aufzweisen; es gab einen brandenburgischen, berliner, böhmischen, fränkischen (...). französischen, dänischen, holländischen, griechischen (...) Robinson. Ebenso jedes Gewerbe, jeder Stand, und jedes Geschlecht; es gab einen buchhändlerischen und einen medicinischen Robinson, sogar eine Jungfer Robinson und einen unsichtbaren Robinson." Im Allgemeinen erreichten alle diese Nachahmungen aber wohl kaum die literarische Qualität des Originals.

Rousseaus Einfluss auf die Robinson-Rezeption

Angesichts dieser Entwicklung ist es für viele europäische Intellektuelle mehr als überraschend gewesen sein, "dass »Jean Jacques Rousseau, geschmähter und umjubelter Avantgardist und enfant terrible des kulturellen Lebens, auf Robinson Crusoe nicht nur wieder aufmerksam machte, sondern das Buch in einem ganz neuen und überaus positiven Lichte sah." (Petzold 1982, S.42f.)

In seinem epochemachenden Erziehungsroman »Emil oder über die Erziehung (Emile ou de l'education ,1762) empfiehlt »Jean Jacques Rousseau (1712-1778) für den »dritten Lebensabschnitt (12-15 Jahre) seines seines fiktiven Zöglings Emile Defoes Roman als ausschließliche Lektüre mit den Worten: "Da es nicht ohne Bücher geht, so existiert eins, das meiner Meinung nach die beste Abhandlung über die natürliche Erziehung enthält. Das ist das erste Buch, das Emil liest. Für lange Zeit macht es seine ganze Bibliothek aus und wird später immer einen besonderen Platz einnehmen. Es ist der Text, zu dem alle unsere Unterhaltungen über die Naturwissenschaften nur als Kommentar dienen. Es wird der Prüfstein im Fortschritt zur Urteilsfähigkeit sein und, solange unser Geschmack noch nicht verdorben ist, wird uns seine Lektüre immer erfreuen. Welches ist nun dieses wunderbare Buch? Ist es Aristoteles oder Plinius oder Buffon? Nein! • Es ist Robinson Crusoe!" (Jean-Jaques Rousseau, Emil oder über die Erziehung, Vollständige Ausgabe. In deutscher Fassung besorgt von Ludwig Schmidts, Paderborn: Schönigh-Verlag, 4. Aufl. 1978, S. 158 und 180 (=utb-Uni-Taschenbücher, 115)

Rousseaus pädagogisches Konzept, das darauf zielt im Sinne einer Erfahrungspädagogik die natürlichen Anlagen eines Zöglings entsprechend seiner kindlichen Fähigkeiten und Interessen zu fördern und behutsam zu formen, will nicht dafür sorgen, dass " das Kind möglichst reibungslos in die bestehende Gesellschaft einzugliedern" ist (Petzold 1982, S.42f.). Statt dessen sollen sich sein moralisches Verhalten, sein historisches Bewusstsein und seine Überzeugungen als Formen des gesellschaftlichen Seins durch überwiegend spielerische Erfahrungen im Umgang mit der real gegenständlichen Welt ausbilden, die zeitlich der moralischen und religiösen Erziehung vorangehen muss. (vgl. ebd.).

"In dieser frühen Phase der 'Realitätsbewältigung' setzt Rousseau den pädagogischen Wert des Robinson Crusoe an. Robinson ist vor allem deshalb Anreger und Vorbild, weil er, wie das Kind unter idealen Bedingungen, durch praktische Erfahrungen die Natur zu verstehen und sich nutzbar zu machen lernt. Die Isolation Robinsons fasziniert Rousseau in diesem Zusammenhang als Grundlage einer modellhaften Situation: Aus dem Kontext seiner gesellschaftlichen Bindungen gerissen, scheint Robinson "als Mensch an sich" der Natur gegenüberzustehen einer Natur, die ihm unnachsichtig, aber nicht feindlich gegenübertritt: kurz, als ideale Lehrmeisterin." (ebd.)

Für Petzold (1982, S.42ff.) beruht Rousseaus Robinson-Rezeption allerdings auf einem "schöpferische(n) Missverständnis", dessen Folgen bis heute nachwirken. Indem er das Robinsonmotiv als ideal für die kindliche Erziehung postuliert und damit die Intentionen Defoes ignoriert, hat er die Richtung für die weitere • Instrumentalisierung des Motivs für pädagogische Ziele gefördert und den Weg frei gemacht dafür, dass Robinson fortan vor allem Eingang in die Jugendliteratur gefunden hat und mit unzähligen Jugendbearbeitungen "die das Robinson-Verständnis des breiten Lesepublikums für die nächsten zweihundert Jahre bestimmen sollten." (ebd.)

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 Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 26.12.2023

 
 

 
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