Allgemein versteht man
unter dem intertextuellen Schreiben ein Schreiben auf der Grundlage von Bezugstexten.
Sie basiert auf der • intertextuellen Lektüre,
die wir aus pragmatischen Gründen als eigene Methode beim • Textvergleich
aufgeführt haben.
Im Gegensatz zum
kognitionstransformierenden Schreiben, das eigenes
Wissen (z. B.
Weltwissen,
Fachwissen etc.) aus dem
Gedächtnis in einen eigenen (Primär-)Text
transformiert (texttransformierendes Schreiben), gibt das intertextuelle
Schreiben einen anderen oder mehrere Primärtext(e) auf unterschiedliche
Art und Weise in einem Sekundärtext
wieder.
Intertextuelles Schreiben
kann auf den Prätext
(Ausgangstext, Primärtext,
Referenztext) im
Sekundärtext (Folgetext,
Phänotext) Bezug nehmen, indem es diesen abschreibt, wiedergibt,
zusammenfasst,
paraphrasiert,
zitiert,
kommentiert oder kritisiert
oder diese(n) übersetzt.
Beim intertextuellen
Schreiben wird der Primärtext im Allgemeinen als Ganzes genommen oder
einzelne seiner Elemente, um diese bei der Sekundärtextproduktion
aufzubereiten und weiter zu verarbeiten, uns zwar so, dass ein "eigener",
anderer Text
entsteht. Dabei werden "Bezüge
verschiedener Art zwischen den Inhalten und Aussagen der Ausgangstexte
her - und dargestellt. (Lehnen/Schüler
o. J.).
Die Bezüge können mit so genannten
•
Referenzsignalen explizit •
markiert
werden, können aber auch in expliziter Form unterbleiben, wenn die Kenntnis ihrer
jeweiligen
Einzeltextreferenz oder
Systemreferenz (Broich/Pfister
1985) (auch: referentiellen oder
typologischen Intertextualität (Beaugrande/Dressler 1981,
S.13) bzw. ) bei den Rezipientinnen und Rezipienten vorausgesetzt werden kann.
Intertextuelles Schreiben dient auf der Grundlage dieser
Überlegungen im Gegensatz zu einem bloß musterorientierten
Schreiben nicht einfach dazu, die Vorgaben und Regeln eines
Prätexts,
der als Muster dient, in einem Sekundärtext einzuhalten. Stattdessen
lässt es dem Schreiber bzw. der Schreiberin des Sekundärtextes eine
Menge Freiheit bei der • textproduktiven
Aneignung und Veränderung des Primärtextes.
Er/sie kann z. B. bei erzählenden Texten vom
Plot/der
Fabel des Ausgangstextes in einem
Rahmen, der den ursprünglichen Textbezug noch durchscheinen
lässt, abweichen, das Personal der Erzählung verändern, Sprache und Stil
ändern etc.
Intertextuelles Schreiben kann dabei allen Strategien folgen, die sich
auf das jeweilige •
Textgedächtnis auswirken:
-
Es kann ein
Weiterschreiben sein, bei dem der Sekundärtext an den Primärtext
so Anschluss sucht, dass er sich in dessen Tradition einschreibt
(•
Partizipationsstrategie).
-
Es kann ein
Umschreiben bzw. "Überschreiben" sein mit dem Ziel, den früheren
Text zu verbergen und unkenntlich zu machen, um den Bezugstext (Referenztext)
als eigenen Text zu präsentieren zu können (•
Transformationsstrategie).
-
Es kann aber auch
eine Strategie sein, die darauf abzielt, den
Primärtext (Prätext)
mit dem Sekundärtext in einer solchen Art und Weise zu zu
überbieten und, dass dieser aus dem Textgedächtnis des neuen
Textes quasi gelöscht ist. (•
tropische Strategie) (vgl.
Lachmann/Schahadat
1992/82004, S.679
Nichtzuletzt auf der Grundlage dieser Überlegungen ordnet
Spinner (2022b,
S.65, Kindle-Version) das, was er unter intertextuellem
Schreiben versteht, dem • kreativen
Schreiben im •
Literaturunterricht und damit der
literarästhetischen Produktionskompetenz zu. Schließlich seien beim kreativen
Schreiben im Literaturunterricht Anregungen, die die Schülerinnen
und Schüler durch verschiedene Textvorlagen erhielten, schon immer
wichtig gewesen. Diese produktive Aneignung der Textvorlagen sieht er
auch vom Intertextualitätskonzept bestätigt, das ja auch davon ausgehe,
dass jedes
literarische
Schreiben ein Um- und Fortschreiben des je schon Geschriebenen sei.
Intertextuelles Schreiben im Literaturunterricht lässt dem Schreiber bzw. der Schreiberin des Sekundärtextes eine
Menge Freiheit bei der • textproduktiven
Aneignung und Veränderung des Primärtextes.
Er/sie kann z. B. bei erzählenden Texten vom
Plot/der
Fabel des Ausgangstextes in einem
Rahmen, der den ursprünglichen Textbezug noch durchscheinen
lässt, abweichen, das Personal der Erzählung verändern, Sprache und Stil
ändern etc.
Intertextuelles Schreiben kann dabei allen Strategien folgen, die sich
auf das jeweilige •
Textgedächtnis auswirken:
Für das
intertextuelle Schreiben in der Schule können diese verschiedenen
Möglichkeiten, bei dem ein strategischen Schreibziel bei der
Sekundärtextproduktion verfolgt wird, wohl nur eine untergeordnete
Rolle spielen.
Maßgeblich für das intertextuelle Schreiben im Literaturunterricht ist dabei nicht unbedingt
ein schon vorhandenes • intertextuelles
Wissen, über das wohl nur ein "intertextueller
Idealleser" (vgl.
Buß 2006, S.90)
verfügen kann, der auch die in einem Text u. U. enthaltenen Markierungen
(•
Referenzsignale) erkennt und diese intertextuellen Einschreibungen
für die eigene Sekundärtextgestaltung verwenden kann.
Insofern sind
einem eigenständigen Entdecken intertextueller Bezüge durch die
Schülerinnen und Schüler als Grundlage ihres intertextuellen Schreibens
sicher enge Grenzen gesetzt, auch wenn eine stärkere Lenkung des
Schreibprozesses auch nicht die ultima ratio didaktischer
Lernarrangements sein kann. In der Regel wird aber intertextuelles
Schreiben wohl kaum in einem Setting zu realisieren sein, in dem
Schülerinnen und Schüler "sich von intertextuellen Phänomenen irritieren
lassen, eigenständig nach solchen Bezügen recherchieren und nach deren
möglichen Funktionen fragen" (Kammler
2010/22013, S.313), wie dies von
Buß (2006)
gefordert wird.
So wird man im Allgemeinen davon auszugehen haben, dass die Schülerinnen
und Schüler von ihrer Lehrperson auf eine bestimmte Textstelle
oder Textstruktur oder einen Text als Ganzes aufmerksam gemacht werden,
von der in einem Text-Text-Bezug die gewünschte Sekundärtextproduktion
ausgehen soll. Entsprechende textproduktive Schreibaufgaben in der
Schule, z. B. zum •
Transformieren einer bestehenden Textvorlage, werden dabei, je nach
didaktischen Zielen, so offen gestellt, dass die Schülerinnen und
Schüler quasi frei Hand beim "Weiter-, Um- und Widerschreiben" (Lachmann/Schahadat
1992/82004, S.679) des
Primärtexts haben, oder so, dass sie ihre transformierenden
Sekundärtexte entlang von Vorgaben gestalten sollen (z. B. Wechsel der
Erzählperspektive in einem erzählenden Text). In jedem Fall soll ein textueller Neuanfang ermöglicht
werden, der "durch Distanzierung
und Annäherung" intertextuelle Bezüge für das Schreiben nutzt (vgl.
Portmann 1996, S.167f.) •
Relevanzinstruktionen, die
Schülerinnen und Schülern in einem ansonsten
offenen Aufgabenformat Hinweise
auf intertextuelle Bezüge geben und Vorgaben zum methodischen Vorgehen
machen, widersprechen unserem Verständnis von intertextuellem Schreiben
nicht.
Trotzdem ist das Transformieren von
Textvorlagen, •
schreibdidaktisch gesehen, im Kern Teil einer "offenen" und "dezentralen" Schreibdidaktik, welche
bewusst "Kontrapunkte zum üblichen Schreiben" setzt, das den Fokus fast
ausschließlich auf "Grossanlässe" richtet. (vgl.
ebd.)
Indem sie auch "kleine und unscheinbar wirkende Formen des
Schreibens ernst nimmt und auf schreibwirksames Lernen auch
außerhalb des eigentlichen ▪
Schreibprozeses
setzt" (ebd.),
kann die Texttransformation einen wesentlichen Beitrag zur
Entwicklung der ▪
Schreibkompetenz
leisten.
Diesen Überlegungen sieht sich wohl auch Andreas
Wicke (2018)
verbunden. Im Anschluss an eine Aussage von Gérard
Genette (1993)
in seiner Schrift »"Palimpseste"
Palimpsestes. La littérature au second degré, 1982), in der dieser seine
Theorie der Intertextualiltät mit den Kategorien
Intertextualität i. e. S.,
Paratextualität,
Metatextualität,
Architextualität
und Hypertextualität
entwickelt, betont er die Bedeutung des spielerischen Umgangs mit
Literatur beim intertextuellen Schreiben. So habe Genettte (1993 mit
seiner Aussage "Das Vergnügen am Hypertext ist jedoch auch ein Spiel",
sagt Gérard (1993,
S. 533) S. 533) selbst angeregt, •
intertextuelle Lektüre und intertextuelles Schreiben nicht nur
deskriptiv-strukturalistisch zu analysieren, sondern "den
ästhetisch-spielerischen Charakter einer intertextuellen Anspielung zu
genießen und weiterzuspielen." (Wicke
2018)