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Literaturgeschichte

Zwischen Mono- und Multiperspektivismus


FAChbereich Deutsch
Glossar
Literatur Autorinnen und Autoren Literarische Gattungen [ Literaturgeschichte Didaktische und methodische Aspekte Überblick Von der Nationalliteratur zum modernen Pluralismus Literatur auf dem Weg in die Moderne Zwischen Mono- und Multiperspektivismus ◄ ▪ Literaturepochen ] Motive der Literatur Grundlagen der Textanalyse und Interpretation Literaturunterricht Schreibformen  Operatoren im Fach Deutsch
 

Literatur hat ihre Geschichte und die Literaturgeschichtsschreibung ebenso (vgl. z. B. Meier 1996, S.574-582) Und auch die Theorie der Literaturgeschichtsschreibung, die spätestens seit den 2010er Jahren wiederbelebt worden ist, schreibt in diesem Jahrhundert wieder kräftig an ihr mit. (vgl. Buschmeier 2011, 2014; Buschmeier, Matthias; Walter Erhart und Kai Kauffmann (Hg.) 2014)

Ohne hier den Anschluss an die literaturgeschichtliche Theoriediskussion vollziehen zu können, sei wenigstens angemerkt, dass die von Buschmeier angestrebte Rehabilitierung und Neufassung von • "Narrativen" für die Literaturgeschichte natürlich auch in der Literaturdidaktik ihr Echo gefunden hat.

Seine "pragmatische Literaturgeschichte", die "radikal zu ihrer Perspektivität, Kontingenz und Fragmentarität" steht  (Buschmeier 2014, S.18) kann und muss sich seiner Auffassung nach Narrativen keineswegs verschließen, solange sie anders als die vergangener Zeiten jeden  Objektivitätsanspruch aufgibt und die Tatsache, dass Literaturgeschichte stets unter einer Perspektive verfasst worden ist und auch künftig werden wird, anerkannt wird (vgl. ebd., S.25f.). Die daraus resultierende Konkurrenz der Deutungsperspektiven und den immerwährenden "Kampf um Deutungen" ( ebd., S.25) bewertet er folgerichtig positiv. Der maßgebliche Grund dafür ist, dass durch diesen Kampf  "unterschiedliche Versionen und Leitperspektiven in den Geschichtsarenen zirkulieren", die je mehr Kampf es gebe, ein desto  "facettenreicher(es) und reichhaltiger(es) (,,,) Bild der Vergangenheit" entstehen ließen. (ebd., S.25)

Auch eine "reflektierte Geschichtsschreibung", die heute stets unter dem Vorzeichen ihrer Perspektive, ihrer kulturpolitischen Funktion operiert" (ebd., S.27), müsse, so Buschmeier keineswegs auf narrativ verzichten. Selbst wenn man vermeintlich objektive Fakten in Form einer Zeittabelle präsentiert, erfolgt schon die Auswahl der "Fakten" durch die Brille einer Perspektive und verlangt vom Leser bzw. der Leserin narrativ die Fakten zu einem Plot zu verbinden. So gehe es, wie Büttner (2025, S.444) in seiner Wiedergabe der Argumentation Buschmeiers betont, Buschmeier darum, "geeignete Narrative zu finden. Diese Erzählschemata, so Buschmeier weiter, ließen sich nicht mehr aus irgendeiner Übereinstimmung mit der Wirklichkeit herleiten – im Sinne einer Korrespondenztheorie der Wahrheit. Vielmehr könnten sie einzig heuristisch begründete Deutungshypothesen im Sinne eines pragmatischen Wahrheitsanspruchs bilden. Zwischen den Elementen des Plots, die sich referenziell belegen lassen müssen, und deren Verknüpfung durch das Erzählen zu trennen, erweise sich dabei als Schlüssel. Das Erzählen als Fingieren anzuerkennen, setze dessen genuine Möglichkeiten frei und erlaube es erst, es methodisch kontrolliert einzusetzen." (Hervorh. d. Verf.) Ob die Literaturgeschichtsschreibung dabei monoperspektivisch oder multiperspektivisch angelegt werden kann, ist dabei noch weitgehend offen.

Büttner (2025, S.445) plädiert jedenfalls im Gegensatz zu Buschmeier dafür, die literaturwissenschaftliche Globalgeschichtsschreibung multiperspektivisch anzulegen. Buschmeier halte nämlich auf der Grundlage seiner Kritik an postkolonialen Positionen weiter am Monoperpektivismus fest und fordere, von dieser Perspektive aus, lediglich die Projektionen der eigenen Kultur auf das Fremde zu untersuchen (vgl. Buschmeier 2014, S.21ff.) Eine solche Position könne "ihre Stärken am nachhaltigsten ausspielen, wenn es ihr gelingt, die Literatur vergangener Zeiten in einer Lesart für die Gegenwart relevant zu machen, Lehren aus ihr zu ziehen und eine streitbare These zu präsentieren. Sprich, einen offensiven Umgang mit der unumgänglichen Geschichtspolitik zu pflegen." (Büttner 2025, S.445)

Die Stärke einer multiperspektivische Anlage sei es hingegen "sowohl gegenwärtige Perspektiven im historischen Vergleich zu relativieren, als auch Verbindungslinien zu pluralisieren."  (ebd.)Multiperspektivisch angelegte Texte seien aus diesem Grund auch lose zusammengefügt und "aus verschiedenen Perspektiven oder Erzählfäden komponiert, die nicht immer in sofort erkenntlichem Bezug zueinanderstehen." ( ebd., S.454)

Büttner (2025) selbst zielt dabei in Anlehnung an Altman (2008) auf einen "multipel perspektivierten Erzähltypus" der mit so genannten "´Verflechtungsgeschichten" arbeitet. Bei diesen "bilden Orte, Zeiten und Institutionen, wo viele Wege sich kreuzen, zahlreiche Perspektiven sich um ein Ereignis zentrieren oder sich die Kommunikation verdichtet, oft den Ausgangspunkt. Die Verflechtungsgeschichten verstehen dieses Verdichtungszentrum als Knoten in einem Netzwerk und verfolgen entweder das Zulaufen verschiedener Linien auf ihren Schnittpunkt oder zeichnen nach, wie sie von diesem wieder in unterschiedliche Richtungen laufen." Dabei ist sich Büttner natürlich bewusst, dass Literaturgeschichtsschreibung das "Zugleich und Nebeneinander" der Texte nur "als Nacheinander" organisieren kann, was dem Leser auferlege, die Darstellung kontrapunktisch zu lesen.

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 11.08.2024

 
 

 
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