Ohne hier den Anschluss an
die literaturgeschichtliche Theoriediskussion vollziehen zu können, sei
wenigstens angemerkt, dass die von Buschmeier angestrebte Rehabilitierung
und Neufassung von • "Narrativen" für die Literaturgeschichte
natürlich auch
in der Literaturdidaktik ihr Echo gefunden hat.
Seine "pragmatische
Literaturgeschichte", die "radikal zu ihrer Perspektivität, Kontingenz und
Fragmentarität" steht (Buschmeier
2014, S.18) kann und muss sich seiner Auffassung nach Narrativen
keineswegs verschließen, solange sie anders als die vergangener Zeiten jeden
Objektivitätsanspruch aufgibt und die Tatsache, dass Literaturgeschichte
stets unter einer Perspektive verfasst worden ist und auch künftig werden
wird, anerkannt wird (vgl.
ebd.,
S.25f.). Die daraus resultierende Konkurrenz der Deutungsperspektiven und den
immerwährenden "Kampf um Deutungen" (
ebd., S.25)
bewertet er folgerichtig positiv. Der maßgebliche Grund dafür ist, dass durch diesen Kampf "unterschiedliche
Versionen und Leitperspektiven in den Geschichtsarenen zirkulieren", die je
mehr Kampf es gebe, ein desto "facettenreicher(es) und
reichhaltiger(es) (,,,) Bild der Vergangenheit" entstehen ließen. (ebd.,
S.25)
Auch eine "reflektierte
Geschichtsschreibung", die heute stets unter dem Vorzeichen ihrer
Perspektive, ihrer kulturpolitischen Funktion operiert" (ebd.,
S.27), müsse, so Buschmeier keineswegs auf narrativ verzichten. Selbst wenn
man vermeintlich objektive Fakten in Form einer Zeittabelle präsentiert, erfolgt schon die Auswahl der "Fakten" durch die Brille einer Perspektive
und verlangt vom Leser bzw. der Leserin narrativ die Fakten zu einem Plot zu
verbinden. So gehe es, wie
Büttner (2025, S.444)
in seiner Wiedergabe der Argumentation Buschmeiers betont, Buschmeier darum,
"geeignete Narrative zu finden. Diese Erzählschemata, so Buschmeier weiter,
ließen sich nicht mehr aus irgendeiner Übereinstimmung mit der Wirklichkeit
herleiten – im Sinne einer Korrespondenztheorie der Wahrheit. Vielmehr
könnten sie einzig heuristisch begründete Deutungshypothesen im Sinne eines
pragmatischen Wahrheitsanspruchs bilden. Zwischen den Elementen des Plots,
die sich referenziell belegen lassen müssen, und deren Verknüpfung durch das
Erzählen zu trennen, erweise sich dabei als Schlüssel.
Das Erzählen als Fingieren
anzuerkennen, setze dessen genuine Möglichkeiten frei und erlaube es
erst, es methodisch kontrolliert einzusetzen." (Hervorh. d. Verf.) Ob die
Literaturgeschichtsschreibung dabei monoperspektivisch oder
multiperspektivisch angelegt werden kann, ist dabei noch weitgehend offen.
Büttner (2025, S.445)
plädiert jedenfalls im Gegensatz zu Buschmeier dafür, die
literaturwissenschaftliche Globalgeschichtsschreibung multiperspektivisch
anzulegen. Buschmeier halte nämlich auf der Grundlage seiner Kritik an
postkolonialen Positionen weiter am Monoperpektivismus fest und fordere, von
dieser Perspektive aus, lediglich die Projektionen der eigenen Kultur auf
das Fremde zu untersuchen (vgl.
Buschmeier 2014,
S.21ff.) Eine solche Position könne "ihre Stärken am nachhaltigsten
ausspielen, wenn es ihr gelingt, die Literatur vergangener Zeiten in einer
Lesart für die Gegenwart relevant zu machen, Lehren aus ihr zu ziehen und
eine streitbare These zu präsentieren. Sprich, einen offensiven Umgang mit
der unumgänglichen Geschichtspolitik zu pflegen." (Büttner
2025, S.445)
Die Stärke einer
multiperspektivische Anlage sei es hingegen "sowohl gegenwärtige
Perspektiven im historischen Vergleich zu relativieren, als auch
Verbindungslinien zu pluralisieren." (ebd.)Multiperspektivisch
angelegte Texte seien aus diesem Grund auch lose zusammengefügt und "aus
verschiedenen Perspektiven oder Erzählfäden komponiert, die nicht immer in
sofort erkenntlichem Bezug zueinanderstehen." (
ebd., S.454)
Büttner (2025) selbst
zielt dabei in Anlehnung an
Altman (2008) auf einen "multipel perspektivierten Erzähltypus" der mit so genannten "´Verflechtungsgeschichten"
arbeitet. Bei diesen "bilden Orte, Zeiten und Institutionen, wo viele Wege
sich kreuzen, zahlreiche Perspektiven sich um ein Ereignis zentrieren oder
sich die Kommunikation verdichtet, oft den Ausgangspunkt. Die
Verflechtungsgeschichten verstehen dieses Verdichtungszentrum als Knoten in
einem Netzwerk und verfolgen entweder das Zulaufen verschiedener Linien auf
ihren Schnittpunkt oder zeichnen nach, wie sie von diesem wieder in
unterschiedliche Richtungen laufen." Dabei ist sich Büttner natürlich
bewusst, dass Literaturgeschichtsschreibung das "Zugleich und Nebeneinander"
der Texte nur "als Nacheinander" organisieren kann, was dem Leser auferlege,
die Darstellung kontrapunktisch zu lesen.