Gegen das offene •
poststrukturalistische Konzept von Intertextualität, wie es
u. a. von der französischen
Literaturwissenschaftlerin »Julia
Kristeva (geb. 1941) vertreten wird, die den Begriff der
Intertextualität im Jahr 1967 in die französische
Literaturwissenschaft eingebracht hat, hat sich eine
strukturalistisch und hermeneutisch fundierte Konzeption von
Intertextualität etabliert, die Intertextualität als eine
"spezifische Eigenschaft von Texten" (Holthuis
1993, S.16) versteht.
Die Vertreter*innen dieser Richtung akzeptieren dabei durchaus, dass Intertextualität ein
wesentlicher Faktor der Textbedeutung und Sinnkonstruktion darstellt,
doch sind sie nicht bereit, dafür Kategorien wie den "Autor",
das "Werk" oder den "Leser" aufzugeben.
So Karlheinz
Stierle (1996, S.354) hat gegen das poststrukturalistische
Intertextualitätskonzept betont, dass auch Werke, die
Elemente aus anderen Texten aufnähmen, ein "Sinnfeld"
konstituierten, "dessen Mittelpunkt es zugleich ist. Alles, was in
diesem Feld erscheint, ist auf die Mitte konzentriert, die das Werk
setzt. Eben deshalb
kann auch die 'Intertextualität' das Werk nicht dezentrieren. Das
dezentrierte, fremden Texten anheimgefallene Werk müsste seine
ästhetische Identität verlieren"
Stierles Warnung vor
der Dezentrierung des ästhetischen Textes liefert damit auch die
Argumentationsgrundlage für das •
hermeneutisch-deskriptive
Intertextualitätskonzept, das den Werkbegriff nicht aufgibt, sondern
sich daran macht, eine Art "Intertextualtitätsgrammatik"
(Lachmann/Schahadat
1995, S.678) aufzustellen und dabei
Markierungen von Intertextualität auf Textebene zu identifizieren (vgl.
Holthuis
1993, S.16)
Grundsätzlich
entwickeln die hier immer wieder zu Wort kommenden Vertreterinnen
und Vertreter eines deskriptiven hermeneutisch-strrukturalistischen Intertextualitätskonzeptes
(Susanne Holthuis,
Manfred Pfister (geb. 1943),
Ulrich Broich (1932-2017) und
Gérard Genette (1930-2018)) jeweils eigene
Ansätze. So bestimmen
Broich/Pfister
(1985,
System-,
Einzeltextreferenz) ihren Ansatz aus der
Perspektive der Textproduktion und damit auch als Eigenschaft
eines Textes. Demgegenüber geht Holthuis von einem
rezeptionsorientierten Intertextualitätsbegriff aus, bei "dem
Intertextualität erst auf der Ebene der Interpretation entsteht.
also keine Texteigenschaft ist." (Janich
2008b, S.183) So können Texte, wie
Holthuis
(1993, S.33) formuliert, eben nur eine "intertextuelle
Disposition" aufweisen, die kennzeichnet, "daß im Text bestimmte
Intertextualitätssignale vorliegen, die den Rezipienten, soweit
er diese als solche erkennt, dazu veranlassen können, nach
Relationen zu anderen Texten zu suchen."
Für die
Literaturdidaktik haben diese Sichtweisen aber in jedem Fall die •
wichtige Konsequenz, dass auch sie sich
nicht grundsätzlich vom Werkbegriff verabschieden muss, sondern an
Methoden festhalten kann, die sich im Rahmen der gewohnten
Textarbeit im Literaturunterricht bewegen.
•
Intertextuelle
Lektüre und •
intertextuelles Schreiben jedenfalls können in entsprechend
gestalteten Lernarrangements so aufeinander bezogen werden, dass
die Schülerinnen und Schüler, den "semantischen Mehrwert" (Lachmann/Schahadat
1992/42004, S.679) intertextueller Bezüge für die
Bedeutungskonstruktion erkennen und im •(kreativen)
Schreiben,
die verschiedenen Strategien beim "Weiter-, Um- und
Widerschreiben" (ebd.)
im •
handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterricht •
"spielerisch" (vgl.
Wicke 2018)
mit
prozess- und/oder
produktorientierten Schreibaufgaben erproben oder auch in
produktorientierten Schreibprozessen bei der so genannten •
Gestaltenden Interpretation
umsetzen können.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.02.2025