"Jeder Text",
betont Textlinguistin Kirsten
Adamzik (2004,
S.95), in Abwandlung einer berühmten
Äußerung von »Julia
Kristeva (geb. 1941), "zieht weitere Texte nach
sich oder beeinflusst Gehalt und Gestalt anderer Texte."
Mit diesen
knappen Worten bringt Kirsten
Adamzik (2004, S.95) zum Ausdruck, worum es im Kern geht, wenn die "Vernetztheit
der Texte miteinander", heute häufig mit dem Begriff
Intertextualität bezeichnet
wird.
Intertextuelles Wissen
im Zusammenhang mit literarischen Texten, ist dabei also allgemein ein
Wissen darüber, "dass sich in literarischen Texten die Spuren anderer
literarischer Texte befinden." (Kammler
2010/22013, S.307)
Ein bestimmter Text
kommt demnach nicht einfach dadurch zustande, dass man
sprechen/schreiben kann, ist nicht Produkt "einer textwelt-unabhängig
gedachten Sprachkompetenz", sondern "jeder Text und jeder Gedanke [ist]
letzten Endes nur ein Mikroelement im gesamten Text- und
Diskursuniversum". (Adamzik 2004,
S.95)
Unter postrukturalistischer Perspektive "haben Texte keine Bedeutung von
»innen«, sondern lediglich aufgrund konventioneller Regelungen in
bestimmten historischen und sozialen Kontexten" (Förster (2002,
S.240). Statt die Textbedeutung im Wesen des Textes selbst zu suchen,
richtet sich sich der Fokus hier darauf, wie und
unter welchen Bedingungen die Zuschreibungen zustande kommen, die einem Text
im Laufe seiner Produktions- und Rezeptionsgeschichte widerfahren. Damit
wird, so stellen
Köppe/Winko (2008,
S.98) heraus, auch die "Möglichkeit der Rekonstruktion einer stabilen
Bedeutung verneint."
Texte stehen also stets in Beziehung zu anderen Texten, sie haben einen
"Text-Text-Bezug" (Lachmann/Schahadat
1995, S.678). Das dem so ist, wird von allen Ansätzen, die sich mit
dem Thema Intertextualität befassen, nicht in Frage gestellt. Doch
jenseits dieses kleinsten gemeinsamen Nenners
haben sich etliche
verschiedene Ansätze entwickelt, die je auf ihre eigene Weise
Intertextualität weiter konzeptionalisiert haben.
Dabei betrachten die •
antihermeneutisch
positionierten »poststrukturalistischen
Theorien jeden Text als intertextuell konstituiert, •
deskriptive hermeneutisch-strukturalistische
Theorien als lokales Phänomen, als eine "spezifische Eigenschaft
von Texten" (Holthuis
1993, S.16)
Theoriegeschichtlich
ist der Intertextualititätsbegriff mit der
• Theorie der Dekonstruktion
verbunden, die »Jacques
Derrida (1930-2004) in seiner "Grammatologie"
(1967/51994) entwickelt hat. Danach ist im Gegensatz zu
den Annahmen
»Ferdinand de Saussures (1857-1913) und des sprachwissenschaftlichen
»Strukturalismus
ein
»Signifkant
nicht mit einem eindeutigen »Signifikat
verknüpft, sondern die Sprache und der Sinn werden durch das Spiel der
Signifikanten bestimmt. Sinn entsteht dabei erst durch die Bewegung in
der Zeichenkette, in Verschiebungen und durch Differenzen (vgl.
Welsch 1996,
S. 255), durch ein Netz von textlichen Verweisen auf andere Texte (vgl.
Derrida
1986a, S. 77) (vgl.
Vögel 1998)
Die französische
Literaturwissenschaftlerin und Schülerin Jaques Derridas »Julia
Kristeva (geb. 1941), hat den Begriff der Intertextualität im
Jahr 1967 in die französische Literaturwissenschaft eingebracht hat. Ihr
• poststrukturalistisches
Konzept von Intertextualität fasst den Text auf der Grundlage eines
• weiten
Textbegriffs als "Mosaik von Zitaten"
auf, indem jeder Text einen anderen Text absorbiert und transformiert.
Das
einzelne Werk wird damit quasi als ein "offener" Text (Prinzip unendlicher
Intertextualität) verstanden, der auf der lokalen Textebene weder eine feste
Bedeutung besitzt noch einen Schlüssel zu seinem Verständnis liefert. Die Bedeutung eines literarischen Textes lässt sich von daher nur als
"eine jeweils intertextuell fundierte Bedeutung" mit einer "unbegrenzten
Auslegungsvielfalt" (Steinmetz
1995, S.478) denken.
Neben dem dekonstruktivistisch fundierten •
Ansatz von Julia Kristeva
ist es vor allem die »Diskursanalyse
»Michel Foucaults
(1926-1984), die die »poststrukturalistische
Auffassung von Intertextualität begründet und weiterentwickelt hat.
Diskursanalytisch gesehen sind Texte
•"»Knotenpunkte« im Netz
verschiedener Diskurse" (Köppe/Winko
(2008, S.102), die keine festen Grenzen haben und nicht auf eine
außertextliche Wirklichkeit verweisen, "sondern auf Sprache, mithin auf
andere Texte und Diskurse" (ebd.).
Sie allein stellen den (intertextuellen) Kontext dar, den die
Diskursanalyse berücksichtigt. Literarische Texte haben in einem Diskurs
"nichts spezifisch Literarisches, sondern sind beliebige Texte, die sich
einem Thema widmen." (Baasner
2005, S.143)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
19.01.2025