Dem Begriff • Diskurs
begegnet man heute im Alltag auf Schritt und Tritt. Dabei gehörte der
Begriff im Gegensatz zu den romanischen Sprachen oder im Englischen
discours, discorso, discourse etc. im Deutsch eigentlich
gar nicht zur Alltagssprache. (Landwehr
2018, S.2)
Wo immer über ein Thema gesprochen wird, findet, so hat man den Eindruck,
auch ein Diskurs statt. Als Allerweltsbegriff, der synonym mit Diskussion,
Debatte oder argumentative Auseinandersetzung steht, ist Diskurs zu einem
Modebegriff geworden, der in einer Vielzahl von Kommunikationsereignissen,
-feldern und Kommunikationsbereichen offenbar passt. Irgendwie scheint der
"Ausdruck schon auf dem Weg zu einem Allerweltswort,
zumindest drängt sich in manchen Sprechsituationen dieser Eindruck auf. Da
ist allenthalben von Bioethik-Diskurs, Umwelt-Diskurs, Jazz-Diskurs, Ethik
im Diskurs, Waldorf-Diskurs, gesellschaftlichem Diskurs, politischem
Diskurs, Anregungen zum Diskurs oder Initiierungen von Diskursen die Rede –
eine globale Suche nach »Diskurs« über Google kann einen schwindeln lassen.
Von Diskursen wird fraglos viel geredet, und eine ungefähre Ahnung, was mit
diesem Wort gemeint sein könnte, ist auch durchaus gegeben – nur dürfte es
für die meisten schwierig sein, genauer zu umschreiben, geschweige denn zu
definieren, was ein Diskurs ist." (ebd.)
In den Wissenschaften, die sich mit dem dem Begriff im Rahmen ihrer
diskurstheoretischen Überlegungen zur Diskursanalyse im Anschluss an die
Konzeption
»Michel Foucault
(1926-1984) befassen, "ist der larmoyante Hinweis, Diskurs sei zu
einem »Allerwelts- und Modewort« (Schalk
1997/98: 56), »zu einem inflationären Schlagwort« (Kerchner/Schneider
2006: 9) »verkommen«, das in wissenschaftlichen Texten häufig »nur noch
als Imponiervokabel, als Metapher, als leere Hülse« (Schöttler
1997:142) verwendet wird, zum Topos geworden, auch innerhalb
diskurstheoretischer Arbeiten." (Spitzmüller/Warnke
2011, S.5)
Das DUDEN-Fremdwörterbuch verweist auf die Herkunft des Wortes Diskurs
aus dem Französischen, wo der Begriff "discours", so wie ihn
Foucault verwendet, Rede oder Gespräch bedeutet. Ansonsten lassen sich
drei Bedeutungen unterscheiden. Zum einen steht der Begriff für eine
"methodisch aufgebaute Abhandlung über ein [wissenschaftliches] Thema".
Zum anderen verwendet man ihn auch zur Bezeichnung eines
Gedankenaustauschs" bzw. einer "Unterhaltung, der aber auch die Form
eines heftigen Wortwechselns annehmen kann. In einer dritten Bedeutung
versteht man den Begriff, pragmalinguistisch von der Sprachverwendung
her betrachtet, als "die von einem Sprachteilhaber auf der Basis einer
sprachlichen Kompetenz tatsächlich realisierten sprachlichen Äußerungen"
(Duden Das große Fremdwörterbuch, Mannheim 2003, S.344)
In der elaborierten Alltagskommunikation ist der Begriff Diskurs
in der zweiten Bedeutungsvariante mittlerweile fest verankert.
Gewöhnlich wird der Begriff mit Adjektivattributen verbunden, "die sich
auf beliebige Segmente von Welt beziehen (z. B. juristischer, feministischer,
literarischer Diskurs". (Fohrmann
2007a, S.370)
Wenn hier von Diskurs die Rede ist, dann häufig als Synonym für eine im
öffentlichen Raum stattfindende, synchron und asynchron verlaufende
Diskussion mit Beiträgen in unterschiedlichen medialen Formaten zu einem
meistens strittigen Thema, Ereignis oder Sachverhalt. In der jeweiligen
"Diskursgemeinschaft", wie alle diejenigen bezeichnet werden, die
sich an dieser Diskussion/an diesem Diskurs in irgendeiner Art und Weise
aktiv oder passiv beteiligen, wird über das Thema "diskurriert",
wenn die Beiträge zum Diskurs "diskursiv" gestaltet, d. h.
fortschreitend logisch erörternd und damit rational, im Sinne von
vernünftig gestaltet sind.
Über die Medien avancierte der Diskursbegriff in 1970er und 1980er
Jahren in die sog. "Bildungssprache", wo er zu einem "schickeren Synonym
für »Dialog« wurde." (Spitzmüller/Warnke
2011, S.6) Dies stellt allerdings nicht grundsätzlich ein Problem dar,
da die begriffliche Unschärfe des Ausdrucks in alltagssprachlichen
Kontexten über vielfältige Bezüge zu die ihn in seiner Bedeutung
festlegende Kontexte kompensiert wird. Trotzdem können aus dem
Alltagsgebrauch auch Missverständnisse entstehen, die eine
wissenschaftliche Lesart des Begriffs zu vermeiden hat. Aus diesem Grund
sind auch alle wissenschaftlichen Disziplinen immer gezwungen ihre
Lesart und/oder • wissenschaftliche
Definition des Begriffs festzulegen.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
20.03.2025
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