Wenn man die
Lektürepraxis der •
Dekonstruktion, auch wenn dies ihren Vertretern so gar nicht
passt, die ja alles andere als interpretieren wollen, die
Dekonstruktion auch als eine Methode der Textinterpretation
beschreibt, kann man mit
Köppe/
Winko (2008, 7.3. Dekonstruktion 7.3.3. kindle-Version)
folgende Merkmale bzw. "Regelmäßigkeiten" dekonstruktivisischer
Lektüre- bzw. "Interpretations"praxis festhalten.
Zu ihren
wichtigsten Zielen gehört es danach, an einem literarischen Text
herauszuarbeiten und möglichst textnah zu begründen, dass er
keine kohärente Bedeutung hat. Mit der Absicht "heraus[zu]bekommen,
wie sich ein Text gegen bestimmte Bedeutungszuweisungen sperrt"
(ebd.)
kann die Dekonstruktion dabei außer dem Primärtext auch bereits
vorhandene Interpretationen umfassen, an denen man z. B.
nachweisen kann, dass sie bei ihrer Sicht auf den Text bestimmte
widerspenstige Textelemente außer Betracht lassen.
Die
Dekonstruktion kann dabei "protokollieren", dass ein Text auf
der Textoberfläche etwas Bestimmtes zu bedeuten scheint, damit
aber eine Bedeutung unterdrückt, die freizulegen ist, um sein
Bedeutungspotenzial in seiner Bewegung in einem Netzwerk
verschiedener Verweisungszusammenhänge sichtbar zu machen.
Dazu können
einzelne Elemente des Textes oder Aspekte ausfindig gemacht
werden, die an den Rand gedrängt bzw. marginalisiert erscheinen,
aber dadurch auch die "›Bedeutungskrise‹ des Textes" (ebd.)
markieren. Solche Elemente gilt es dann mit allen denkbaren
Bedeutungen anzureichern, indem "beispielsweise Anspielungen,
Konnotationen einzelner Ausdrücke oder
Intertextualitätsrelationen herausgearbeitet werden können." (ebd.)
Dabei geht es überhaupt nicht mehr darum, die jeweiligen
Elemente in einen geschlossenen Funktionszusammenhang zu bringen
oder zu untersuchen, was sie zu dem vermeintlichen ästhetischen
Ganzen beitragen, sondern lediglich darum nachzuvollziehen, wie
die an den Rand gedrängten Elemente sich gegen eine angeblich
einheitlich Textbedeutung stemmen.
Dementsprechend
könnte die Arbeitsanweisung zur Dekonstruktion auch lauten:
"Suchen Sie Textelemente oder -aspekte (im Primärtext oder in
einer bestimmten traditionellen Interpretation), die eine
(bestimmte) Interpretationshypothese untergraben können".
Ob eine Dekonstruktion "gelungen" ist, kann dann u. a. mit
den Kriterien Originalität. Subtilität und
Subversivität/Radikalität beurteilt werden.
Die Fragen
-
ob, die
Lektüre Aspekte zu Tage gefördert, die zuvor unbeachtet
blieben bzw. marginalisiert wurden? (Originalität)
-
ob und wie
differenziert die Lektüre die im Text verwendeten
Marginalisierungsstrategien des Textes durchschaut hat
(Subtilität)
-
ob und wie
gründlich traditionelle Bedeutungszuweisungen bei der
Dekonstruktion "entlarvt" bzw. "auf den Kopf gestellt"
wurden (Subversivität/Radikalität) (ebd.)
geben dabei mit
ihren Antworten nicht vor, dass der Prozess der Dekonstruktion
damit abgeschlossen ist.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.02.2025