Wer
diese Frage (FAQ
= Frequently Asked Question)
stellt, muss sich in der Schule meistens mit einer Aufgabe
herumschlagen, die im Rahmen einer ▪
Textinterpretation so oder so ähnlich lauten kann:
Bestimmen Sie die Textsorte.
Zur Beruhigung aus dem berufenen Munde eines
Literaturwissenschaftlers vorweg:
Woran aber kann ein Rezipient mit Sicherheit erkennen, "dass
mit dem Gesagten etwas anderes gemeint ist"? Und: was muss in
der Parabel eigentlich enthalten sein, "was ihn darauf
aufmerksam macht, dass er es auf eine gedankliche Ebene
übertragen muss." (von
Rinsum 1986b, S.15). Allgemein verbindliche Antworten hat
auch die Literaturwissenschaft für dieses Grundproblem nicht
parat.
Zwei Nachfragen zur FAQ
Um eine Antwort auf die obige FAQ (= Frequently Asked
Question) geben zu können, muss zunächst geklärt werden:
-
Weißt du eigentlich schon, dass es
sich bei dem Text um eine ▪ Parabel
handelt? (Variante 1)
-
Weißt du noch nicht, ob es sich um
eine Parabel, eine Kurzgeschichte, ein Gleichnis oder gar eine
Fabel handelt? (Variante 2)
Variante 1: Du weißt "eigentlich", dass es sich um eine Parabel handelt
Vielleicht weißt du das z. B., weil es
-
von der Lehrkraft
explizit mitgeteilt wurde
-
die
Gattungsbezeichnung im Titel des Textes steht
-
die Arbeitsanweisung
die Textsorte bezeichnet
Da es aber eine Vielzahl
unterschiedliche Arten von Parabeln solltest du noch wissen, ob es sich
um einen Text handelt, der dem
Typus der
traditionellen oder modernen Parabel zugerechnet werden kann.
-
Traditionell sind Parabeln, die eine
universell gültige Lehre über "Gott und die Welt" vermitteln wollen.
Die Autoren, die im schulischen Literaturunterricht vorkommen, leben
in der Regel deutlich vor dem Beginn des 20. Jahrhunderts.
-
Moderne Parabeln verfolgen keine
didaktischen Ziele. Sie hinterfragen die Wirklichkeit, statt
Antworten auf die Seinsprobleme der Menschen zu geben. Sie zeichnet
Menschen in einer Welt, in der sie sich nicht mehr orientieren
können. Die Autoren, die im Literaturunterricht der Sekundarstufe II
gewöhnlich behandelt werden, sind Autoren der modernen
Literatur, Autoren also, die, grob gesagt, die vom Anfang des 20.
Jahrhunderts bis heute ihre Parabeln verfasst haben. In der Schule
geht es dabei oft um Werke von ▪
Franz Kafka (1883-1924)
aber auch ▪
andere Autoren
kommen vor. Im Fall von Franz Kafka kannst du also mit hoher
Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es sich um eine moderne
Parabel handelt.
Wenn solche "Indizien" dir bei der Zuordnung
des Textes geholfen haben, kannst du dich an die eigentliche Aufgabe
machen, die hinter der gestellten Frage "Woran erkennt man eine
Parabel?" steht.
Die Schreibaufgabe konkret
Wenn die Schreibaufgabe von dir explizit mit
einer entsprechenden Aufforderung verlangt, die Textsorte zu bestimmen,
bedeutet dies
in
der Praxis, dass du
(ideal-)typische
inhaltliche, strukturelle, erzähltechnische und sprachlich-stilistische
Merkmale des jeweiligenTyps der
(literarischen) Textsorte an dem vorliegenden Text aufzeigen sollst,
die auch bei anderen Vertretern der Textsorte vorkommen.
Aber Vorsicht: Hier ist keine
"Erbsenzählerei" gefragt. Das bedeutet, es kommt nicht darauf an,
möglichst alle im Text vorkommenden Merkmale zu identifizieren und
hintereinander aufzulisten, sondern auf ihren
Funktionszusammenhang.
Abgrenzungen gegenüber verwandten Textsorten
müssen nur dann vorgenommen werden, wenn dies explizit verlangt ist.
Der Weg zur konkreten Beantwortung der
Frage
Je nachdem, ob es sich um eine traditionelle
oder eine moderne Parabel handelt kannst du dich zur Beantwortung der
Frage an den Übersichten über die Textsortenmerkmale des betreffenden
Typs orientieren.
Variante 2: Du hast einen kleineren Erzähltext
vor dir, aber keine Ahnung, um welche literarische Textsorte es sich dabei
handelt
Ein Schreibaufgabe, die dich mit einem
kleineren Erzähltext konfrontiert, ohne dass du aufgrund deines
Vorwissens oder anderer expliziter oder impliziter Hinweise Rückschlüsse
auf die
(literarischen) Textsorte ziehen kannst, ist im Vergleich zu
Variante 1 die deutlich schwierigere Aufgabe.
Aber zur Beruhigung vorweg: Es kommt in der
Schule bei
Leistungsaufgaben, z. B. Klassenarbeiten oder Klausuren, wohl nur in
Ausnahmefällen vor, dass die Schreibaufgabe im Hinblick auf den Text
ohne Vorabhinweise der Lehrperson oder expliziten anderen Signalen (s.
o.) gestellt wird.
Allerdings kann es durchaus vorkommen,
insbesondere wenn sich um besonders eindeutige Prototypen für eine
bestimmte Textsorte handelt.
-
Schließlich bereiten "Grenzfälle"
Literaturwissenschaftlern bei der Textsortenbestimmung schon
Probleme genug.
-
Und auch Fälle, die wie z. B.
▪
Kafkas "Kleine
Fabel" bewusst in die Irre führen, sollten zumindest nicht
Gegenstand von Leistungsaufgaben sein.
-
Als
Lern-
und
Übungsaufgaben aber machen auch solche Texte Sinn.
Wenn du also wirklich keine Ahnung hast, um
was für eine
(literarische) Textsorte es sich handelt, kommt zu den schon bei
Variante 1 aufgeführten Aspekten der Textanalyse hinzu, den Text von der
näheren Textsortenverwandtschaft zu unterscheiden. Dabei spielt es
gewöhnlich keine Rolle, ob dies ausdrücklich gefordert ist oder nicht.
Die Schreibaufgabe konkret
-
die Zuordnung zur
Gruppe traditioneller und moderner Parabel vornehmen
-
den als Parabel
aufgefassten Text z. B. von "verwandten" Textsorten wie (biblisches)
▪
Gleichnis, ▪
Allegorie, ▪
Fabel und ▪
Kurzgeschichte abgrenzen, sofern dies
überhaupt möglich ist
Der Weg zur konkreten Beantwortung der
Frage
Je nachdem, ob es sich um eine traditionelle
oder eine moderne Parabel handelt kannst du dich zur Beantwortung der
Frage an den Übersichten über die Textsortenmerkmale des betreffenden
Typs orientieren.
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