Zeitgestaltung im epischen Text

Erzählzeit und erzählte Zeit

Jochen Vogt (1990)


[Jochen Vogt verwendet im Anschluss an Müller und Lämmert für die Spanne, "die von der sprachlichen Realisierung, von der Lektüre, gefüllt wird" den Begriff Erzählzeit.]

Dieser allgemein üblich gewordene Begriff ist gleichwohl nicht ohne Missverständlichkeit; präziser wäre es, von »Lesezeit« zu sprechen. Man könnte sie empirisch messen, wird aber statt diesen - aus praktischen Gründen - ihr räumliches Äquivalent, den Textumfang nach Druckseiten bzw. Zeilen erfassen. Dieser Erzähl- oder Lesezeit steht die innere Zeiterstreckung des Erzählgeschehens gegenüber [...], jene Zeitdauer also, die das erzählte Geschehen in Wirklichkeit ausfüllen würde. Diese erzählte Zeit lässt sich aus den expliziten oder impliziten Zeitangaben im Text (manchmal als Datierung fiktiven Geschehens im Rahmen der historischen Zeit) erschließen. Analytisch nutzbar werden diese Kategorien freilich erst, wenn sie aufeinander bezogen sind. [...] Wir bezeichnen diese Relation als das Erzähltempo eines Textes bzw. einer Textpartie.

(aus: Vogt 1990, S.101)

             

   Arbeitsanregungen:
  1. Weshalb plädiert Vogt für den Begriff Lesezeit?

  2. Welche Möglichkeiten des Verhältnisses von Erzählzeit und erzählter Zeit sind denkbar?

  3. Wie wirken sich diese Möglichkeiten auf den Erzählfluss aus?

  4. Untersuchen Sie an einem literarischen Textbeispiel das Erzähltempo des Textes.