Ein Beispiel für eine zum personalen Erzählen tendierende Ich-Erzählsituation
In seiner
Monologerzählung ▪
Leutnant Gustl« gestaltet ▪
Arthur Schnitzler (1862‑1931) den Erzähler ▪
tendenziell
personal.
Die im Jahre 1900 entstandene
Monologerzählung erzählt von einem jungen Leutnant, der nach
einem Konzert von einem Handwerker beleidigt worden ist.
Da der Leutnant erkennen muss, dass sein Beleidiger nicht
satisfaktionsfähig ist, glaubt er keine andere Wahl mehr zu haben,
als sich zu erschießen.
Von diesem Schicksal bleibt er jedoch dadurch bewahrt, dass der
Bäckermeister noch in der gleichen Nacht, vom Schlag getroffen,
eines natürlichen Todes stirbt.
Der Leutnant erfährt dies, nachdem er die ganze Nacht durch Wien
gezogen ist und über seine Lage nachgesonnen hat.
Mit der
▪
Darbietungsform
des
inneren Monologs wird darin die personale
Ich-Erzählperspektive gestaltet.
[...] Herrgott, ist das ein Gedränge bei der Garderobe! … Warten wir
lieber noch ein bissel … So! Ob der Blödist meine Nummer nehmen möcht'?
… "Sie, zweihundertvierundzwanzig! Da hängt er! Na, hab'n Sie keine
Augen? Da hängt er! Na, Gott sei Dank! … Also bitte?" … Der Dicke da
verstellt einem schier die ganze Garderobe … Bitte sehr!" … "Geduld,
Geduld!"
Was
sagt der Kerl? "Nur ein bissel Geduld!" Dem muss ich doch
antworten … "Machen Sie doch Platz!" "Na, Sie werden's auch nicht
versäumen!" Was sagt er da? Sagt er das zu mir? Das ist doch stark!
Das darf ich mir nicht gefallen lassen! "Ruhig!" "Was meinen Sie?"
Ah. so ein Ton? Da hört sich doch alles auf! "Stoßen Sie nicht!"
"Sie, halten Sie das Maul!" Das hätt' ich nicht sagen sollen, ich war zu
grob … Na jetzt ist's schon g'scheh'n! "Wie meinen?" Jetzt dreht
er sich um … Den kenn ich, ja! - Donnerwetter, das ist ja der
Bäckermeister, der immer ins Kaffeehaus kommt … Was macht denn der da?
Hat sicher auch eine Tochter oder so was bei der Singakademie … Ja, was
ist denn das? Ja, was macht er denn? Mir scheint gar … ja, meiner Seel',
er hat den Griff von meinem Säbel in der Hand … Ja, ist der Kerl
verrückt? … "Sie, Herr…" "Sie, Herr Leutnant, sein S' jetzt ganz stad."
Was sagt er da? Um Gottes willen, es hat's doch keiner gehört? Nein, er
red't ganz leise … Ja, warum lasst er denn meinen Säbel net aus? …
Herrgott noch einmal … Ah, da heißt's rabiat sein … ich bring' seine
Hand vom Griff nicht weg … nur keinen Skandal jetzt! … Ist nicht am End'
der Major hinter mir? … Bemerkt's nur niemand, dass er den Griff von
meinem Säbel hält? Er red't ja zu mir! Was red't er denn? "Herr
Leutnant, wenn Sie das geringste Aufsehen machen, so zieh' ich den Säbel
aus der Scheide, zerbrech' ihn und schick' die Stück an Ihr
Regimentskommando. Versteh'n Sie mich, Sie dummer Bub'?" Was hat er
g'sagt? Mir scheint, ich träum'! Red't er wirklich zu mir? Ich sollt'
was antworten … Aber der Kerl macht ja Ernst - der zieht wirklich den
Säbel heraus. Hergott - er tut's! … Ich spür's, er reißt schon dran. Was
red't er denn? … Um Gottes willen, nur kein' Skandal - - Was red't er
denn noch immer? "Aber ich will Ihnen die Karriere nicht verderben …
Also, schön brav sein! … So, hab'n S' keine Angst, s' hat niemand was
gehört … es ist schon alles gut … so! Und damit keiner glaubt, dass wir
uns gestritten haben, werd' ich jetzt sehr freundlich mit Ihnen sein! -
Habe die Ehre, Herr Leutnant, hat mich sehr gefreut ? habe die Ehre."
Um Gottes willen, hab' ich geträumt? … Hat er das wirklich gesagt? … Wo
ist er denn? … Da geht er … Ich müsst' ja den Säbel ziehen und ihn
zusammenhauen -- [...] "
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
26.05.2022
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