Bei der Interpretation eines epischen Textes mit einer
▪
auktorialen
Erzählsituation kommt man meist nicht umhin, die Art
und Weise des auktorialen Erzählens zu beschreiben und die auktoriale
Erzählerfigur, mit deren Hilfe, wie Stanzel sagt, der Autor seine
Erzählfunktion "fiktiviert und dramatisiert" (Stanzel
1979 S. 18f. ) interpretatorisch aufzuschlüsseln. (vgl.
ebd.)
Dabei hängt die "Physiognomie" des auktorialen Erzählers
sowohl von seiner angenommenen Rolle (z. B. Rolle eines um die
historische Wahrheit bemühten Chronisten, eines bloßen Herausgebers oder
eines teil- oder allwissenden Erzählers), als auch von seinen spürbaren
Interessen, seiner Weltkenntnis, seinen Einstellungen zu politischen,
sozialen und moralischen Fragen, sowie seiner Voreingenommenheit
bestimmten Personen oder Dingen gegenüber ab. (vgl.
ebd.)
Solche Aspekte des auktorialen Erzählens gilt es also je
nach Ausmaß ihrer Selbstkundgabe durch den Erzähler bzw. ihres
Vorkommens in einem epischen Text zu untersuchen und mit geeigneten
Formulierungen zu beschreiben. Dabei können u. a. die folgenden
Formulierungshilfen von Nutzen sein:
-
Die Anwesenheit
eines persönlichen Erzählers, der als Vermittlungsinstanz auftritt,
wird an der folgenden Bemerkung deutlich: " ... " (S. ...) . Er
überlegt an dieser Stelle darüber, ob ....
-
Das
Geschehen/Verhalten der Figur wird vom Erzähler direkt bewertet und
kommentiert. Er verwendet dazu eine Reihe wertender
Adjektive (z.B. ..., S....). Diese machen deutlich, dass ....
-
Der Erzähler steht
außerhalb der fiktionalen Welt des Geschehens. Er betrachtet/erzählt
das Geschehen aus der Außenperspektive und drückt damit seine
Distanz zum erzählten Geschehen aus. Gleichzeitig hält er damit auch
den Leser auf Distanz von diesem Geschehen. Die gewählte
Außenperspektive erkennt man daran, dass ...
-
Der Erzähler legt
wichtige Erzählentscheidungen ( z.B. Verweis auf....) offen und mit
seiner offenen Leseranrede ( z.B. ....) gibt er zu erkennen, dass er
sich in das Geschehen einmischen will. Mit Wertungen und Kommentaren
wie ... greift er direkt in das Geschehen ein und legt damit dem
Leser eine bestimmte Sichtweise des Geschehens nahe.
-
Das folgende
Geschehen wird vom auktorialen Erzähler
ausgespart, was den Gedanken nahe legt, dass ihm die in dieser
Zeit passierten Ereignisse nicht besonders wichtig sind. Mit einem
stark
gerafften
Erzählerbericht, in dem er sich fast jeden eigenen Kommentares
enthält, setzt er die Geschichte fort. Einzig mit der Bemerkung "
..." (S. ...) gibt er zu verstehen, was er von den Dingen
hält, die sich während dieser Zeit der Geschichte abgespielt haben.
Die Beschreibung,
Analyse und Interpretation des auktorialen Erzählverhaltens kann ein
eigenständiger Ansatz (eines
Interpretationsaufsatzes) sein oder sich einem anderen
Interpretationsansatz, z. B. der
literarischen Charakteristik einer Figur, unterordnen. In jedem Fall
müssen entsprechende Aussagen zum Erzählerverhalten am Text
belegt werden. Und um entsprechende Textbelege sprachlich und
stilistisch korrekt in den eigenen Text einbinden bzw. einfügen zu
können, muss man die
Regeln des korrekten Zitierens beherrschen.
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Erzählende Texte interpretieren (Schulische Schreibformen)
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Überblick
▪´Didaktische und
methodische Aspekte
▪
Aspekte der schulischen
Erzähltextanalyse
▪
Textprozeduren orientierte Schreibdidaktik
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
26.05.2022