Fluktuation zwischen direkter und indirekter Rede

Fjodor M. Dostojewski: Schuld und Sühne (1866, dt. 1964) 

Beispiel

 
 
Fjodor M. Dostojewski 
(1821-1881) 
Schuld und Sühne 
(1866, dt. 1964)
Auszüge 1 / 2
geb. 30.11.1821 in Moskau als Sohn eines Arztes; Besuch der Ingenieurschule; danach technischer Zeichners im Kriegsministerium in St. Petersburg; ein Jahr später  ausschließlich Schriftsteller; erster Roman "Arme Leute" findet bereits große Beachtung; danach mehrere Erzählungen; 1848 wegen Mitgliedschaft in einem revolutionären Kreis
verhaftet und zum Tode verurteilt;  Umwandlung des Todesurteils in eine vierjährige Verbannung nach Sibirien; nach Rückkehr  zwar wieder berühmt, aber ohne finanzielle Sicherheit; mehrere Auslandsaufenthalte;
verliert wegen seiner Spielsucht Vermögen; angeschlagene Gesundheit; kehrt nach Petersburg zurück; dort gestorben am 28. Januar 1881.

 Bild aus Christiaan Stange's Dostoevsky Research Station
 
Auszug 1
Hinführung: Der mittellose Student Raskolnikow sucht in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in St. Petersburg eine Pfandleiherin auf, um herauszufinden, wann die beste Gelegenheit ist, die alte Frau zu ermorden.

"Was wünschen Sie?" fragte die Alte in scharfem Ton, nachdem sie ins Zimmer getreten war und, wie vorher, sich gerade vor ihn hingestellt hatte, um ihm genau ins Gesicht blicken zu können.
"Ich bringe ein Stück zum Verpfänden. Da ist es!"
Er zog eine alte, flache silberne Uhr aus der Tasche. Auf dem hinteren Deckel war ein Globus dargestellt. Die Kette war von Stahl.
"Das frühere Pfand ist auch schon verfallen. Vorgestern war der Monat abgelaufen."
"Ich will ihnen für noch einen Monat Zinsen zahlen. Haben Sie noch Geduld."
"Es ist bei mir, Väterchen, ob ich mich noch gedulden oder Ihr Pfand jetzt verkaufen will."
"Was geben Sie mir auf die Uhr, Aljona Iwanowna?"
"Sie kommen immer nur mit solchen Trödelsachen, Väterchen. Die hat ja so gut wie gar keinen Wert. Auf den Ring habe ich Ihnen das vorige Mal zwei Scheinchen gegeben; aber man kann ihn beim Juwelier für anderthalb Rubel neu kaufen."
"Geben Sie mir auf die Uhr vier Rubel; ich löse sie wieder aus; es ist ein Erbstück von meinem Vater. Ich bekomme nächstens Geld."
"Anderthalb Rubel, und die Zinsen vorweg, wenn es Ihnen so recht ist." "Anderthalb Rubel!" rief der junge Mann.
"Ganz nach Ihrem Belieben!"
Mit diesen Worten hielt ihm die Alte die Uhr wieder hin. Der junge Mann nahm sie und war so ergrimmt, dass er schon im Begriff stand wegzugehen; aber er besann sich noch schnell eines andern, da ihm einfiel, dass er an keine andre Stelle gehen konnte und dass er auch noch zu einem andern Zweck gekommen war.
"Nun, dann geben Sie her!" sagte er in grobem Ton. (S.12 f.)

Auszug 2
Hinführung: Raskolnikow hat seine Schuld im Strafprozess gestanden und damit seinen Seelenfrieden gefunden.

"Alles dies diente als starke Stütze für die Schlussfolgerung, dass Raskolnikow mit einem gewöhnlichen Mörder, Räuber und Dieb nicht auf eine Stufe gestellt werden könne, sondern dass hier denn doch etwas anderes vorliege. Zum größten Verdruss derjenigen, die diese Ansicht vertraten, machte der Verbrecher selbst so gut wie gar keinen Versuch sich zu verteidigen; auf die ausdrückliche Frage, was ihn denn eigentlich zu dem Mord und dem Raub veranlasst habe, antwortete er mit größter Klarheit und überraschender Offenheit, die Ursache seiner ganzen Handlungsweise sei seine üble Lage gewesen, seine völlige Armut und Hilflosigkeit und der Wunsch, sich die ersten Schritte auf seiner Laufbahn mit Hilfe von wenigstens dreitausend Rubeln zu ermöglichen, die er bei der Getöteten zu finden gehofft habe. Den Entschluss zum Mord habe er infolge seines leichtsinnigen, kleinmütigen Charakters gefasst; überdies habe er sich auch noch infolge von Entbehrun­gen und Misserfolgen in gereizter Stimmung befunden. Und auf die Frage, was ihn denn zu der Selbstanzeige bewogen habe, erwiderte er offen, dass dies eine Wirkung aufrichtiger Reue gewesen sei. Das alles machte schon beinahe den Eindruck allzu großer Derbheit.
Das Urteil fiel milder aus, als nach der Schwere des verübten Verbrechens eigentlich zu erwarten gewesen war... (S. 780)

                             
(Fjodor M. Dostojewski, Schuld und Sühne, Frankfurt/M.: insel  1986, zit.n.: Vogt 1990, S.151, 153)
                        

 
Arbeitsanregung

Arbeiten Sie die unterschiedliche Wirkung der direkten und indirekten Rede heraus.