Die Inszenierungssignale auf Textebene identifizieren
Die implizite Inszenierung
steht in einem klaren Gegensatz zur ▪
aufgeführten
Inszenierung.
-
Sie wird im
Unterschied zu dieser nur sprachlich auf der Textebene realisiert
wird.
-
Sie stellt
die Gesamtheit der in einem Text enthaltenen
Inszenierungsgrößen (z.B. Raum, Sprache, Körper, Bewegung, Haltungen,
Beleuchtung usw.) dar, also das, was ein dramatischer Text auf der Ebene
seiner verschiedenen Textschichten ( ▪
Haupt- und
Nebentext) an Informationen über seine mögliche szenische Realisierung
enthält.
Ohne Zweifel ist die Vorstellung ,wonach der
▪
Haupttext
das, was die Figuren sagen, und der ▪
Nebentext
das, wie sie das tun, natürlich schematisch und wirklich
grob vergröbernd.
Sie resultiert aber doch aus der sogenannten "Absolutheit"
bzw. "Unmittelbarkeit des dramatischen Textes", die den Leser
eines Dramentexts dazu zwingt, sich seinen Reim auf das
dramatisch Dargebotene zu machen, ohne dass ihn dabei, wie bei
vielen
erzählenden Texten ein Erzähler dabei anleitet bzw.
beeinflusst (vgl. ▪
Modell der epischen (narrativen)
Kommunikation).
Wie er dies macht, ist zunächst einmal seine Sache. Ob und
wie er also die verschiedenen Informationen zusammenbringt oder
nicht, ob er dabei wirklich die verschiedenen
Inszenierungsgrößen (Sprache, Bewegung, Gebärden, Sprechweisen
etc.) in den Beziehungen der Textelemente zueinander wahrnimmt,
wie
Lösener
(2005. S.302) meint, muss zumindest in der vorgebrachten
Form bezweifelt werden.
Und auch der Hinweis, dass antike Dramen wie die »"Antigone"
von »Sophokles
(496 - 406/405 v. Chr.) oder die
Tragödien »William
Shakespeares (1564-1616) wie z. B.
Julius Cäsar,
Hamlet oder
Macbeth kaum lesbar wären, da sie keinen oder nur sehr spärliche
Anweisungen als Nebentext enthalten, kann nur sehr bedingt
überzeugen, weil es die vielfältigen Bedingungen der Rezeption
durch den Leser weitgehend außer Betracht lässt.
Wie ein Rezipient solche Texte liest, hat dabei sicher
mindestens genau so viel wie mit den Beziehungen der
Textelemente untereinander mit seinen lebensweltlichen
Erfahrungen, seinen erworbenen Denk- und
Handlungsschemata zu tun, mit denen er bestimmte
Sprachhandlungen einordnet.
Trotzdem gehört zu einer textorientierten Analyse und Interpretation eines
Dramas natürlich hinzu, die im dramatischen Textsubstrat enthaltenen
Informationen zur szenische Realisation, mag man sie, wem beliebt,
Inszenierungsgrößen nennen, zu erkennen und herauszuarbeiten.
Arsenal und Anzahl von Informationen zur szenischen Realisation
eines dramatischen Textes variieren
Das
Arsenal und die Anzahl der in einem Text enthaltenen Inszenierungsgrößen
sind in besonderer Weise ▪
historisch bedingt,
variieren von Drama zu Drama, hängen von dem jeweiligen Dramentyp ab,
unterscheiden sich von Autor zu Autor und/oder berücksichtigen auf jeweils
eigene Weise vorhandene Theatertraditionen.
Dies
wird insbesondere im Bereich der Entwicklung des ▪
Nebentextes deutlich. So hat sich z. B. Art und Umfang der
schauspieler-
bzw. kontextbezogenenen Bühnenanweisungen bzw. Regiebemerkungen im Laufe
der Zeit sehr gewandelt.
Der Rhythmus des Textes als
Bindeglied zwischen den verschiedenen Formen der Inszenierung
Die auf
der Textebene realisierte (implizite) Inszenierung hat im Gegensatz zur
multimedial angelegten
▪ aufgeführten
Inszenierung nur rein sprachliche Mittel zur Verfügung.
Dennoch lassen
sich dem Text multimediale Aspekte abgewinnen, die in der aufgeführten
Inszenierung theatralisch umgesetzt werden.
Man kann mit einiger Übung, vor
allem bei guter ▪
sprechakttheoretischer bzw.
▪
kommunikationspsychologischer
Schulung und einem Gefühl für die
prosodischen bzw. die
suprasegmentalen Merkmale der Sprache "Pausen, Tempowechsel,
Überraschungseffekte, Bewegungen im Raum, Körperhaltungen und -aktionen,
Sprechweisen und Sprechhaltungen etc., also wesentliche Parameter, die den
'Rhythmus' einer Inszenierung ausmachen, aus der internen Gliederung der
einzelnen Repliken im dialogischen Gefüge" (Lösener 2005. S.302)
erschließen. Dabei ist dieser in den Text geschriebene Rhythmus etwas gänzlich
anderes als ein metrisches Schema oder eine Taktstruktur, da er "aus der
jeweiligen Artikulation der großen und kleinen Sinneinheiten des Textes
entsteht" (ebd.,S.302) Der Rhythmus des Textes stellt das maßgebliche Glied dar, das die
verschiedenen Inszenierungsformen miteinander verbindet: Er wird auf dem Weg
von der impliziten zur mentalen ebenso wie von der mentalen zur aufgeführten
Inszenierung "mit hinüber genommen" und bleibt damit wesentlicher Garant
dafür, dass ein Regiekonzept das aufzuführende Stück im Kern verfehlt. (vgl.
ebd.,S.303)
Die implizite Inszenierung gibt lediglich Spielwerte vor
Allerdings darf daraus auch nicht abgeleitet werden, dass die Analyse der
impliziten Inszenierung, so wichtig sie als Voraussetzung auch sein mag, die
Arbeit und das Konzept des Regisseurs bei der aufgeführten Inszenierung
ersetzen könnte.
"Denn die implizite Inszenierung gibt weniger Spielanweisungen
als vielmehr Spielwerte vor, d. h. sie schreibt häufig nicht exakt
vor, wie ein bestimmtes Element spielerisch umzusetzen ist, sondern legt in
der Regel lediglich fest, welchen Wert es im Textzusammenhang (=Textsystem)
hat, also in welchen Beziehungen es zu anderen Elementen des Dramas steht.
Um die implizite Inszenierung aus dem Text herauszulesen, muss man daher in
der Lage sein, immer wieder die systemischen (=textinternen) Bezüge der
Elemente zu entdecken." (ebd.,S.303) Dramenunterricht, der sich hauptsächlich mit der impliziten Inszenierung
befasst, wird schwerpunktmäßig
textorientierte
Unterrichtskonzepte verfolgen. (vgl.
ebd. S.297 Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
19.12.2023
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