Zum
▪
Nebentext
eines dramatischen Textes gehören auch die Akt- und Szenenmarkierungen, die
im Allgemeinen vom ▪ Haupttext ▪
typografisch deutlich
abgehoben sind.
Im nebenstehenden Beispiel aus
Friedrich
Schillers (1759-1805)
Drama
Maria Stuart (reclam-Ausgabe) ist die Aktmarkierung typografisch durch
die Verwendung von Versalien, Zentrierung, einen größeren Abstand vom oberen
Seitenrand und einen vergleichsweise großen Abstand zur nächstfolgenden,
untergeordneten Segmentierungseinheit des Auftritts betont.
Mit den beiden
einzigen Segmentierungsniveaus Aufzug und Auftritt steht Schillers Drama
dabei in der Tradition der französischen Klassik.
Wenn es nur um die
Kennzeichnung von Segmentierungsniveaus geht, werden bei der Analyse
dramatischer Texte die Begriffe Aufzug und Akt sowie Auftritt und
Szene häufig synonym verwendet. Dies trifft wohl in besonderem Maße auf
die ▪ schulische Dramenanalyse zu.
Da es keine einheitliche und verbindliche
Festlegung gibt (vgl.
Pfister
1977, S.314), wird es wohl auch noch dauern, ehe Bernhard Asmuths
Appell, "sich von dem dramaturgisch zweitrangigen Begriff Akt und dem
unklaren Wort Szene" zu lösen (Asmuth
2004, S.39), Erfolg beschieden sein wird.
Aufzug und Akt
Der Begriff Aufzug, der erst im 17.
Jahrhundert allmählich üblich wird, stellt im Grunde nur eine Verdeutschung
des Begriffs Akt (lat. actus) dar, dessen Wurzeln
als fortlaufend nummerierte Einheit für die Teile eines Dramas schon auf die
»hellenistische
Zeit (ca. 336 v. Chr. bis 30 v. Chr.) zurückgehen. (vgl.
Asmuth 2004, S.38)
Üblich sind Einteilungen in 5 Akte in klassischer
Tradition, so z. B. auch bei
▪
Gotthold
Ephraim Lessings (1729-1781)
▪
Dramen, in drei Akte im italienischen, spanischen und portugiesischen
Drama. Daneben gibt es auch Drei- oder Vierakter, wie sie z. B. »Gerhart
Hauptmann (1862-1946) oder
▪
Henrik
Ibsen (1828-1906) in ▪ "Nora
(Ein Puppenheim)" bevorzugen. Moderne Autoren haben dagegen wie z. B. »Jean-Paul
Sartre (1905-1980) mit seinem 1944 uraufgeführten Drama »"Geschlossene
Gesellschaft" (frz. Huis clos, geschlossene Türen) auch
Einakter oder wie »Samuel
Beckett (1906-1989) mit »"Warten
auf Godot" (1952) Zweiakter verfasst. Nur ganz selten wurden indessen
mehr als 5 Akte zur Segmentierung verwendet. (vgl.
ebd.)
Der Zuschauer eines Dramas kann im Theater, im Gegensatz zum Leser oder dem
Zuschauer eines für das Fernsehen aufgenommenen Theaterstücks, nicht immer
erkennen, wann ein Aufzug endet und ein neuer Aufzug beginnt.
Aktgrenzen
werden im im Allgemeinen nur dann wirklich bewusst, wenn Zeitaussparungen,
Schauplatzwechsel oder totale Konfigurationswechsel ausschließlich durch die
Aktgrenzen signalisiert werden, im besonderen also auf die Unterbrechung der
raum-zeitlichen Kontinuität der Handlung einzig und allein durch sie
aufmerksam gemacht wird. Geschieht dies auch innerhalb der Aktgrenzen,
bleibt dem Zuschauer diese Bewusstheit versagt.
Auch die Verwendung des Vorhangs als
textexternes Segmentierungssignal und optisches Signal für die
Pause kann Aktgrenzen betonen und bei
Schauplatzwechsel einen Bühnenumbau ermöglichen, der die dramatische
Illusion, dass es sich auf der Bühne um ein reales Geschehen handele, nicht
zerstört. (vgl.
Pfister
1977, S.314)
Insgesamt gesehen, stellt also die Akteinteilung ein von außen an den Text
herangetragenes Gliederungskonzept dar, das ein übergeordnetes
Segmentierungsniveau ohne wesentliche dramaturgische Funktion signalisiert.
In den meisten Fällen fungiert sie nur als "klassizistische Anspielung oder
spielübergreifender Kompositionsraster" (Asmuth
2004, S.38)

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Aus diesen und anderen Gründen plädiert Asmuth
(62004, S.40) auch dafür statt den äußerlich
segmentierenden Aktbegriff, den Begriff des Handlungsabschnitts
oder Bildes zu verwenden, wenn es um größere Einheiten in einem
dramatischen Text gehe, die die durch eine Unterbrechung der
Handlungskontinuität markiert würden. Der Begriff des
Handlungsabschnittes werde dann etwa analog zu dem des Schnitts
beim Film verwendet. Allerdings ist diese Analogie nur zum Teil
zutreffend, da der Schnitt als solcher beim ▪
Film z. B. beim Wechsel
der
▪
Einstellung
und ihrer Parameter (▪
Einstellungsgröße,
▪
Einstellungsperspektive) ja keine Unterbrechung der
Handlungskontinuität darstellen muss.
Auftritt und Szene
Der Auftritt ist die kleinste Einheit, in die der dramatische Text unter
dem Aspekt der szenischen Inszenierung eingeteilt werden kann.
Kriterium für
die Bildung dieser Segmentierungseinheit ist die
partielle Veränderung der Konfiguration der Figuren auf der Bühne.
Tritt eine Figur auf oder verlässt sie die Bühne, tritt sie also ab, lässt
sich ein derartiger Textabschnitt bestimmen.
Davon unberührt ist natürlich
die Tatsache, dass sich der Text eines Auftritts unter thematischen,
situativen oder kommunikativen Gesichtspunkten im Rahmen einer
▪ Szenenanalyse,
wie sie auch bei der
▪
schulischen Drameninterpretation verlangt ist, untergliedern lässt
(Themen, Wendepunkte, Gesprächsstrategien etc.).
Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die Begriffe Auftritt und Szene häufig
synonym verwendet, und solange dadurch keine Unklarheiten entstehen, ist
dagegen auch nicht viel einzuwenden. Dies betrifft insbesondere ihre
Verwendung im Literaturunterricht in der Schule.
Allerdings kann es dabei
auch zu Missverständnissen kommen, da die Begriffe auch von Autoren, die zum
schulischen Literaturkanon zählen, in unterschiedlicher Art und Weise
verwendet werden. So ist es also durchaus hilfreich, sich über die
Begrifflichkeit im Klaren zu sein.
Der Begriff Szene kann nämlich sowohl für den
partiellen Konfigurationswechsel als auch für einen bestimmten Schauplatz
bzw. den Text zwischen einem Schauplatzwechsel stehen.
Als Bezeichnung für
die kleinste Einheit im Sinne der oben dargestellten Verwendung des Begriffs
Auftritt steht sie im Gefolge der »französischen
Klassik (ca. 1616-1715). »William
Shakespeare (1564-1616) dagegen und diejenigen, die ihm
folgten, verwenden den Begriff Szene für das Spiel an einem Schauplatz,
dessen Wechsel stets einen Szenenwechsel darstellt.
Damit nicht genug: Im 18. Jahrhundert wurde schließlich beides vermischt,
und auch ▪ Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) machte da keine Ausnahme: "Er zählt
in seinen Dramen jeweils die »Aufzüge« und »Auftritte« durch. Das Wort Szene
verwendet er nur zur Bühnenanweisung. So heißt es am Anfang der »Emilia
Galotti« (1772): »Die Szene, ein Kabinett des Prinzen.« Szene ist hier
gleichbedeutend mit Schauplatz." (Asmuth
2004, S.39)
Ein Blick auf die Dramen von
▪
Friedrich
Schiller (1759-1805) zeigt denn auch, dass der Begriff der Szene auch
von ein und demselben Autor in verschiedenen Stücken unterschiedlich
verwendet wird.
-
In seinen Dramen
▪
"Die
Räuber" (1781/82) und »"Wilhelm Tell"
(1804), die einen
häufigen Schauplatzwechsel aufweisen, zählt er 15 Szenen ganz im Sinne
Shakespeares, während er die 37 Szenen in »"Kabale
und Liebe" (1784) nach französischem Muster, also auf der Grundlage des
partiellen Konfigurationswechsels, anlegt.
-
Wer jedoch daraus schließen
wollte, "Kabale und Liebe" sei auch das wechselvollere Stück, sieht sich
getäuscht.
-
Während nämlich "Die Räuber" in etwa 60 nicht gesondert
ausgewiesene Auftritte enthalten, die an 15 Schauplätzen spielen,
verzeichnet "Kabale und Liebe" lediglich 9 Schauplatzwechsel. (vgl.
ebd.)
Für die Untergliederung eines dramatischen Textes nach Auftritten ist es
indessen nicht zwingend nötig, dass jede Konfigurationsveränderung mit einem
neuen Auftritt im Nebentext markiert wird.
-
Ein Autor kann durch den Verzicht
auf die Einfügung einer neuen Segmentierungseinheit eben auch signalisieren,
dass eine bestimmte auf- oder abtretende Figur die bestehende Konfiguration
auf der Bühne nicht maßgeblich verändert.
-
Soll ein Stück dagegen zur
Aufführung gebracht werden, ist eine präzise Segmentierung nach Auftritten,
die das gesamte Figurenpersonal umfasst, eine wichtige Arbeitshilfe für
Regie und Schauspieler (vgl.
Pfister
1977, S.315)
Auftritte und Handlungsabschnitte in der Analyse von Dramentexten
Für die Analyse eines dramatischen Textes ist es ebenfalls von Vorteil,
wenn auch in Texten, in denen Schauplatzeinheiten nicht nummeriert oder, wie
in neueren Dramen häufig der Fall, auf das Markieren und Zählen von
Auftritten verzichtet wird, diese Segmentierungseinheiten ermittelt werden.
Dabei sollten zwei Punkte markiert werden:
Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
03.09.2023
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