Plurimedialität der Textpräsentation
Der
dramatische Text unterscheidet
sich von den erzählenden und
lyrischen
Texten vor allem durch die Plurimedialität
der Textpräsentation.
Betrachtet man einen dramatischen Text genauer, kann
man feststellen, dass es im Grunde genommen zwei verschiedene
Textschichten gibt:
-
den in der Regel schriftlich niedergelegten Dramentext (=
sprachlich fixiertes Textsubstrat)
-
die szenische Bühnenrealisierung (entweder vom Textsubstrat als
explizite oder implizite Bühnenanweisung unmittelbar gefordert oder bei
der Inszenierung "hinzugetan")
Beide Komponenten zusammen machen den dramatischen Text zu einem
szenisch realisierten Text. (vgl.
Pfister 1977, S.25), der in gewisser Hinsicht einer Musik-Partitur
gleicht.
Der Partiturcharakter der dramatischen Textes
Die Partitur-Metapher geht auf den englischen Dramatiker und
Regisseur »Harley Granville
Barker (1877-1946) (1946, S.5) zurück, der
formuliert hat: "The text of a play is a score waiting performance." (zit.
n. Lösener
32007 S. 311)
Ein
dramatischer Text hat viel mit einer Partitur (italienisch
partitura ‚Einteilung‘; französisch partition (d’orchestre) in
der Musik gemeinsam, die in Notenschrift abgefasst ist. In einer
Partitur werden alle Instrumental- und Vokalstimmen einer
Komposition untereinander angeordnet. Gewöhnlich entsteht die
Partitur bei der Niederschrift der Komposition durch den
Komponisten, kann aber auch erst bei speziellen Arrangements
eines Musikstückes zum Zweck seiner Aufführung verfasst werden.
Gewöhnlich enthält eine Musikpartitur auch Hinweise zur
Aufführung des Musikstücks (z. B. Tempo, Dynamik und andere
Spielanweisungen), so dass ein Dirigent bzw. eine Dirigentin das
Ganze auf einen Blick überschaubar kann.
Die
Vorstellung, dass der dramatische Text als eine Partitur
aufzufassen ist, gehört zu den Grundvoraussetzungen der ▪
Theaterregie, die ohne
ein solches Verständnis ihre komplexen Inszenierungsaufgaben
nicht erfüllen könnte.
Sie hat aber auch Eingang in verschiedene ▪
dramendidaktische Konzepte (z. B. ▪
produktionsorientierte Konzepte, ▪
aufführungsbezogene Lektüre) mit ihren unterschiedlichen Ansätzen
zur Berücksichtigung der ▪
Inszenierung (▪
aufgeführte, ▪
mentale oder ▪
implizite Inszenierung) gefunden.

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Dramatische Texte vermitteln ihre Informationen im Zuge der
szenischen Realisierung auf der Bühne in der Regel ▪
visuell und
▪ akustisch.
Neben der Sprache im Allgemeinen werden diese Informationen
aber auch auf anderem Weg übermittelt. Der dramatische Text nutzt dabei eine
▪ Vielzahl verschiedener Codes und Kanäle.
Aus diesem Grunde kann man den dramatischen Text als
synästhetischen
Text auffassen, zu dessen Aussage alle über die
verschiedenen Codes und Kanäle vermittelten Aussagen auf ihre Weise
beitragen.

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Stellt man daher die Frage nach der Aussage eines dramatischen Textes,
muss man das aufeinander bezogene Gesamtgefüge berücksichtigen, das den
"dramatischen Text als System interdependenter Strukturelemente zum
Superzeichen" macht. (Pfister
1977, S.26)
Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
03.06.2025
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