In der ▪
Kurzgeschichte ▪
»Denk immer an heut Nachmittag« von
▪
Gabriele Wohmann,
erschienen in "Ländliches Fest", Darmstadt/Neuwied 1979, S.60-62, geht
es um das Aufeinandertreffen und letztlich nicht miteinander
vermittelbaren kindlichen und erwachsenen Erfahrungswelten. Erzählt
wird, wie ein Vater seinen Sohn mit dem Zug in ein Internat bringt und
mit seinen verschiedenen Versuchen, den darüber traurigen Jungen
aufzuheitern, infolge mangelnder Empathie aber auch wegen der
Selbstbezogenheit des Kindes scheitert. Am Ende überwindet das Kind aber
seine Position.
Vater und Sohn sind auf einer Hinterplattform eines Zuges unterwegs, mit
dem sie an einem kühlen späten Nachmittag im Frühjahr eine halbstündige
Fahrt von Gratte nach Laurich machen, wo sich das Internat befindet, in
das der Sohn, vermutlich nach dem Tod seiner Mutter, gehen soll.
Der Sohn ist traurig darüber und nimmt entsprechend trist die ganze
Umgebung wahr, die während der Fahrt an den beiden vorbeizieht. Während
der Vater davon spricht, wie lustig alles ist, was sie unterwegs zu
sehen bekommen und welche schöne Erinnerungen das sind, spürt das Kind
den Koffer, in dem seine Sachen sind.
Als sie in die Nähe des Waldes von Laurich kommen, sehen sie, wie ein
fetter Junge auf dem Fahrrad versucht, der Bahn unter Einsatz aller
Kräfte zu folgen. Als der Vater seinen Sohn darauf anspricht, blockt
dieser ab und muss sich dafür vom Vater sagen lassen, er sei ein
Langweiler. Dem Jungen stehen die Tränen in den Augen, als er daraufhin
eine ganze Reihe von Ratschlägen seines etwas verärgerten Vaters anhören
muss. Nach seiner Aufforderungen an den Sohn, er solle die Liebe seiner
Mutter nicht vergessen und auch tun, was sie erfreut hätte, lenkt er die
Aufmerksamkeit wieder auf den hinter dem Zug herhetzenden Jungen, auf
dessen Durchhaltevermögen er seinen Sohn hinweist. Dieser und andere
Versuche, den eigenen Sohn für den möglicherweise zukünftigen Kameraden
in Laurich zu interessieren und mit ihm darüber ins Gespräch zu kommen,
gelingen allerdings nicht. Der Sohn schweigt und schaut auf die Gebäude
des Internats, die allmählich zu sehen sind.
Als der Sportplatz des Internats zu sehen ist, fährt der Vater fort,
alles schönzureden. Zugleich drückt er seine Erwartungen aus, dass sein
Sohn im Internat allmählich Spaß am Sport entwickeln und richtige
Muskeln bekommt, weil das für einen richtigen Mann einfach dazugehöre.
Nachdem sie die Bahn offensichtlich verlassen haben, gehen sie auf den
Platz, der hinter einem Drahtzaun liegt, zu und sehen, wie eine größere
Anzahl von Kindern mit einem Ball spielt. Doch je näher sie kommen,
desto weniger kann der Sohn noch sehen, was in dem Spiel passiert, da
hinter seinen feuchten Augen alles verschwimmt. Er klammert sich,
während er nur die Geräusche wahrnimmt, an die Vorstellung, wie der Ball
immer höher in den Himmel steigt und nie mehr herunterkommt.
Als er den Vater aber erneut davon sprechen hört, er solle immer an all
das Schöne, was sie an diesem Tag gemeinsam erlebt hätten, denken, kann
das Kind wieder alles sehen und bemerkt, wie der Ball in Wirklichkeit
wieder auf den Boden fällt. Jetzt erkennt es, dass es seinen Vater
eigentlich noch nie bedauert hat.