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Ehret die Frauen! sie flechten und weben |
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Himmlische Rosen ins irdische Leben, |
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Flechten der Liebe beglückendes Band, |
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Sicher in ihren bewahrenden Händen |
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Ruht, was die Männer mit Leichtsinn
verschwenden, |
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Ruhet der Menschheit geheiligtes Pfand. |
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Ewig aus der Wahrheit Schranken |
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Schweift des Mannes wilde Kraft, |
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Und die irren Tritte wanken |
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Auf dem Meer der Leidenschaft; |
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Gierig greift er in die Ferne, |
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Nimmer wird sein Herz gestillt; |
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Rastlos durch entlegne Sterne |
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Jagt er seines Traumes Bild. |
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Aber mit zauberisch fesselndem Blicke |
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Winken die Frauen den Flüchtling zurücke, |
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Warnend zurück in der Gegenwart Spur |
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In der Mutter bescheidener Hütte |
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Sind sie geblieben mit schamhafter Sitte, |
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Treue Töchter der frommen Natur. |
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Feindlich ist des Mannes Streben, |
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Mit zermalmender Gewalt |
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Geht der wilde durch das Leben, |
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Ohne Rast und Aufenthalt. |
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Was er schuf, zerstört er wieder, |
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Nimmer ruht der Wünsche Streit, |
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Nimmer, wie das Haupt der Hyder |
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Ewig fällt und sich erneut. |
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Aber zufrieden mit stillerem Ruhme, |
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Brechen die Frauen des Augenblicks Blume, |
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Nähren sie sorgsam mit liebendem Fleiß, |
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Freier in ihrem gebundenen Wirken, |
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Reicher, als er, in des Wissens Bezirken. |
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Und in der Dichtung unendlichem Kreis. |
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Seines Willens Herrschersiegel |
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Drückt der Mann auf die Natur, |
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In der Welt verfälschtem Spiegel |
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Sieht er Seinen Schatten nur, |
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Offen liegen ihm die Schätze |
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Der Vernunft, der Phantasie, |
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Nur das Bild auf seinem Netze, |
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Nur das Nahe kennt er nie. |
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Aber die Bilder, die ungewiss wanken |
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Dort auf der Flut der bewegten Gedanken, |
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In des Mannes verdüstertem Blick, |
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Klar und getreu in dem sanfteren Weibe |
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Zeigt sie der Seele kristallene Scheibe |
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Wirft sie der ruhige Spiegel zurück. |
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Immer widerstrebend, immer |
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Schaffend, kennt des Mannes Herz |
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Des Empfangens Wonne nimmer, |
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Nicht den süßgeteilten Schmerz,
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Kennet nicht den Tausch der Seelen, |
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Nicht der Tränen sanfte Lust, |
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Selbst des Lebens Kämpfe stählen |
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Fester seine feste Brust. |
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Aber wie, leise vom Zephyr erschüttert, |
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Schnell die Aolische Harfe erzittert, |
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Also die fühlende Seele der Frau. |
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Zärtlich geänstigt vom Bilde der Qualen, |
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Wallet der liebende Busen, es strahlen |
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Perlend die Augen von himmlischen Tau |
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In der Männer Herrschgebiete |
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Gilt der Stärke stürmisch Recht; |
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Mit dem Schwert beweist der Scythe, |
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Und der Perser wird zum Knecht. |
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Es befehden sich im Grimme |
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Die Begierden – wild und roh! |
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Und der Eris raue Stimme |
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Waltet, wo die Charis floh. |
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Aber mit sanftüberredender Bitte |
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Führen die Frauen den Zepter der Sitte, |
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Löschen die Zwietracht, die tobend entglüht, |
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Lehren die Kräfte, die feindlich sich hassen, |
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Sich in der lieblichen Form zu umfassen, |
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Und vereinen, was ewig sich flieht. |
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Seiner Menschlichkeit vergessen, |
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Wagt des Mannes eitler Wahn |
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Mit Dämonen sich zu messen, |
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Denen nie Begierden nahn. |
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Stolz verschmäht er das Geleite |
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Leise warnender Natur, |
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Schwingt sich in des Himmels Weite, |
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Und verliert der Erde Spur. |
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Aber auf treuerem Pfad der Gefühle |
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Wandelt die Frau zu dem göttlichen Ziele, |
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Das sie still, doch gewisser erringt, |
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Strebt, auf der Schönheit geflügeltem Wagen
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Zu den Sternen die Menschheit zu tragen, |
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Die der Mann nur ertödtend bezwingt. |
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Auf des Mannes Stirne thronet |
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Hoch als Königin die Pflicht, |
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Doch die Herrschende verschonet |
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Grausam das Beherrschte nicht. |
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Des Gedankens Sieg entehret |
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Der Gefühle Widerstreit, |
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Nur der ewge Kampf gewähret |
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Für des Sieges Ewigkeit. |
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Aber für Ewigkeiten entschieden |
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Ist in dem Weibe der Leidenschaft Frieden; |
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Der Notwendigkeit heilige Macht |
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Hütet der Züchtigkeit köstliche Blüte, |
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Hütet im Busen des Weibes die Güte, |
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Die der Wille nur treulos bewacht |
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Aus der Unschuld Schoß gerissen |
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Klimmt zum Ideal der Mann
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Durch ein ewig streitend Wissen, |
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Wo sein Herz nicht ruhen kann, |
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Schwankt mit ungewissem Schritte, |
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Zwischen Glück und Recht geteilt, |
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Und verliert die schöne Mitte, |
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Wo die Menschheit fröhlich weilt. |
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Aber in kindlich unschuldiger Hülle |
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Birgt sich der hohe geläuterte Wille |
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In des Weibes verklärter Gestalt. |
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Aus der bezaubernden Einfalt der Züge |
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Leuchtet der Menschheit Vollendung und Wiege, |
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Herrschet des Kindes, des Engels Gewalt.
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