Der deutsche Philologe »Georg
Büchmann (1822-1884) führt in seiner Zitatensammlung »Geflügelte
Worte (online verfügbar bei
archive.org), dem "Stammbuch deutscher Bildungsphilister" (Berghahn
1996, S.275) eine große Anzahl von Versen aus ▪
Friedrich Schillers Ballade "Das
Lied von der Glocke" auf.
Als Geflügelte Worte bezeichnet man seit dem Erscheinen von »Georg
Büchmanns (1822-1884)
Zitatensammlung
- literarisch belegbare
- in den allgemeinen Sprachschatz des Volkes übergegangene
- allgemein geläufige
Redensarten.
Dass Schiller-Zitate, nicht nur die aus dem
Lied von der Glocke, zu
Geflügelten Worten werden konnten, hat mit der verbreiteten Praxis jener
Zeit zu tun, einzelne Zitate, oft Sentenzen, aus dem Werkzusammenhang zu
reißen, seine Texte in ihre fragmentierten Bestandteile aufzulösen und
in beliebigen außerliterarischen Kontexten zu verwenden. (vgl.
Gerhard 1998,
S.759) Diese Verfahren wird als "pragmatische Applikation von Literatur"
(ebd.)
bezeichnet.
Zitatsammlungen und sogenannte Applikationsbücher, Deklamationen und
Leseabende im Freundeskreis prägen die Wirkungsgeschichte Schillers vor
allem im 19. Jahrhundert und legen auf vielfältige Weise Zeugnis ab, wie
Menschen von den Werken Schillers bei zahlreichen gesellschaftlichen
Praktiken oder Ritualen Verwendung Gebrauch gemacht haben. Bereits im ersten Drittel des
Jahrhunderts werden sie nicht nur in Tagebüchern, Briefen politischen
Schriften, Zeitungen oder Zeitschriften zitiert, sondern die Texte
werden auch zu beliebten Vorlagen für gemeinsame Leszirkel,
Deklamationen und Laienaufführungen bei den unterschiedlichsten
Gelegenheiten." (vgl.
Gerhard 1998,
S.761)
Und dem Lied von der Glocke, von
dem »Caroline
von Wolzogen, geb. Lengefeld, (1763-1847), der zeitlebens mit
Schiller freundlich verbundenen Schwägerin, sagte, es sei schon sehr
schnell "ein Lieblingsgedicht der Deutschen geworden", weil jeder
darin "rührende Lebenstöne" finde und das darin dargestellte "allgemeine Schicksal der Menschen"
einfach "innig
ans Herz" gehe (Caroline
von Wolzogen, Schillers Leben, S.275), ging es nicht nur nicht
anders, sondern ist geradezu ein Musterbeispiel der pragmatischen
Applikation Schillerscher Werke,