Die
▪ Handlung
der Szene IV,9
(9. Auftritt) im 4. Akt von
Schillers
Drama »Maria
Stuart« spielt im Zimmer der Königin im Palast von Westminster.
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< IV,8
Shrewsbury
kommt sichtlich aufgeregt zu den im Zimmer der Königin versammelten
Personen. Als er den ausgefertigten Hinrichtungsbefehl in Davisons
Hand erblickt, fürchtet er das Schlimmste.
Elisabeths Einwand, sie werde zu diesem Schritt gezwungen, lässt
Shrewsbury nicht gelten, denn maßgebend sei schließlich nur ihr freier
königlicher Wille. Unter dem Druck der öffentlichen Meinung und unter
dem Eindruck ihrer persönlichen Verletztheit könne sie in dieser
Stunde kein Recht sprechen. Als
Burleigh
und
Kent
sofort widersprechen, präzisiert Shrewsbury seine Vorstellung. Es gehe
ihm nur darum, die Hinrichtung
Maria Stuarts
solange hinauszuschieben, bis Elisabeth mit kühlem Kopf über die Sache
entscheiden könne. Gegen diesen Vorschlag verwehrt sich Burleigh
heftig. Jedes weitere Zuwarten, so ermahnt er die Königin, bringe das
Reich an den Rand des Bürgerkrieges, ziehe weitere Mordanschläge nach
sich und bedeute in letzter Konsequenz auch einen gotteslästerlichen
Versuch, Schutz und Gnade Gottes ein weiteres Mal herauszufordern.
Burleighs Versuch, seiner Argumentation religiöse Weihen zu geben,
wird von Shrewsbury mit dem Hinweis entgegnet, dass gerade auch die
Umstände des am selben Tag gescheiterten Attentatsversuches das
Vertrauen in die schützende Hand Gottes verlangten. Zugleich entwirft
er mit plastischen Bildern ein zukünftiges Szenario, das sich nach der
Hinrichtung Maria Stuarts abspielen könne. Nur zu schnell werde die
öffentliche Meinung gegen Elisabeth umschlagen, weil das Volk die von
Maria Stuart ausgehenden Gefahren schnell vergessen werde. Stattdessen
werde es sich mit dem Schicksal der hingerichteten Maria Stuart
identifizieren und ihren Tod als Zeichen für die von Elisabeth
ausgeübte Tyrannei deuten. Elisabeth ist von Shrewsburys engagierten
Worten berührt. Sie ist unentschlossen und fühlt sich im Angesicht der
vor ihr stehenden Entscheidung ohnmächtig. Laut spielt sie mit dem
Gedanken, das Volk selbst entscheiden zu lassen, wer von den beiden
Königinnen den englischen Thron fortan innehaben soll. Sie selbst
spüre in dieser Stunde der Herausforderung, dass sie den Anforderungen
des Herrscheramts nicht gewachsen sei, weil sie zu emotional für die
Härte sei, die von einem König verlangt werde. Burleigh erkennt, dass
er nach diesen Äußerungen Elisabeths mit seiner Forderung
nach der sofortigen Hinrichtung Maria Stuarts ins Hintertreffen
geraten ist. Aus diesem Grunde bringt er das ganze Gewicht seiner
Loyalität zu Reich und Vaterland ein, als er Elisabeth für ihre
"unköniglichen" Worte rügt. Sie dürfe, wenn ihre oft bekundete Liebe
zu ihrem Volk wirklich für sie an erster Stelle stünde, in dieser
Situation nicht den persönlich bequemen Weg einschlagen. Und, wie
Shrewsbury zuvor, entwirft auch er ein, allerdings von ganzen anderen
Voraussetzungen ausgehendes, Szenario, wenn sie sich dem möglichen
Urteil ihres Volkes unterwerfend vom Thron zurückziehe. Denn dies
bedeute vor allem ein erneuter Rückfall in papistische Zeiten und
damit die Wiederkehr päpstlicher Einmischung und die Preisgabe der
Gläubigen an den katholischen "Aberglauben". Mit einem letzten
Seitenhieb auf Elisabeths zuvor gezeigte emotionale Regung ruft
Burleigh seiner Königin noch einmal ihre königliche Pflicht ins
Bewusstsein, die in einer solchen Lage nur die Wohlfahrt des Volkes
zur obersten Maxime ihres Handelns machen könne. Hier gehe es, so
gipfelt seine Mahnung, im Übrigen nicht mehr nur um Elisabeth, deren
Leben Shrewsbury gerettet habe, sondern um ein höheres Gut, nämlich
England selbst, das zu retten er sich vorgenommen habe. Elisabeth will
sich am Ende noch bedeckt halten und bittet ihre Lords -
Leicester hat sich übrigens, obwohl anwesend, mit keinem Wort
eingemischt - zu gehen. Sie will um Gottes Beistand nachsuchen. Als
sie allerdings
Davison
bittet, mit dem ausgefertigten Hinrichtungsbefehl in der Nähe zu
bleiben, wird Shrewsbury hellhörig. Er bleibt noch für einen Moment
vor Elisabeth stehen und sucht noch einmal in ihren Augen Antwort. Als
er erkennt, dass die Entscheidung Elisabeths für Burleigh und seine
Forderungen gefallen ist, verlässt auch er tief resignierend als
letzter der Lords das Zimmer der Königin, die allein zurückbleibt.
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