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Darbietungsformen

Überblick

Bernhard Schlink, Der Vorleser - Aspekte der Erzähltextanalyse

 
FAChbereich Deutsch
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WIE WIRD ERZÄHLT? (Zeitgestaltung, Perspektiven, Darbietungsformen ...)
Überblick

 ▪ Darstellung von Ereignissen (Darbietungsformen)
Überblick
Darstellung gesprochener Worte durch den Erzähler
 
Darstellung von Gedanken
 • Bausteine

Erzählformen und Erzählverhalten (Petersen)
Darbietungsweisen

Erzählerbericht und Figurenrede (Ältere Erzähltheorie)

In • Bernhard Schlinks Roman • »Der Vorleser« verwendet der Ich-Erzähler verschiedene • Darbietungsformen/-weisen, um die Geschichte zu erzählen, die hier im Wesentlichen in der Terminologie der älteren Erzähltheorie nach Lämmert (1955) analysiert und beschrieben werden.

Dabei kommen im Roman bei der • Darstellung von Ereignissen und der Darstellung von Rede und mentalen Vorgängen in der Terminologie der älteren Erzähltheorie nach Lämmert (1955) ausgedrückt, die • Erzählweisen  des • (Erzähler-)Berichts, • Beschreibungen, • Betrachtungen und Erörterungen sowie • szenische Darstellungen vor.

Eine andere Einteilung nimmt Petersen (1993) vor, für den der Erzählerbericht, die erlebte Rede, die indirekte Rede, der innere Monolog sowie der Dialog bzw. die direkte Rede "die Wege (sind), auf denen der Narrator das Geschehen sprachlich vermitteln kann." (Petersen 1993, S.84) Hier haben wir uns dafür entschieden, ganz im Sinne der so genannten ▪ "Werkzeugkasten-Fraktion" (Vogt 2011, S.10), nicht zuletzt aus didaktischen Gründen, flexibel mit den Kategorien umzugehen.

Die • Erzählweisen grenzen sich als Erzählerrede von der Personen-/Figurenrede ab. Sie lassen sich danach differenzieren, ob es sich um eher zeitlose oder zeitliche Erzählweisen handelt. Man kann unter den Erzählweisen auch den ▪ Erzählerbericht i. w. S. verstehen, der jene Textelemente eines Erzähltextes, die unmittelbar dem Erzähler bzw. der Erzählinstanz zugeordnet werden können, umfasst. (vgl. Vogt 1990, S.145).

In den Kategorien der älteren Erzähltheorie kann in diesem Zusammenhang von Erzählerbericht im engeren und weiteren Sinne gesprochen werden. In der strukturalistischen Erzähltheorie von »Gérard Genette (1930-2018) (1972, dt. 1994, 32010) wird das Phänomen, ob beim Erzählen die Illusion einer unmittelbaren Nähe des Erzählers zum Erzählten entsteht oder der Leser den Eindruck gewinnt, er stelle das Ganze aus größerer Distanz dar, als Teil des Modus beim Erzählen mit der Kategorie der Distanz erfasst. Und: In der angelsächsischen Erzählforschung wird das Phänomen als • Showing und Telling beschrieben (vgl. Lubbock 1921, Friedman 1955, 1975). So viel nur, um die Vielfalt der Kategorien und erzähltheoretischen Positionen anzudeuten.


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Der • Erzählerbericht (i. e. S.) und die • Betrachtungen und Erörterungen, mit denen vor allem das erzählende Ich in • Bernhard Schlinks Roman • »Der Vorleser« das dargestellte Geschehen kommentiert, sowie die • szenischen Darstellungen, die es quasi aus seinem Gedächtnis mit dem Anspruch auf Authentizität darbietet, geben dem Roman sein typisches Profil.

Was der Erzähler in seiner Rolle als erzähltes Ich oder als erzählendes Ich berichtet, wird dabei im Anschluss daran oft vom erzählenden Ich kommentiert oder der Erzählerbericht i. e. S. geht in die szenische Darstellung über.

Der Erzählerbericht i. e. S. hat an zahlreichen Stellen des Romans eine markant • raffende Funktion und nimmt damit maßgeblichen Einfluss auf die • Erzählgeschwindigkeit und damit die • Zeitgestaltung des Romans. Ein Beispiel dafür ist das 1. Kapitel im 2. Teil des Romans, in dem der Erzählerbericht mit vergleichsweise wenigen Sätzen die Zeit zwischen dem Verschwinden von Hanna und dem Abitur bzw. der Aufnahme des Jurastudiums durch Michael Berg überbrückt. ("Ich habe die letzten Jahre auf der Schule und die ersten auf der Universität als glückliche Jahre in in Erinnerung. Zugleich kann ich nur wenig über sie sagen." (Schlink, Der Vorleser, »Zweiter Teil, Kap. 1, S.84)

Die • direkte Figurenrede (zitierte Figurenrede), die in den zahlreichen • szenischen Darstellungen verwendet wird, vermittelt den Eindruck von Authentizität und "Objektivität", indem sie das • erlebende (erinnerte) Erzähler-Ich und andere Figuren unmittelbar, also scheinbar ohne Vermittlung durch das • erzählende (sich erinnernde) Erzähler-Ich unmittelbar zu Wort kommen lässt. Wenn dazu noch die redeeinleitende Inquit-Formel (• autonome direkten Figurenrede) wegfällt, dann ist der Authentizitätsanspruch dieser Darbietungsweise besonders groß, die sich auch dem so genannten • zeitdeckenden Erzählen annähert. Neben der Rhythmisierung der Erzählung  als Ganzes im Wechsel mit den anderen Darbietungsformen (• anisochrones Erzählen), zu dem die auch als ▪ Szene (vgl. Martinez/Scheffel (1998/2016) bezeichnete Darbietungsform beiträgt, kann man die direkte Rede im Roman auch "als sensibles Mittel zur differenzierten Darstellung der Personenbeziehungen" (Köster 2000, S. 75) ansehen. So dient sie nach Ansicht Kösters (2000 ) im ganzen Roman "sowohl zum Nachweis vorsichtiger Annäherung im Gespräch als auch zur Darstellung von Unfähigkeit zur Auseinandersetzung, von deren Scheitern." (ebd.)

Der ersten Gruppe lassen sich, wie sie meint, die nachfolgenden Gespräche zuordnen: das Gespräch von Hanna und Michael über die Arbeit und die Namen (• I, 8 - »S.34-37 - • Bsp. 4), ihr Gespräch über die Kosenamen (• I,14 - »S.68f.), sowie das Gespräch Michaels mit seinem Vater (• II,12 - »S.135-140) und das Gespräch Michaels mit der Tochter, die bei dem von Hanna mitverschuldeten Tod zahlloser Frauen beim Kirchenbrand überlebt hat (• III,11 - »S.200-203)

Zu der Gruppe von Gesprächen, die zeigen, wie wenig sich die Beteiligten über den Gesprächsgegenstand oder ihre Beziehung auseinandersetzen, zählt Köster (2000 die beiden großen Streitgespräche zwischen Hanna und Michael, von denen das eine nach Michaels frühmorgendlicher Straßenbahnfahrt am ersten Tag der Sommerferien in Hannas Wohnung stattfindet (• I, 10 - »S.47-50). Das andere ereignet sich während der gemeinsamen Radtour der beiden in Amorbach während der Osterferien, als Michael morgens Frühstück holt und Hanna den Zettel hinterlässt, den sie nicht lesen kann (• I,11 - »S.54-56). Auch das Gespräch von Michael mit dem Fahrer des Mercedes (• II,14 - »S.145-148), der ihn beim Trampen auf dem Weg ins KZ Struthof zunächst mitnimmt, ihn aber nach ihrem eskalierenden Streit wieder aussteigen lässt, das Gespräch von Michael mit Hanna bei seinem Besuch anlässlich ihrer bevorstehenden Haftentlassung (• III,8 - »S.186-188)  gehören hier her, sowie Michaels Gespräch mit der Leiterin des Gefängnisses nach dem Suizid Hannas (• III,10 - »S.192-197).

Die • Indirekte (Figuren-)Rede wird als Darbietungsform für die • Darstellung gesprochener Worte durch den Erzähler (• Transponierte Figurenrede) im Vergleich zur direkten Rede im Roman weniger häufig verwendet. Dementsprechend findet auch der sonst häufige • Wechsel mit der direkten Rede (Fluktuation) nur selten statt. Weil der Erzähler, da, wo er zur indirekten Figurenrede greift, Gesagtes nicht zitiert wie bei der • direkte Figurenrede (zitierte Figurenrede), sondern referiert, hat er grundsätzlich auch die Möglichkeit, sich nicht genau an den Wortlaut zu halten, sondern Gesagtes zusammenfassend zu verkürzen oder nur das indirekt wiederzugeben, was ihm wichtig erscheint. (vgl. Vogt 1990, S.150) Von ihrer Wirkung her gesehen, "(bewirkt) die grammatische Verschiebung in den Konjunktiv und die Dritte Person (...) eine Distanzierung des Erzählers wie der Leser von der Person und ihrer Rede." (ebd., S.151) In Bernhard Schlinks Roman wird die indirekte Rede in bestimmten Textabschnitten mehr oder weniger durchgehend verwendet. Dies betrifft z.B. die indirekte Wiedergabe des Gesprächs von Michael und dem Briefmarkenhändler durch das erzählende Ich, mit dem sich das erlebende Ich Geld für den Fahrradtour mit Hanna durch den Odenwald in den Osterferien beschafft. (• I,11 - »S.52) oder den zweiten Teil des Gesprächs von Michael mit dem Vorsitzenden Richter in Hannas Prozess (• II,16 »S.154). Köster (2000, S.75) vermutet, dass die indirekte Wiedergabe dieser Gespräche, damit zu tun habe, dass sie "ihren Zweck nicht in sich selber haben" und der Erzähler deshalb mit ihrem bloßen Referieren Abstand von ihnen halte. Wie dem auch sei, in beiden Fällen, besteht für ihn jedenfalls kein Anlass, den genauen Wortlaut dieser Gespräche im dramatischen Modus einer szenischen Darstellung wiederzugeben. Besonders wirkungsvoll ist die Verwendung der indirekten Rede beim • Verhör der angeklagten Frauen durch den Vorsitzenden Richter (• II, 9 - »S.119-124),


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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 06.06.2024

 
 

 
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