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(Am Sterbebett seines
Onkels
Gotthold macht sich
Thomas Buddenbrook Gedanken über dessen Leben.)
»Du hast es nicht sehr gut gehabt, Onkel Gotthold«, dachte er. »Du
hast es zu spät gelernt , Zugeständnisse zu machen, Rücksicht zu nehmen
... Aber das ist nötig... Wenn ich wäre wie du, hätte ich vor Jahr und
Tag bereits einen Laden geheiratet... Die dehors wahren!... Wolltest du es
überhaupt anders, als du es gehabt hast? Obgleich du trotzig warst und
wohl glaubtest, dieser Trotz sei etwas Idealistisches, besaß dein Geist
wenig Schwungkraft, wenig Phantasie, wenig von dem Idealismus, der
jemanden befähigt, mit einem stillen Enthusiasmus, süßer,
beglückender, befriedigender als eine heimliche Liebe, irgend ein
abstraktes Gut, einen alten Namen, ein Firmenschild zu hegen, zu pflegen,
zu verteidigen, zu Ehren und Macht und Glanz zu bringen. Der Sinn für
Poesie ging dir ab, obgleich du so tapfer warst, trotz dem Befehl deines
Vaters zu lieben und zu heiraten, Du besaßest auch keinen Ehrgeiz, Onkel
Gotthold. Freilich, der Name ist bloß ein Bürgername [...] Dachtest du:
Ich heirate die Stüwing, die ich liebe, schere und schere mich um keine
praktischen Rücksichten, denn sie sind Kleinkram [...] Wusstest du nicht,
dass man auch in einer kleinen Stadt ein großer Mann sein kann? Dass man
ein Cäsar sein kann an einem mäßigen Handelsplatz an der Ostsee?
Freilich, dazu gehört ein wenig Phantasie, ein wenig Idealismus ... und
den besaßest du nicht, was du auch von dir selbst gedacht haben magst.«
(V,4 - S.275f.)
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