Die Wirkung der • "Verhaftung"
auf Josef K. und dessen Reaktionen darauf
im 1. Kapitel des Romans • "Der
Prozess" von
•
Franz Kafkas lassen sich mit Hilfe des folgenden •
Strukturbildes visualisieren.

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Die Verhaltensweisen und Reaktionen K.s schwanken zwischen
zwei Polen. Der eine ist geprägt von seiner Unsicherheit und Verunsicherung
und einer Tendenz zur Unterwerfung, der andere zeichnet sich aus durch
Selbstgewissheit und Selbstsicherheit, Selbstinszenierung und ansatzweiser
Auflehnung gegen die Verhaftung und damit gegen das Eindringen des
Unerklärlichen die Privatsphäre von Josef K.
Was sich am Morgen seines 30.
Geburtstages ereignet, passt jedenfalls nicht in das K. verfügbare
Repertoire von Wissens- und Handlungsschemata, die er im Laufe seines Lebens
gelernt hat. In seinem Falle versagen solche Schemata, die im Allgemeinen
die Aufgabe haben, Komplexität zu verringern, Vorstellungen Festigkeit und
Dauer zu geben und ein rasches Reagieren zu ermöglichen (vgl.
Schmidt
1992, S.119). Am Morgen seines 30. Geburtstag versagt das
Ereignisschema "Frühstück in der Pension an einem Arbeitstag", dem Josef K.
ansonsten stets folgen und "vertrauen" kann.
Um mit der Irritation
zurechtzukommen, die bei Josef K. zu Einschränkungen seiner
Wahrnehmungsfähigkeit führt (er erkennt seine drei Bankkollegen lange nicht;
er weiß nicht genau, ob der Nebenraum größer ist als sonst; hat kein
Zeitgefühl ...) und die auch letzten Endes seine Fähigkeit zur Kontrolle des
eigenen Bewusstseins herabsetzt, greift er auf herkömmliche
Bewältigungskonzepte zurück, mit denen er das Unerklärliche fassen und auf
dem Wege der Assimilation (= Anpassung der Umweltgegebenheiten an die
vorhandenen Schemata) an vorhandene Wissens- und Handlungsschemata anpassen
will.
Und obwohl er dabei deutlich scheitert, ist so gut wie keine
Bereitschaft oder Tendenz zur Akkomodation herauszulesen, die eine Anpassung
seiner Schemata an die Umwelt und deren neue, fremdartige
Herausforderungen beinhalten würde. (•
Schematheorie)
Aus der gegenseitigen Überlagerung dreier Ereignisschemata "Frühstück in der
Pension an einem Arbeitstag ", "Spaß seiner Kollegen zu seinem 30.
Geburtstag" und "Verhaftung im normalen Rechtsstaat", die Josef K. immer
wieder abwechselnd zur Situationsdeutung heranzieht, entsteht seine
grundsätzlich ambivalente Haltung. Die im Umgang mit diesen Schemata
sichtbare fehlende Ich-Stärke K.s lässt den von Peter
Beicken (21999, S.47) betonten Eindruck einer scheinhaft
überangepassten Existenz entstehen.