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• KI: Welche
Interpretationsansätze gibt es für Franz Kafkas Text "Das Urteil"?
Statt den • eingeschränkten Deutungspfaden
stereotyper Interpretationsansätze, wie sie auf entsprechende •Prompts
auch von KI immer wieder als Antworte geliefert werden, zu folgen,
die stets an bestimmten in den Texten nachweisbaren Aspekten ansetzen,
um dann einer bestimmten Interpretation in Abgrenzung von anderen
Geltung zu verschaffen, kann man nach
Engel (2010,
S.414, 434f.) auch anders vorgehen, um das Vorhandensein, das Verhältnis
und das Zusammenspiel der unterschiedlichen Codes, die solchen
Textelemente zugrunde liegen, für eine textnahe Interpretation zu
nutzen, die von der Aufgabe entlastet ist, eine einzige zentralen
Interpretationshypothese zu verifizieren, die Geltung für den gesamten
Text beanspruchen kann. Dieser von Engel als historisch-hermeneutisch
bezeichnete Ansatz kann seiner Auffassung nach zumindest als
gleichberechtigte und ergänzende Alternative zu den aktualisierenden
Interpretationen verstanden werden, die immer wieder mehr oder weniger
stereotyp auf die Einzeltexte angewendet werden.
Engels Lektüremodell
verzichtet dabei darauf, einem der stereotypen Interpretationsansätze
zu folgen.
Stattdessen will er an Einzeltexten auf der Textoberfläche zeigen,
welche Textelemente auf – er bezeichnet sie als Codes –
Möglichkeiten zur Deutung bieten und in welchem Verhältnis die Codes
zueinander stehen, ehe diese Elemente auf ihre Bedeutung hin
festgelegt werden.
Engel unterscheidet sechs solcher Codes, die
in den einzelnen Texten in verschiedener Weise z. b. als dominierend
oder nicht, auftreten können:

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Statt also einen dieser Codes, so wie es die gängigen
Interpretationsansätze zu tun pflegen, zu einer Art "Supercode" zu
erklären, geht es in Engels Lektüremodell darum, die auf der
Textoberfläche erkennbaren Hierarchien der in einem Text vorhandenen
Codes zu erfassen, Dominanzen zu beschreiben und davon ausgehend
Entscheidungen darüber zu treffen, "wie die textspezifischen Codes
und ihre textspezifische Relation im Einzelnen zu deuten ist."
(ebd.,
S.426)
Am Beispiel von Franz Kafkas
Erzählung • "Das Urteil (1913)"
hat Engel
(ebd.,
S.425f.) sein Modell verdeutlicht, das am Ende zu der
Erkenntnis führt, dass diese Erzählung (...) ganz offensichtlich
einen Machtkampf (behandelt), der primär familiär und sekundär
sozial codiert ist." Statt mit einem metaphorischen Analogieschluss,
der die Bedeutung textextern konstruiert, orientiert sich diese
Deutung weiter an der Textoberfläche, in dem sie das ›Bild‹, das der
Text entwirft, als "absolute Metonymie" real nimmt und einfach als (Bild-)Einfall
verallgemeinert.
Im Urteil dominieren nach Engels Analyse der
biografische/individualpsychologische und der gesellschaftliche
Code, und zwar
-
durch die zur
Darstellung gebrachten "Liebes-, Trieb- und Machtaspekte", die sich
in der Vater-Sohn-Beziehung, den familialen Beziehungen und der
Beziehung zur Braut niederschlagen,
(biografisch/individualpsychologisch)
-
durch die
dargestellte Geschäftswelt und die zur Anschauung gebrachten
familialen Regeln und Strukturen, die sozial verankert und
determiniert sind (gesellschaftlicher Code)
Elemente eines
religiösen Codes seien hingegen, ebenso wie solche, die man zu dem
hermeneutischen Code oder auch dem jüdischen Code zählen könne, kaum
vorhanden, würden weder thematisiert noch problematisiert oder ließen
sich nicht als eindeutiges Code-Signal identifizieren.
(ebd.,
S.425f.)
Die Analyse der Codes führt so zu einem textnahen und Rahmen für die
Interpretation, die allerdings noch die Frage zu klären habe, "wie genau
die Relation zwischen den Sphären Familie, Sexualität, Macht,
Geschäftswelt und Ethik zu denken wäre."
(ebd.,
S.426)
Und
natürlich, das muss auch Engel einräumen, beginnt spätestens an dieser
Stelle der wohlbekannte "Interpretenstreit", denn schließlich
konstruiert jeder Interpret die dem Text zugeschriebene Bedeutung auf
der Basis seiner eigenen Sicht auf die textspezifischen Codes und ihrer
Beziehungen zueinander.
Nichtsdestotrotz, statt einem Lektüre- und Interpretationsmodell mit
maßgeblich
wissensgeleiteter •
Top-Down-Verarbeitung bei der •
Sinnkonstruktion zu folgen, bei der man schon vor jeder
Interpretation darüber Bescheid weiß, "worauf der Text hinausläuft,
hinauslaufen muss"
(ebd.,
S.424) ist im Ansatz Engels die •
Text-Leser-Interaktion, weiter
kognitionspsychologisch gesprochen, auf dem Weg zu einem
Situationsmodell des Textes (in der Textlinguistik spricht man
hier vom
Textweltmodell). zumindest länger von einer •
Bottom-Up-Verarbeitung geprägt, die der Textoberfläche, ohne sich in
Formanalysen der werkimmanenten Interpretation zu versteigen, Gewicht
gibt.
• KI: Welche
Interpretationsansätze gibt es für Franz Kafkas Text "Das Urteil"?
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
18.01.2025