Zahlreiche Texte ▪
Franz Kafkas, die heute schulmäßig als ▪
Parabeln aufgefasst werden, gehen in
ihrer Fassung vor
allem auf die Art und Weise zurück, mit der
Max Brod
(1884-1968) nach dem Tod
seines Freundes Anfang der 1930er Jahre, auch kürzere, meist als
Fragment vorliegende Texte aus dem Nachlass veröffentlicht hat.
Dabei "bevorzugte er zunächst abgeschlossene oder zumindest den
Anschein der Geschlossenheit bietende Texte, die er mit eigenen
Titeln versah und auf diese Weise kanonisierte." (Stach
2011/42015, S.532). Auf diese Weise fanden sie auch
Eingang in zahlreiche Schulbücher und damit in den
Literaturunterricht an der Schule.
Diese Editionspraxis betraf z. B. die Aufzeichnungen, die Franz
Kafka während seines Aufenthalts in Zürau gemacht hat, aber auch die
Blätter, die aus dem Jahr 1920 stammen, die er beim Extrahieren "zum
Leidwesen späterer Editoren kräftig durcheinander warf und mit
eigenen Kritzeleien versah." (ebd.)
Kafkas ▪
Parabeln sind •
moderne Parabeln. Sie
hinterfragen die Wirklichkeit und rücken die Lage des "modernen"
Menschen ins Licht und zeigen unter •
existenzialistischer Perspektive betrachtet, seine "kosmologische Obdachlosigkeit" (Yun
Mi Kim 2012, S.22)
Die Menschen, die sie
als Figuren zeigen, sind zwar
auf der Suche nach einem Weg, der ihrem Leben, ihrem Denken, Fühlen
und Handeln, Sinn geben könnte, finden ihn aber letztlich nicht und
bleiben damit existenziell orientierungslos. Ihr Dasein hat den
(religiösen) Transzendenzbezug aufgegeben, kann ihn aber nicht
ersetzen.
-
Dabei zeichnen
moderne Parabeln oft Menschen, "die sich auf dem
Weg zu dem nicht vorhandenen bzw. nicht erreichbaren Absoluten
verirren." (ebd.,
S.20)
-
Was sie
thematisieren, steht in keinem religiösen Transzendenzbezug mehr
und der Totalitäts- und
Wahrheitsanspruch der •
traditionellen Parabel
hat sich verflüchtigt.
-
Dementsprechend wird auch das von der traditionellen Parabel
gegebene "Sinnversprechen" aufgegeben.
-
Stattdessen bildet
die moderne Parabel die
Suche des Menschen nach Erkenntnis seiner selbst und der Welt ab.
-
Sie
legt den Finger auf die Probleme zu einer in der Welt verwertbaren
Erkenntnis zu gelangen, indem sie das "Unterwegssein" thematisiert,
das "von Skepsis und Orientierungslosigkeit begleitet" ist. (ebd.)
-
Am Ende steht kein in sich geschlossenes, konsistentes Weltbild,
sondern eine von Tradition und Ideologie geprägte Welt in Auslösung
und Widersprüchen.

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
26.01.2025