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Der Kreisel

Text

Franz Kafka (1883 - 1924)

 
FAChbereich Deutsch
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Franz Kafka, Der Kreisel

Ein Philosoph trieb sich immer dort herum, wo Kinder spielten. Und sah er einen Jungen, der einen Kreisel hatte, so lauerte er schon. Kaum war der Kreisel in Drehung, verfolgte ihn der Philosoph, um ihn zu fangen. Dass die Kinder lärmten und ihn von ihrem Spielzeug abzuhalten suchten, kümmerte ihn nicht, hatte er den Kreisel, solange er sich noch drehte, gefangen, war er glücklich, aber nur einen Augenblick, dann warf er ihn zu Boden und ging fort. Er glaubte nämlich, die Erkenntnis jeder Kleinigkeit, also zum Beispiel auch eines sich drehenden Kreisels genüge zur Erkenntnis des Allgemeinen. Darum beschäftigte er sich nicht mit den großen Problemen, das schien ihm unökonomisch, war die kleinste Kleinigkeit wirklich erkannt, dann war alles erkannt, deshalb beschäftigte er sich nur mit dem sich drehenden Kreisel. Und immer, wenn die Vorbereitungen zum Drehen des Kreisels gemacht wurden, hatte er Hoffnung, nun werde es gelingen, und drehte sich der Kreisel, wurde ihm im atemlosen Laufen nach ihm die Hoffnung zur Gewissheit, hielt er aber dann das dumme Holzstück in der Hand, wurde ihm übel und das Geschrei der Kinder, das er bisher nicht gehört hatte und das ihm jetzt plötzlich in die Ohren fuhr, jagte ihn fort, er taumelte wie ein Kreisel unter einer ungeschickten Peitsche.

(Franz Kafka, Sämtliche Erzählungen, hg. v. Paul Raabe, Fischer Taschenbuch 1078, Frankfurt/M. 1970, S.367)
 

*Der Kreisel ist um 1920 entstanden und wurde von Max Brod, dem Freund und Herausgeber der Werke Kafkas, nach dem Tode Kafkas mit diesem Titel versehen.

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 12.10.2024

     

   Arbeitsanregung -
Textinterpretation)

   Interpretieren Sie den Text.

  1. Geben Sie den Inhalt des Textes wieder.

  2. Analysieren Sie den Text.
    Beantworten Sie im Zusammenhang Ihrer Interpretation die folgenden Fragen:

    • Worin besteht das Motiv des Philosophen, sich mit dem Kreisel zu beschäftigen?

    • Wie geht er dabei vor?

    • Warum spricht er am Ende von einem "dummen Holzstück"?

    • Wie verstehen Sie den letzten Satz?

    • Welche Erzählperspektive enthält der Text?

    • Wie unterstützen sprachliche Mittel der Wortwahl (Semantik) und des Satzbaus (Syntax) die Aussageabsicht des Textes?

    • Worin sehen Sie die Gesamtaussage des Textes und wie beurteilen Sie diese?

 

 

 

 
 

 
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