»Nora (Ein Puppenheim)«, das Schauspiel in drei Akten, ist das erfolgreichste
Stück des norwegischen Dramatikers
Henrik
Ibsens.
Neben unzähligen
Aufführungen in den Theatern der Welt gehört es auch zu den Stücken, die in
vielen Literaturverfilmungen einem Millionenpublikum präsentiert wurden.
Einzelne Kritiker haben allerdings wenig Verständnis dafür, wenn das Drama
heutzutage zur Aufführung kommt, weil sie ihm attestieren, es sei lediglich
"eine Reminiszens an eine bürgerliche Welt von vorgestern", die "nicht auf
die gesellschaftliche Klangebene zu transportieren" sei, "die heute gilt"
(Martin Timm über eine Aufführung am Hamburger Thalia-Theater 2003,
www.culureglobe.org, 08.04.2004). Dessen ungeachtet
Die ersten Aufzeichnungen zum Stück gehen auf das Jahr 1878 zurück, in
dem Ibsen mit seiner Familie in Rom lebte. Während die ursprüngliche
Konzeption des Stückes noch auf die Gestaltung einer Tragödie hinauslief,
die mit der Selbsttötung Noras am Ende eine ihr gemäße Katastrophe gefunden
hätte, kappt Ibsen in der Endfassung diesen tragischen Schluss und lässt
Nora "einfach" gehen. Am 3. August 1879 schließt Ibsen seine Arbeiten an dem
Drama ab.
»Nora« wird am 21. Dezember 1879 in Kopenhagen uraufgeführt. Das
Tarantella-Kostüm, das »Betty Hennings
(1850-1939) als Nora getragen hat, ist noch heute
im »Kopenhagener Theatermuseum zu sehen.
Ein Drama für die Guckkastenbühne
Nora (Ein Puppenheim)
ist als Drama für die so genannte
Guckkastenbühne
konzipiert. Sein realistisches Illusionstheater beruht damit
auf der vollständigen Trennung von Publikum und Bühne.
Die hell
erleuchtete Guckkastenbühne mit ihrem Rahmen und ihrer Rampe davor,
die die Bühne vom dunklen Zuschauerraum abtrennt, ist mit
Bühnenbild, Kostümen, Requisiten, dem Schauspielstil und der Sprache
auf eine möglichst getreue Wirklichkeitsnachahmung aus. In diesem
Drama gibt es keine direkte Wendung an das Publikum. (vgl.
Pfister 1977, S. 45)
Dieses Werk ([Uraufführung Kopenhagen( 1879), von
unbekannt), das durch
Gert Egle gekennzeichnet wurde, unterliegt keinen bekannten urheberrechtlichen Beschränkungen.
Henrik Ibsens Spätwerk, zu dem auch »Nora« gehört, zeichnet
sich durch eine bis dahin nicht gekannte "Balance zwischen Sozialgeschichte
und Seelengeschichte, gesellschaftlichem und psychologischem Realismus" aus.
(Paul
1977, S. 512) Aus dieser kunstvoll praktizierten Balance, die
"das Hintergründige im Vordergründigen sichtbar" macht, resultierte nicht
zuletzt der Erfolg Ibsens in den siebziger und achtziger Jahren des 19.
Jahrhunderts, in denen er dem Publikum seiner Gesellschaftsstücke "im
Schockerlebnis neue Identifizierungsmöglichkeiten anbot und damit auch
Erkenntnisprozesse einleitete." (ebd.)
"Mit der Forderung nach persönlicher Moral, die über der verlogenen
Gesellschaftsmoral steht, formulierte Ibsen in diesem analytischen Drama
eine allgemeingültige Maxime der Emanzipation." (Harenbergs Lexikon der
Weltliteratur, Dortmund:1989, Bd. 4, S.2152)
Schon Mitte des 20. Jahrhunderts notiert Erwin Laaths in seiner
»Geschichte der Weltliteratur«, dass zu diesem Zeitpunkt das
"Oberflächenthema der Emanzipation" nicht mehr sonderlich interessieren
könne, "aber die Unzulänglichkeit des durchschnittlichen Menschen, für den
die Liebe eine rettende Tat wagt über sein Verstehen, über seinen
beschränkten Instinkt hinaus: das ist durchaus ein tragischer, 'ewig'-menschlicher
Konflikt." (Laaths
1953, S. 648)
»Nora« ist dabei mit seiner "Ausweitung ins Psychologisch-Individuelle
und zugleich Symbolisch-Allgemeingültige" kein rein naturalistischer
Ästhetik verpflichtetes Stück. Das Drama selbst stellt nicht nur ein
"Paradestück der Frauenrechtlerinnen" und Nora als Figur eine "Sufragette
vom Dienst" dar. Denn wie Fritz Paul (1977) betont, findet sich hinter der
Emanzipationsthematik "eine weitere, ungemein komplizierte sensitive
Schicht, die das Lebensproblem Noras kennzeichnet [...] letztlich das
existentielle Problem fast aller Menschen in Ibsens späten Stücken: Ihr
Schauplatz, der bürgerliche Plüschsalon wird unvermutet so zur
psychologischen Weltbühne, zur Arena für subtile Seelendramen." (Paul
1977, S. 512) Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
04.03.2024
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