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Johann, der muntre
Seifensieder, |
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Erlernte viele schöne
Lieder, |
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Und sang, mit
unbesorgtem Sinn, |
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Vom Morgen bis zum
Abend hin. |
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Sein Tagwerk konnt
ihm Nahrung bringen: |
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Und wann er aß, so
musst er singen; |
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Und wann er sang, so
wars mit Lust, |
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Aus vollem Hals und
freier Brust |
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Beim Morgenbrot, beim
Abendessen |
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Blieb Ton und Triller
unvergessen; |
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Der schallte recht;
und seine Kraft |
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Durchdrang die halbe
Nachbarschaft. |
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Man horcht; man
fragt: Wer singt schon wieder? |
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Wer ists? Der muntre
Seifensieder. |
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Im
Lesen war er anfangs schwach; |
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Er las nichts, als
den Almanach, |
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Doch lernt' er auch
nach Jahren beten, |
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Die Ordnung nicht zu
übertreten, |
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Und schlief, dem
Nachbar gleich zu sein, |
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Oft singend, öfter
lesend, ein |
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Er schien fast
glücklicher zu preisen, |
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Als die berufnen
sieben Weisen, |
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Als manches Haupt
gelehrter Welt, |
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Das sich schon für
den achten hält. |
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25 |
Es
wohnte diesem in der Nähe |
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Ein Sprössling
eigennützger Ehe, |
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Der, stolz und steif
und bürgerlich, |
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Im Schmausen keinem
Fürsten wich: |
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Ein Garkoch
richtender Verwandten, |
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Der Schwäger,
Vettern, Nichten, Tanten, |
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Der stets zu halben
Nächten fraß, |
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Und seiner Wechsel
oft vergaß. |
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Kaum
hatte mit den Morgenstunden |
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Sein erster Schlaf
sich eingefunden; |
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So ließ ihm den
Genuss der Ruh |
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Der nahe Sänger
nimmer zu. |
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Zum Henker! lärmst du
dort schon wieder, |
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Vermaledeiter
Seifensieder? |
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Ach wäre doch, zu
meinem Heil, |
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Der Schlaf hier, wie
die Austern, feil! |
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Den
Sänger, den er früh vernommen, |
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Lässt er an einem
Morgen kommen, |
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Und spricht: Mein
lustiger Johann! |
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Wie geht es euch? Wie
fangt ihrs an? |
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Es rühmt ein jeder
eure Ware: |
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Sagt, wie viel bringt
sie euch im Jahre? |
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Im
Jahre, Herr? mir fällt nicht bei,
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Wie groß im Jahr mein
Vorteil sei. |
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So rechn' ich nicht;
ein Tag bescheret, |
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Was der, so auf ihn
kömmt, verzehret |
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Das folgt im Jahr
(ich weiß die Zahl) |
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Dreihundertfünfundsechzig mal. |
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Ganz
recht; Doch könnt ihr mirs nicht sagen, |
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Was pflegt ein Tag
wohl einzutragen? |
55 |
Mein
Herr, ihr forschet allzusehr: |
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Der eine wenig,
mancher mehr; |
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So wies dann fällt:
Mich zwingt zur Klage |
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Nichts, als die
vielen Feiertage; |
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Und wer sie alle rot
gefärbt, |
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Der hatte wohl, wie
ihr, geerbt, |
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Dem war die Arbeit
sehr zuwider; |
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Das war gewiss kein
Seifensieder |
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Dies
schien den Reichen zu erfreun, |
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Hans, spricht er, du
sollst glücklich sein |
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65 |
Itzt bist du nur ein
schlechter Prahler, |
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Da hast du bare
fünfzig Taler, |
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Nur unterlasse den
Gesang, |
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Das Geld hat einen
bessern Klang. |
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Er
dankt, und schleicht mit scheuchem Blicke, |
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Mit mehr als
diebscher Furcht zurücke. |
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Er herzt den Beutel,
den er hält, |
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Und zählt, und wägt,
und schwenkt das Geld, |
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Das Geld, den
Ursprung seiner Freude, |
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Und seiner Augen neue
Weide. |
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75 |
Es
wird mit stummer Lust beschaut, |
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Und einem Kasten
anvertraut, |
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Den Band und starke
Schlösser hüten, |
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Beim Einbruch Dieben
Trotz zu bieten, |
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Den auch der karge
Tor bei Nacht |
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Aus banger Vorsicht
selbst bewacht. |
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So bald sich nur der
Haushund reget, |
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So bald der Kater
sich beweget, |
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Durchsucht er alles,
bis er glaubt, |
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Dass ihn kein frecher
Dieb beraubt, |
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Bis, oft gestoßen,
oft geschmissen, |
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Sich endlich beide
packen müssen: |
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Sein Mops, der keine
Kunst vergaß, |
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Und wedelnd bei dem
Kessel saß: |
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Sein Hinz, der
Liebling junger Katzen; |
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So glatt von Fell, so
weich von Tatzen. |
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Er
lernt zuletzt, je mehr er spart, |
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Wie oft sich Sorg und
Reichtum paart, |
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Und manches Zärtlings
dunkle Freuden |
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Ihn ewig von der
Freiheit scheiden, |
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Die nur in reine
Selen strahlt, |
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Und deren Glück kein
Gold bezahlt. |
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Dem
Nachbar, den er stets gewecket, |
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Bis der das Geld ihm
zugestecket, |
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Dem stellt er bald,
aus Lust zu Ruh, |
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Den vollen Beutel
wieder zu, |
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Und spricht: Herr,
lehrt mich bessre Sachen, |
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Als, statt des
Singens, Geld bewachen. |
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Nehmt immer euren
Beutel hin, |
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Und lasst mir meinen
frohen Sinn! |
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Fahrt fort, mich
heimlich zu beneiden, |
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Ich tausche nicht mit
euren Freuden. |
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Der Himmel hat mich
recht geliebt, |
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Der mir die Stimme
wieder gibt. |
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Was ich gewesen, werd
ich wieder: |
110 |
Johann, der muntre
Seifensieder |
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