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Methodenrepertoire zur
szenischen Erarbeitung von Dramentexten
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Expositionsanalyse
als produktive Textarbeit
Auf einem Platz in Brüssel unterhalten sich Jetter und der
Zimmermeister über die jüngsten Unruhen in Flandern, die mit
Plünderungen in Kirchen die politische Lage erneut zugespitzt haben.
Beide distanzieren sich klar von diesen Ereignissen. Zugleich beklagen
sie, dass dadurch wohl ihre Hoffnung, auf dem Verhandlungsweg mit der
Regentin voranzukommen, durchkreuzt worden sei. In der aktuellen
Situation fürchten sie daher mit den Aufwieglern, dem Pack, das nichts
zu verlieren habe, wie der Zimmermeister sagt, in einen Topf geworfen
zu werden.
Als Soest hinzukommt und von dem Gerücht berichtet, die
Regentin wolle die Stadt angesichts eines auf die Stadt zurückenden
Haufens von Bilderstürmern verlassen, schwant dem Zimmermeister
Schlimmes. Aus diesem Grund setzt er sich dafür ein, die Regentin beim
Verlassen der Stadt zu hindern. Als Seifensieder hinzukommt und die
anderen dringend mahnt, Ruhe zu bewahren, erntet er zunächst den Spott
von Soest, was ihn veranlasst, mit möglichen Denunziationen zu drohen.
Als treuer Untertan, aufrichtiger Katholik zudem, wisse er wohl, dass
viele heimlich mit den Calvinisten sympathisierten und es an der
nötigen Treue gegenüber dem König fehlen ließen.
Als der ehemalige
Schreiber Vansen sich zu den anderen gesellen will, trifft er zunächst
auf deutliche Ablehnung. Der Zimmermeister erklärt ihn zu einem rundum
schlechten Kerl und Säufer, auf den man unter keinen Umständen hören
dürfe. Doch Vansen lässt sich nicht vertreiben und ausgrenzen.
Stattdessen bringt der die Sache schnell auf den Punkt und behauptet,
dass nun die Situation gekommen sei, um die spanische Herrschaft ein
für alle Mal abzuschütteln. Soests Einwand, man habe dem König die
Treue geschworen, wird von Vansen mit der Behauptung begegnet, dass es
sich um ein gegenseitiges Treueverhältnis handle. Damit zieht er die
Umstehenden auf seine Seite, die nun wissen wollen, was er weiter zu
sagen hat.
Vansen berichtet ihnen, dass er, bei einem seiner früheren
Patrone, Einsicht in Dokumente habe nehmen können, in denen die
Verfassung der Niederlande mit ihren Rechten, Privilegien und
Gewohnheiten dokumentiert seien. Insbesondere das Mitspracherecht des
Volkes in einer landständischen Verfassung weist er dabei als
Kernstück dieser Dokumente aus. Der Versuch des Zimmermeisters, Vansen
unter dem Hinweis darauf, dass man solche Einzelheiten doch gar nicht
nötige, am Wort zu hindern, wird von der immer größer werdenden
Menschenmenge abgeschmettert. Man solle ihn weiterreden lassen,
fordern daher auch Jetter und Soest mit allen anderen. Vansen findet
erst einmal in seiner Kritik am Bürgertum klare Worte. Er hält ihm,
unbeirrt von einigen Einwürfen, vor, das ihm von der Verfassung her
Zustehende nicht wahrgenommen und ihren wirtschaftlichen Interessen
und Aktivitäten klaren Vorrang eingeräumt zu haben.
Von der Woge des
Interesses der Umstehenden fortgetragen, behauptet Vansen, der
spanische König dürfe nur solche von der Verfassung verbrieften Rechte
und Privilegien für sich reklamieren, wie sie auch den
niederländischen Fürsten zustünden. Dessen ungeachtet seien die Rechte
des niederländischen Volkes in höchster Gefahr und dies sei auch der
Grund, weshalb man sich jetzt ihrer erinnern müsse. Auf die
Aufforderung der Menge, ihr diese Rechte und Privilegien im Detail zu
erklären, zitiert Vansen zumindest sinngemäß, was er beim Sichten der
Verfassungsdokumente gelesen haben will. Im Vordergrund stehen dabei
Aussagen, die die Gegenseitigkeit des Treuverhältnisses von Land/Volk
und Fürst und das davon abgeleite Verbot von Willkürherrschaft
betreffen. Insbesondere, so steigert sich Vansen von der Begeisterung
getragen hinein, seien Maßnahmen des Landesherrn zur Verbesserung der
finanziellen Lage des geistlichen Standes, sowie die willkürliche
Erhöhung seiner Mitglieder verfassungsmäßig Tabu. Als Soest, etwas
misstrauisch nachfragt, ob das so in den Dokumenten stehe, versichert
ihm Vansen, dass er den Nachweis dafür jederzeit in den zwei- bis
dreihundert Jahre alten Dokumenten antreten könne.
Die Begeisterung
des Volkes ist nun auf ihrem Höhepunkt angelangt. Es macht sich mit
verschiedenen Ausführungen Luft, setzt alle Hoffnung auf Egmont und
Oranien und es hat den Anschein, als wolle es lieber heute als morgen
zur Aktion schreiten. Als Vansen den Umstehen mitteilt, dass sie sich
mit den Aufständischen in Flandern verbrüdern sollten, erntet er unter
den Umstehenden keinen Widerspruch, nur Seifensieder ist es endgültig
zu viel. Er schlägt auf Vansen ein, dem die Umstehenden jedoch zu
Hilfe kommen. Die ursprüngliche Ablehnung Vansens hat sich endgültig
gedreht. Statt Säufer und Tagenichts betiteln ihn die Leute, die ihn
gegen Seifensieder in Schutz nehmen, nun als Gehrten und Ehrenmann.
Doch der Tumult geht unter Parolen, die Freiheit und Privilegien
fordern, weiter, bis Egmont mit seinem Gefolge auftritt. Dieser
fordert die Leute auf, Ruhe zu geben, wodurch sich der Tumult schnell
legt. Egmont tadelt das tumultartige Treiben und verurteilt die
Auseinandersetzung unter den Bürgern. Als er vom Zimmermeister den
Grund erfährt, ermahnt er die Anwesenden, ihre vielbeschworenen
Privilegien nicht durch so unbedachte Aktionen aufs Spiel zu setzen.
Den Zimmermeister, Soest und Jetter spricht Egmont mit Interesse an
ihrer Person an, im Falle des Schneidermeisters Jetter erinnert er
sich sogar noch an dessen Mithilfe bei der Herstellung der neuen
Livreen. In ihnen sieht Egmont gemäßigte und verständige Personen,
denen er weitere Ratschläge“ gibt.
Er fordert sie auf, jede weitere
Eskalation zu vermeiden und sich wie bisher um ihre wirtschaftlichen
Interessen zu kümmern. Für den Zimmermeister ergibt sich indessen noch
einmal Gelegenheit, sein politisches Credo an höchster Stelle
loszuwerden. Mit Tagedieben, Säufern und Faulenzern werde man auch
weiterhin keine gemeinsame Sache machen und sich gegen Aufrührereien
der bekannten Art als Bürgerschaft gemeinsam zur Wehr setzen. Egmont
verspricht ihnen dabei Unterstützung und weist daraufhin, dass schon
drastische Gegenmaßnahmen gegen die Aufrührer ergriffen worden seien.
Zugleich fordert er sie auf, sich vom calvinistischen Gedankengut
fernzuhalten, am besten überhaupt, einfach zu Hause zu bleiben. Als
Egmont mit seinem Gefolge weiterzieht, lässt er den Zimmermeister,
Jetter und Soest tief beeindruckt zurück. Jetter, der sich Egmont zum
Regenten wünscht, bemerkt aber auch, dass dieser sich zwar sehr
modern, aber nach neuestem spanischen Schnitt gekleidet habe. Zugleich
bringt er eine Ahnung zum Ausdruck, wonach Egmont künftig auch ein
Fall für den (spanischen) Scharfrichter werden könne. Die Entrüstung,
die der damit bei Soest hervorruft, bringt ihn dennoch nicht von
solchen Gedanken weg. Unentwegt, so betont er, kämen ihm Bilder von
Exekutionen, sehe er Auspeitschungen vor sich, die ihm Schlaf und
Lebensfreude raubten.
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Methodenrepertoire zur
szenischen Erarbeitung von Dramentexten
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Expositionsanalyse
als produktive Textarbeit
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
29.01.2024