In ihrem Palast lässt die Regentin
•
Margarete von Parma
die Vorbereitungen für eine Jagd kurzerhand abbrechen und ihr Gefolge
zieht sich zurück. Allein zurückgeblieben, bringt sie in einem kurzen
Monolog zum Ausdruck was sie beschäftigt. Innere Bilder von den
Unruhen im Land lassen sie nicht zur Ruhe kommen. Zugleich fürchtet
sie, dass ihre nachsichtige Politik im Umgang mit ihnen, beim König
keine Zustimmung finden könnte. Zweifel kommen in ihr auf, ob ein
härterer Kurs gegen die fremden (calvinistischen) Lehrer und die den
Pöbel anstachelnden Aufrührer angesichts der weiter zunehmenden
Unruhen nicht besser gewesen wäre. In jedem Fall ist sie entschlossen,
dem König die Situation ungeschminkt zu schildern. Am Ende gesteht sie
sich ein, dass sie keine probaten Mittel mehr habe, die Entwicklung zu
steuern und somit selbst zu ihrem Spielball geworden ist.
Auf ihren Befehl hin erscheint ihr Sekretär
• Machiavell,
mit dem sie den Inhalt der Briefe an den König besprechen will.
Machiavell berichtet ihr, dass die Briefe schon so gut wie fertig
seinen. Zugleich versichert er ihr, dass er darin ein detailgenaues
und drastisches Bild der blitzschnell ganz Flandern erfassenden
Unruhen gezeichnet habe, das auch die vom Pöbel begangenen Gewalttaten
in St. Omer, in Ypern, Menin, Comines und anderen Städten
anschaulich vor Augen führe.
Als die Regentin ihren Sekretär darauf bittet, ihr seine Meinung zu
den Vorgängen und zur Situation kundzutun, ist Machiavell zunächst ein
wenig überrascht, da seine Weitsicht bisher von der Regentin nicht
sonderlich geschätzt worden sei. Aber, so fügt er selbstbewusst hinzu,
habe er das, was sich jetzt vollziehe, ja vorausgesehen.
Dennoch gibt er der Regentin den Rat, nicht weiter mit Gewalt gegen
den neuen Glauben vorzugehen, sondern ihn zu tolerieren, aber zugleich
auch in seinem Bewegungsspielraum einzuschränken. Alles andere, so
prophezeit er, sei vergeblich und führe das Land ins Chaos.
Margarete von Parma
hält dem in einer ganzen Kaskade von Fragen entgegen, dass ein
derartiger Vorschlag nur gegen den erklärten Willen des Königs
durchzuführen sei, der eine entschlossenen und erbarmungslose
Unterdrückung der ketzerischen Lehre fordere. Sie ist sich sicher,
dass sie mit einer solchen Politik das Vertrauen des Königs endgültig
verlieren würde und will von Machiavell wissen, wie er dies sehe.
Machiavell betont, sich allen dessen bewusst zu sein, warnt aber
weiter davor, den Konflikt weiter zu eskalieren. So könne man eben nur
hoffen, dass Philipp mit Hilfe eines guten Geistes zu besserer
Einsicht gelange und sich am Ende doch zur Duldung beider
Glaubensrichtung durchringe.
Der Regentin gehen diese königskritischen Worte ihres Sekretärs zu
weit und daher ruft sie ihn zur Ordnung. Zugleich zeigt sie aber auch,
dass sie in der Frage der Religionsfreiheit selbst noch keinen klaren
Standpunkt gewonnen habe. Ihre Frage, ob man gegen die eigene,
bewährte Lehre wirklich so gleichgültig sein dürfe, dass die für sie
gebrachten menschlichen Opfer im Nachhinein völlig sinnlos würden,
wühlt sie auf.
Nachdem •
Machiavell indirekt um Entschuldigung für sein wohl zu forsche
Kritik am König bittet und die Regentin ihm ihre Wertschätzung
versichert hat, kommt die Rede auf den Grafen Egmont, über den sich
die Regentin wegen eines Vorfalls am gleichen Tag immer noch ärgert.
Nach dem Kirchgang, an dem unter vielen anderen auch
• Egmont teilgenommen habe, habe sie ihn, so dass es alle
hören konnten, wegen der Unruhen in Flandern zur Rede gestellt. Egmont
habe sie daraufhin, offensichtlich wenig bekümmert, mit der Bemerkung
abgefertigt, wenn die Niederländer erst über ihre Verfassung beruhigt
wären, würde sich der Rest von alleine ergeben.
Entgegen ihrer Erwartung holt Machiavell zur Verteidigung Egmonts aus
und bescheinigt ihm, die Sachlage, wenngleich vielleicht etwas
ungeschickt, so doch im Kern getroffen zu haben. Er verweist auf die
Lasten der spanischen Herrschaft, zeigt mit dem Finger auf die neuen,
aber fremden Bischöfe, die sich nur um ihre Pfründe kümmerten und gibt
seiner Befürchtung Ausdruck, dass bald auch die Statthalter nicht mehr
niederländische Fürsten, sondern spanische Adelige sein könnten. Seine
Kritik zielt dabei auch mitten ins Herz der spanischen Herrschaft über
die Niederlande, als er in Form einer Frage gekleidet erklärt, dass es
doch völlig natürlich und normal sei, wenn ein Volk lieber von den
Seinigen als von ausländischen Mächten regiert sein wolle.
Die Regentin reagiert scharf und sagt ihm ins Gesicht, dass er sich
mit solchen Äußerungen auf die Seite ihrer Gegner stelle. So muss sich
Machiavell rechtfertigen. Für einen Moment nimmt
• Margarete von Parma
den Gedanken von der niederländischen Selbstregierung aber auf, als
sie darauf hinweist, dass sie dann wohl konsequenter Weise ihre
Regentschaft an Oranien und Egmont abtreten müsse, die sich beide in
Freundschaft gegen sie verbunden hätten.
Doch das will Machiavell nicht gelten lassen und bezeichnet die beiden
als ein gefährliches Paar.
In der Beurteilung beider macht die Regentin allerdings Unterschiede,
die mit ihrer Bemerkung, sie fürchte
• Oranien und fürchte für
• Egmont, deutlich markiert sind. Für sie ist klar, dass
Oranien nur sich nur dem Anschein nach loyal zeigt. Er sinne auf
nichts Gutes, plane die Zukunft mit Weitblick und mache am Ende stets
nur das, was er selbst wolle.
Als Machiavell einwirft, Egmont gehe dagegen einen freien Schritt und
verhalte sich geradeso, als ob ihm die Welt gehöre, stimmt ihm die
Regentin zu, fügt aber auch hinzu, dass er, wenn er das Haupt so hoch
trage, wohl verkenne, dass auch er nur von der Gunst des Königs
abhänge.
Nachdem Machiavell weiter erwähnt, dass Egmont der Günstling des
Volkes sei, führt die Regentin ihren Gedanken fort. Sie fragt sich, ob
nicht allein das Führen der Bezeichnung Graf Egmont, statt des Titels
Prinz von Gaure, signalisiere, dass Egmont in Wahrheit zu alten,
verloschenen Rechtszuständen zurückkehren wolle.
Doch Machiavell sieht darin keine Gefahr, sondern zeigt sich überzeugt
davon, dass Egmont ein treuer Diener des Königs ist.
Margarete von Parma,
die wohl weiß, wie hilfreich ihr ein Mann wie Egmont sein könnte,
erinnert dann daran, dass dieser ihre Geduld schon häufiger auf die
Probe gestellt habe. Insbesondere bei verschiedenen öffentlichen
Gesellschaften habe er sich im Bunde mit anderen niederländischen
Adeligen äußerst provokativ aufgeführt. Außerdem: Solche
Veranstaltungen, so fährt sie fort, würden den Zusammenhalt dieser
niederländischen Fürsten mehr befördern als heimliche Zusammenkünfte.
Auch der Einwand Machiavells, dass solche Aktionen Egmonts im Grunde
ohne böse Absicht erfolgten, kann die Regentin nicht beruhigen. Seine
vordergründig so "scherzhaft" angelegten Aktionen, evozierten geradezu
automatisch Gegenmaßnahmen der Regentin und der spanischen Monarchie
und so spitze sich die Lage eben immer weiter zu. Ganz
unmissverständlich macht sie klar, dass sie Egmont aus diesem Grunde
für weitaus gefährlicher hält als den Anführer einer regelrechten
Verschwörung. Dass man dies am spanischen Hof genau so sehe, steht für
sie fest.
Als Machiavell einwendet, Egmont folge in allem nur seinem Gewissen,
will die Regentin davon nichts wissen, sondern hält Egmont seine oft
beleidigende Selbstgefälligkeit und Überheblichkeit vor, die die
Überzeugung nach außen trage, er sei Herr im Lande und die Spanier von
seiner Gunst abhängig.
Noch einmal versucht sich Machiavell für Egmont einzusetzen, doch
seine Bitte an die Regentin, die Offenheit und Eigenart Egmonts,
wichtige Dinge leicht zu nehmen, nicht gegen ihn auszulegen, wird von
der Regentin brüsk zurückgewiesen. Sie lege nichts aus, verwehrt sie
sich, sie ziehe ihre Schlüsse aus der Erfahrung mit und ihrem Wissen
um Egmont. Möglicherweise bewahre ihn jetzt und auch künftig nur sein
niederländischer Adel und das Goldene Vlies vor einem willkürlichen
Vorgehen des Königs gegen ihn.
Genau genommen, sei sogar Egmont für die Unruhen in Flandern allein
verantwortlich. Seine milde Politik gegenüber den neuen
(calvinistischen) Lehrern gegenüber sei nämlich vor allem darauf
zurückzuführen gewesen, dass er sich heimlich über die Probleme
gefreut hätte, die daraus für die Spanier entstanden seien. Da sie nun
aber Egmonts Treiben nicht mehr tatenlos zusehen wolle, habe sie sich
entschieden, ihn an einem ihr genau bekannten empfindlichen Punkt zu
treffen.
Dazu habe sie den Rat der Regentin einberufen und auch
• Oranien aufgefordert, an der Sitzung
teilzunehmen. Im Rat, so erklärt sie Machiavell ihre Absichten, wolle
sie den niederländischen Fürsten für die Unruhen zur Rechenschaft
ziehen und ein härteres Vorgehen von ihnen verlangen. Wenn sie sich
dem widersetzten, müssten sie sich selbst zu Rebellen erklären. Dann
befiehlt sie Machiavell noch, die Briefe an den König schnell
abzusenden, damit dieser aus ihrer Hand zuerst über die Entwicklung in
den Niederlanden unterrichtet werde.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
29.01.2024