Dritter
Aufzug. Fünfter Auftritt
Egmont. Ferdinand und Silva, von einem Vermummten und einigen
Gewaffneten begleitet. Voraus vier Fackelträger.
SILVA noch außerhalb.
Ihr andern wartet!
EGMONT. Wer seid ihr? Was
kündigen eure unsicheren, trotzigen Blicke mir an? Warum diesen fürchterlichen Aufzug?
SILVA. Uns schickt der
Herzog, dir dein Urteil anzukündigen.
EGMONT. So ziemt es euch und
eurem schädlichen Beginnen! In Nacht gebrütet und in Nacht vollführt!
Immer auf den Vermummten die Augen
heftend. Tritt kühn hervor, der du das Schwert verhüllt unter dem Mantel trägst! Hier ist mein
Haupt, das freieste, das je die Tyrannei vom Rumpf gerissen.
SILVA. Du irrst! Was
gerechte Richter beschließen, werden sie vorm Angesicht
des Tages nicht verbergen.
EGMONT. So übersteigt die
Frechheit jeden Begriff und Gedanken.
SILVA. nimmt einem
Dabeistehenden das Urteil ab, entfaltet's und liest. "Im Namen des
Königs und kraft besonderer, von seiner Majestät uns
übertragenen Gewalt, alle seine Untertanen, wes Standes sie seien, zugleich die Ritter
des
Goldenen Vließes zu richten, erkennen wir -"
EGMONT. Kann die der König
übertragen?
SILVA. "Erkennen wir, nach
vorgängiger genauer, gesetzlicher Untersuchung, dich,
Heinrich Grafen Egmont, Prinzen von Gaure, des Hochverrats
schuldig und sprechen das Urteil, dass du mit der Frühe des einbrechenden Morgens aus dem Kerker
auf den Markt geführt und dort vom Angesicht des Volkes zur Warnung aller Verräter
mit dem Schwerte vom Leben zum Tode gebracht
werden sollst. Gegeben Brüssel am" Datum und Jahreszahl werden undeutlich
gelesen, so dass sie der Zuhörer nicht versteht.
FERDINAND, HERZOG VON ALBA.
Du weißt nun dein Schicksal; es bleibt dir
wenige Zeit, dich rein zu ergeben, dein Haus zu bestellen und von
den
Deinigen Abschied zu nehmen.
Dritter
Aufzug. Sechster Auftritt
Silva mit dem Gefolge ab.
Es bleibt der Vermummte mit Ferdinand und zwei
Fackeln; das Theater ist mäßig erleuchtet.
EGMONT hat eine Weile, in
sich versenkt, stille gestanden und Silva, ohne sich umzusehen, abgehen lassen. Er glaubt sich allein und da er
die Augen aufhebt,
erblickt er Albas Sohn. Du stehst und bleibst? Willst du mein Entsetzen noch durch deine
Gegenwart vermehren? Willst du noch etwa die willkommene
Botschaft deinem
Vater bringen, dass ich unmännlich verzweifle?Geh! Sag ihm,
dass er weder mich noch die Welt
belügt! Er bemerkt den Vermummten, sieht
ihn eine Weile forschend an, fährt dann fort, die
Worte zum Teil an diesen
richtend. Ihm, dem Ruhmsüchtigen, wird man es erst hinter den
Schultern leise
flüstern, dann laut und lauter sagen, und wenn er einst von diesem Gipfel
herabsteigt,
werden tausend Stimmen es ihm entgegenrufen: Nicht das Wohl
des Staats, nicht die Ruhe der
Provinzen haben ihn hierher gebracht. Um sein
selbst willen hat er Krieg geraten, dass der
Krieger im Kriege gelte. Er hat diese
ungeheure Verwirrung erregt, damit man seiner bedürfe. Und
ich falle, ein Opfer
seines niedrigen Hasses, seines kleinlichen Neides. Ja, ich weiß es, und
ich
darf es sagen, der Sterbende kann es sagen: Mich hat der Eingebildete
beneidet; mich
wegzutilgen, hat er lange gesonnen und gedacht. Schon
damals, als wir noch jünger, mit Würfeln
spielten und die Haufen Goldes, einer
nach dem andern, von seiner Seite zu mir herübereilten, da
stand er grimmig,
log Gelassenheit, und innerlich verzehrt' ihn die Ärgernis, mehr über mein
Glück
als über seinen Verlust. Noch seh' ich seinen funkelnden Blick, als wir an einem
öffentlichen Feste vor vielen tausend Menschen um die Wette schossen. Er
forderte mich auf, und beide Nationen standen; die Spanier, die Niederländer
wetteten und wünschten. Ich überwand ihn;
seine Kugel irrte, die meine traf;
ein lautes Freudengeschrei der Meinigen erfüllte die Luft.
Nun trifft mich sein
Geschoss. Sag ihm, dass ich's weiß, dass ich ihn kenne,
dass die Welt ihn
kennen wird - dass sie ihm früher oder später die Larve abreißen wird indem
er schnell auf
den Vermummten zugeht und ihm das Gesicht entblößt, wie ich
sie ihm jetzt hier abreiße. Man erkennt den Herzog Alba, der sich schnell
entfernt.
Dritter
Aufzug. Siebenter Auftritt
Egmont. Ferdinand noch immer unbeweglich stehend.
EGMONT nach einer Pause.
O des kläglichen Tyrannen - Todesurteile kann er
schreiben aber den Blick des bessern Mannes kann er nicht aushalten.
Zu Ferdinand. Stehst du noch hier? Warum folgst du ihm nicht? Schäme dich
nur - schäme
dich für den, den du gerne von ganzem Herzen verehren
möchtest.
FERDINAND. Ich höre dich an,
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