In der Kurzgeschichte "Das Brot"
von Wolfgang Borchert, erschienen 1949 in "Das Gesamtwerk, Hamburg:
Rowohlt 1949, S.320-322, geht es um die Fähigkeit des Menschen,
soziale und sogar existenziell schwierige Konfliktsituationen durch
das Festhalten an einer den anderen verstehenden und mit seinen
Schwächen akzeptierenden, zutiefst humanen Einstellung zu meistern.
Als eine Frau mitten in der
Nacht von einem Geräusch, das aus der Küche kommt, geweckt wird,
geht sie dem Geräusch nach und überrascht ihren über sechzigjährigen
Mann, mit dem sie seit neununddreißig Jahren verheiratet ist, dabei,
wie er sich von dem offenkundig rationierten Brot eine Scheibe
abgeschnitten hat. Statt ihn zu tadeln, geht sie auf die Ausflüchte
ihres Mannes ein und zwingt ihn nicht, sein offenbar gegen die
Vereinbarung verstoßendes Verhalten zu gestehen. Die Tatsache,
dass ihr Mann sie allerdings mit seinen Ausflüchten, er habe
lediglich ein Geräusch gehört und sich deshalb in die Küche begeben,
belügt
verletzt sie, so dass sie ihm nicht die Augen sehen kann. Trotzdem
räumt sie, ohne ein Wort darüber zu verlieren, den Brotteller, den
ihr Mann benutzt hat und die Brotkrümel vom Tisch, die vom
Schneiden des Brotes übriggeblieben sind.
Zugleich bietet sie ihrem Mann, mit ihrer Zustimmung zu seinen
Ausflüchten, die Hilfe, die beide brauchen, um aus der eigentlich
"brenzligen" Situation ohne Streit herauszukommen. Darüber hinaus
liefert sie ihm sogar die Erklärung für seine Notlüge, indem sie
sagt, das Geräusch habe sicher wieder die Dachrinne gemacht, die bei
Wind draußen immer wieder klappere.
Als beide daraufhin ins Bett
zurückgekehrt sind, bestätigt der Mann noch einmal die Erklärung
seiner Frau, tut aber zugleich so, als sei er schon fast wieder
eingeschlafen sei. Seine Frau merkt aber am Klang seiner Stimme,
dass er sie damit weiter anlügt. Sie geht aber nicht weiter darauf
ein, sondern wünscht ihm noch einmal eine Gute Nacht und legt sich
danach, ohne noch mehr dazu zu sagen, schlafen.
In der Stille, die jetzt
eintritt, bleibt sie aber noch länger wach und hört nach einiger
Zeit, wie ihr Mann neben ihr möglichst leise zu kauen beginnt.
Daraufhin stellt sie sich zunächst absichtlich schlafend, schläft
aber dann wegen der regelmäßigen Kaugeräusche, die ihr Mann macht,
davon wirklich ein.
Am nächsten Abend kommt der Mann
wieder nach Hause. Seine Frau stellt ihm zu seiner Verwunderung eine
Scheibe Brot mehr hin als sonst. Sie ermuntert ihn die Scheibe mehr
zu essen, die von ihrer Ration abgeht, indem sie ihm erklärt, sie
vertrage den Verzehr der Brotscheiben abends nicht besonders gut.