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Bei der
nonverbalen
Kommunikation bzw. der Körpersprache i. w. S. spielt die Kleidung eine
wichtige Rolle. Denn in der alltäglichen Kommunikation ziehen wir daraus häufig Schlüsse, ohne dass uns dies immer bewusst ist.
"Kleidung ist Kommunikation", so bringt Brigitte Scheufele,
Professorin für Farb- und Oberflächendesign in den Bereichen Mode und Textil
an der Hochschule Reutlingen ("Südkurier", 26.2.2011 ) auf eine griffige
Formel.
Die Art, wie sich jemand kleidet, spielt eine große Rolle beim
spontanen Entstehen von Sympathie und Antipathie, aber auch für die
Zuschreibung von anderen Charaktereigenschaften oder
Persönlichkeitsmerkmalen (Intelligenz, gesellschaftlicher Status,
"Professionalität").
Feststeht jedenfalls: "Die Kleidung hat auf den, der sie trägt, ebenso
wie auf andere eine Wirkung." (Argyle
1979/2001, S. 305) Dies gilt für moderne
Modetrends ebenso wie für
historische Trachten.
Mit der Bekleidung lassen sich Persönlichkeitsmerkmale
signalisieren, man kann seine Gruppenzugehörigkeit und seinen
sozialen Status ausdrücken. Es lässt sich also mit Bekleidung zeigen, welcher
Religion, welcher Nation oder Volksgruppe man angehört, und Kleidung ist
Teil der Ausfüllung von Geschlechtsrollen und anderen sozialen Rollen.
Welche Kleidung getragen wird, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab.
Dazu zählen u. a.:
-
Träger (z. B. Alter, körperliche Figur, Typ, gesellschaftlicher
Status)
-
Anlass (z. B. Hochzeit, Beerdigung, Festveranstaltung)
-
Funktion (z. B. Regenkleidung, Sportbekleidung, Winterbekleidung,
Badebekleidung)
-
finanzielle Möglichkeiten des Einzelnen
-
soziales Umfeld (z. B. Freunde, Bekannte ...)
-
individuelle Vorlieben
-
Stilrichtungen (z. B. eher konservativ, leger, sportlich ...)
-
Mode und Trends
Dass Kleidung einen besonders hohen Signalwert in der Kommunikation
besitzt, macht sich eine ganze Industrie zunutze, die stets neue Modetrends
kreiert und immer wieder Nachfrage nach ihren neuesten Produkten erzeugt.
Auf der Suche nach dem neuesten Look, dem nur vermeintlich individuellen
Stil in der Bekleidung, werden heutzutage Milliarden in einer Modebranche
verdient
Inwieweit eine Gesellschaft oder Kultur dagegen einen bekleidungslosen
Zustand, nämlich Nacktheit,
gestattet, ist sehr unterschiedlich. (vgl.
Nackt ist nicht gleich nackt) Unter bestimmten Bedingungen wird
dies bei uns akzeptiert (zu Hause, am Strand, in der Sauna, im
Akt-Malkurs der Volkshochschule oder sogar in manchen Parks). Aber noch
immer machen Polizisten Jagd auf die mittlerweile selten gewordenen
"Flitzer", die zur Provokation der Öffentlichkeit nackt durch belebte
Fußgängerzonen "flitzen".
Von dem unterschiedlichen Umgang mit Nacktheit bericht
Irenäus
Eibl-Eibensfeld (1976, S. 99f.), der einige Zeit mit so genannten
Urvölkern am Amazonas gelebt hat:
"Auch
die Frauen [der Yanomani, d. Verf.] gingen für unsere Begriffe
splitternackt. Sie trugen nichts außer einer dünnen, fein gearbeiteten
Schnur um den Leib. Ihre Scham war vollkommen unbedeckt. Eine trug
zusätzlich zwei dünne Schnüre kreuzweise über Schulter und Brust.
Die Frauen wähnten sich aber mit ihrer einfachen Lendenschnur durchaus
züchtig bekleidet, das merkte ich, als ich bald darauf eine solche
Lendenschnur haben wollte. Zuerst verstanden sie mich nicht recht, dann
gab es ringsum ein Gekicher und Gelächter, und die befragte Schöne verbarg
lachend ihr Untergesicht hinter einer Hand, neigte den Kopf zur Seite,
stieß dann ihre Nachbarin an, kurz, sie war höchst geniert. So lernte ich,
dass die Frauen und Mädchen sich ohne diese Schnur unanständig nackt
fühlten, was nicht hinderte, dass einige sie dann doch gegen weiße
Glasperlen eintauschten. Sie zogen sich allerdings sogleich eine andere
an, um wieder ordentlich gekleidet zu sein. In ähnlicher Weise fühlten sich die Männer nackt, wenn sie ihre
Penisschnur lösten oder wenn sie von selbst aufging. Es handelt sich bei diesen Schnüren wohl um Überbleibsel einer Bekleidung,
denn nackt kamen die Ahnen der Yanomani ganz sicherlich nicht während der
Eiszeit über die Beringstraße. Hier im tropischen Regenwald legten sie die
Kleidung als unzweckmäßig ab, bis auf jenes Restchen, das sie brauchten,
um sich »kultiviert« zu fühlen und vielleicht auch, um die Spannung der
Koketterie erleben zu können. In diesem Sinne ist die Bekleidung,
rudimentär, wie sie ist, doch funktionell, weil symbolisch. "
(aus:
Eibl-Eibesfeld, Irenäus 1976, S. 99 f.) Die Entstehung und die Bedeutung von
Schamhaftigkeit ist dabei ein komplexer Vorgang, der auch eine
evolutionistische Erklärung gefunden hat. (vgl.
Projekt Scham und Schamgefühl)
In der Literatur hat das Thema unterschiedlichste Gestaltungen mit
verschiedenen Intentionen gefunden. Eine davon, die schon 1920 entstanden
ist, hat in den in den siebziger und achtziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts einen beinahe unglaublichen Publikumserfolg als Bestseller
gehabt. In
seiner Erzählung »Der
Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea« (1920/1977)
lässt »Erich
Scheurmann (1878-1957) den Südseehäuptling Tuiavii in einem fiktiven
Reisebericht über seine Erfahrungen mit den kultivierten Weißen (Papalagi)
erzählen (»Leseproben),
was er über die Bekleidungsgewohnheiten der Papalagis denkt. Die
Zivilisationskritik, die damit transportiert wird, ist dabei an anderen
literarischen Vorbildern orientiert. Der ästhetische Reiz der Erzählung
besteht in der Wiedererkennung der von Tuiavii beschriebenen Objekte durch
den Leser.
"Der
Papalagi ist dauernd bemüht, sein Fleisch gut zu bedecken. [...] Der
Kopf. Ihn, zur Not auch noch die Hände, lässt der Weiße gerne unbedeckt.
Obwohl auch Kopf und Hand nichts sind als Fleisch und Knochen. Wer im
übrigen sein Fleisch sehen lässt, erhebt keinen Anspruch auf rechte
Gesittung. [...]
Darum auch ist der Körper des Papalagi von Kopf bis zu Füßen mit
Lendentüchern, Matten und Häuten umhüllt, so fest und so dicht, dass
kein Menschenauge, kein Sonnenstrahl hindurch dringt; so fest, dass sein
Leib bleich, weiß und müde wird, wie die Blumen, die im tiefen Urwald
wachsen. Lasst euch berichten, verständigere Brüder der vielen lnseln,
welche Last ein einzelner Papalagi auf seinem Leibe trägt: Zuunterst
umhüllt den nackten Körper eine dünne weiße Haut, aus den Fasern einer
Pflanze gewonnen, genannt die Oberhaut. Man wirft sie hoch und lässt sie
von oben nach unten über Kopf. Brust und Arme bis zu den Schenkeln
fallen, Über die Beine und Schenkel bis zum Nabel, von unten nach oben
gezogen, kommt die so genannte Unterhaut. Beide Häute werden durch eine
dritte, dickere Haut bedeckt, eine Haut aus den Haaren eines vierfüßigen
wolligen Tieres geflochten, das besonders zu diesem Zwecke gezüchtet
wird. Dies ist das eigentliche Lendentuch. Es besteht zumeist aus drei
Teilen, deren einer den Oberkörper, deren anderer den Mittelleib und
deren dritter die Schenkel und Beine bedeckt. Alle drei Teile werden
untereinander durch Muscheln und Schnüre, aus dem gedörrten Safte des
Gummibaums verfertigt, gehalten, so dass sie ganz wie ein Stück
erscheinen. Dieses Lendentuch ist zumeist grau wie die Lagune zur
Regenzeit; es darf nie ganz farbig sein. Höchstens das Mittelstück und
dies auch nur bei den Männern, die gerne von sich reden machen und den
Weibern viel nachlaufen.
Die Füße endlich bekommen noch eine weiche und eine ganz feste Haut. Die
weiche ist zumeist dehnbar und passt sich dem Fuße schön an, um so
weniger die feste. Sie ist aus dem Felle eines starken Tieres, welches
solange in Wasser getaucht, mit Messern geschabt, geschlagen und an die
Sonne gehalten wird, bis es ganz hart ist. Hieraus baut der Papalagi
dann eine Art hochrandiges Canoe, gerade groß genug, um einen Fuß
aufzunehmen. Ein Canoe für den linken und eines für den rechten Fuß.
Diese Fußschiffe werden mit Stricken und Widerhaken fest am Fußgelenk
verschnürt und verknotet, so dass die Füße in einem festen Gehäuse
liegen wie der Leib einer Seeschnecke. Diese Fußhäute trägt der Papalagi
von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang, er geht darin auf Malaga und
tanzt darin, er trägt sie und ob es auch heiß sei wie nach einem
Tropenregen. Weil dies sehr unnatürlich ist, wie der Weiße wohl merkt,
und weil es die Füße macht, als seien sie tot und begännen bereits zu
stinken, und weil tatsächlich die meisten europäischen Füße nicht mehr
greifen oder an einer Palme emporklettern können - deshalb sucht der
Papalagi seine Torheit zu verbergen, indem er die Haut dieses Tieres,
die an sich rot ist, mit viel Schmutz bedeckt, welchem er durch viel
Reiben Glanz verleiht, so dass die Augen die Blendung nicht mehr
vertragen können und sich abwenden müssen. [...]
Weil nun die Leiber der Frauen und Mädchen so stark bedeckt sind, tragen
die Männer und Jünglinge ein großes Verlangen, ihr Fleisch zu sehen; wie
dies auch natürlich ist. Sie denken bei Tag und bei Nacht daran und
sprechen viel von den Körperformen der Frauen und Mädchen und immer so,
als ob das, was natürlich und schön ist, eine große Sünde sei und nur im
dunkelsten Schatten geschehen dürfe. Wenn sie das Fleisch offen sehen
lassen würden, möchten sie ihre Gedanken mehr an andere Dinge geben, und
ihre Augen würden nicht schielen, und ihr Mund würde nicht lüsterne
Worte sagen, wenn sie einem Mädchen begegnen.
(aus: Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea«,
Zürich: Tanner und Staehelin Verlag 1977, S.19-27, Auszüge)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
08.11.2019
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