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Prozessorientierte
Schreibaufgaben
Textüberarbeitungsprozessen in der Schule Raum geben
Die Überarbeitung von Texten, die entweder als
Prätextrevisionen vor dem Niederschreiben schon im Kopf vorgenommen
werden oder die Textrevisionen i. e. S., die während oder nach einer Textproduktion
vorgenommen werden, lassen sich auf der Grundlage unterschiedlicher
Methoden durchführen.
Dabei geht es an dieser Stelle nicht um die
▪ Handlungsrichtungen beim Überarbeiten, und auch nicht um die
jeweiligen Revisionsebenen,
die
▪ Revisionsklassen und konkreten
▪ Revisionshandlungen, sondern um die
Sozialformen, mit denen
solche Überarbeitungen in schulischen Schreibprozessen durchgeführt
werden können.
Kooperativ angelegte Textüberarbeitung
Nicht nur aus motivationalen Gründen sind
Textüberarbeitungsprozesse im Unterricht in kooperativ angelegten
Schreibprozessen am besten verortet.
Das prozessorientierte Schreiben, das dem
kooperativen Schreiben zugrunde liegt, ist geradezu dafür
prädestiniert, das Schreiben und die im Schreibprozess entstehenden
Schreibprodukte für die Überarbeitung zu öffnen.
Die beim
schrittweise bzw. teilweise kooperativen Schreiben, z. B. bei
Schreibkonferenzen, eingebauten Arbeitsschritte, bei dem sich
die Schreibgruppenmitglieder
Feedback
geben und
nehmen,
Peerfeedback
obendrein, können dabei sehr effektive Impulse für die Bereitschaft
geben, seinen Text in einem fortlaufenden
Schreibprozess immer wieder zu überarbeiten.
Allerdings bleiben auch beim Überarbeiten von Texten beim
prozessorientierten Schreiben immer noch Probleme, die auch andere
Lösungsansätze interessant machen.
So ist es auch beim
prozessorientierten freien Schreiben zu beobachten, dass "die
Überarbeitungsbereitschaft der Schüler ausgesprochen gering
(ist). Sie weigern sich direkt, die von ihnen mit hohem Engagement
verfassten Texte hinsichtlich möglicher Schwächen und Stärken zu
thematisieren, geschweige denn, sie sprachlich weiter zu
bearbeiten." (Feilke 2010, S.8f.)
Geradezu paradox sei es hingegen, dass bei einem streng
textmusterkonformen Schreiben wie z. B. der
Inhaltsangabe "die Überarbeitungsbereitschaft deutlich höher und
die Überarbeitungen selbst erfolgreicher (sind)". (ebd.)
Zu erklären se idas, so
Fix (2006/2008),
der dies untersucht hat, damit, dass die Schülerinnen und Schüler
bei Inhaltsangaben "über ein hochgradig stereotypes Muster verfügen,
das leicht und mit Erfolg am individuellen Text abzugleichen ist", (ebd.)
während ihnen bei ihren frei geschriebenen Texten jede Art von
Kriterien fehlten.
Die individuelle Textüberarbeitung
Individuelle Textüberarbeitungen finden während eines
Schreibprozesses fortlaufend statt.
-
Als
Prätextrevisionen werden schon im Kopf, ehe der Text
niedergeschrieben wird, Überarbeitungen vorgenommen. Diese sind allerdings
dem Schreiber häufig selbst nicht bewusst. Und von außen
zu beobachten sind, von einem entsprechenden Mienenspiel einmal
abgesehen, solche Prätextrevisionen auch nicht.
-
Bedeutung und Umfang von
Textrevisionen i. e.
S., die von einem Schreiber individuell während oder nach seinem
Schreiben vorgenommen werden, hängen von verschiedenen Faktoren ab.
Diese sind
Dazu kommen weiter die
vorhandene ▪ Schreibkompetenz in den verschiedenen Teilbereichen (▪
Zielsetzungskompetenz,
▪ inhaltliche Kompetenz,
▪ Strukturierungskompetenz),
sowie ganz allgemein eine gewisse
Revisionskompetenz, die auf einem
▪
Mindestmaß an Kompetenzen auf nahezu allen linguistischen Ebenen
beruht.
Probleme bei der
individuellen Textüberarbeitung
Eine vollständig eigenverantwortliche und vor allem rein
selbstgesteuerte Überarbeitung eines geschriebenen Textes ist eine hohe
Anforderung. Wenn der gesamte Schreib- und Überarbeitungsprozess in Einzelarbeit
erfolgt, kann es leicht dazu kommen, dass
schwächere Schüler überfordert
werden.
Alles dies macht die individuelle Textüberarbeitung alles andere
einfach. Dazu kommen weitere Probleme.
-
Oft fehlt es
schlicht an der
volitionalen
Bereitschaft und an
Motivation an einem niedergeschriebenen Text in
einem produktorientierten Schreibprozess "weiterzufeilen" und
ihn bis hin zu einer Endfassung zu überarbeiten.
-
Wohl
nur ein geringer Teil der Schülerinnen folgt,
▪ lernstrategisch betrachtet, beim
ungeliebten Verbessern widerspruchslos einer
▪
problem- und aufgabenbezogenen Orientierung im Zusammenhang mit der
gestellten Überarbeitungsaufgabe. Die meisten lassen sich daher, wenn
ihnen beim Überarbeiten nicht ihre
▪
ich-bezogene Orientierung direkt im Wege steht, von ihrer
▪
sozialen Abhängigkeitsorientierung
leiten, mühen sich also der Lehrperson bzw. der Note zuliebe damit ab,
ihre fertige Textproduktion noch einmal als Entwurf anzupacken.
-
Häufig wird die Textüberarbeitung
sehr bald nach dem vollständigen Abfassen eines umfangreicheren
Textentwurfs angegangen. In diesen Fällen fehlt dem Schreiber häufig die nötige zeitliche
Distanz zu seinem Text, der ihm erst das
▪ Identifizieren von
Auffälligkeiten ermöglicht.
-
Daher gelingt es dem einzelnen oft nur
schwer, seine "Fehlerblindheit" gegenüber dem eigenen Text zu
überwinden. Und dies gilt sowohl für
sequenzielle wie auch
konzeptionelle Revisionen. So werden, solange ein Schreiber nicht
über entsprechende
▪ literale Routinen
verfügt, auch gröbere Verstöße gegen die Rechtschreibung einfach
"überlesen" und
Textlöcher"
und "Leerstellen" schon im Kopf "gestopft".
Distanz zum
eigenen Text schaffen
Solchen Problemen lässt
sich nur durch den Aufbau von Distanz zum eigenen Text sinnvoll
entgegenwirken.
Damit ist zunächst einmal die Herstellung einer
zeitlichen Distanz gemeint. Wird
ein Text vom Schreiber nämlich ein, zwei Tage "liegen gelassen", kann er
seinen Text sehr viel eher "mit anderen Augen sehen" und seine
"Fehlerblindheit" überwinden. (vgl.
Merz-Grötsch
2010, S.87)
Kriterien für die
Textüberarbeitung und Textprozeduren
Schülerinnen und
Schüler benötigen "didaktisch produktive Kriterien für die
Textqualität" (Feilke 2010, S.8f.),
wenn ihnen nicht "jeder Eingriff, jedes Überarbeiten als Willkürakt
erscheinen" (ebd.)
soll. Der Weg könnte dabei über
Textprozeduren, die bestimmte mehr oder weniger stark
grammatikalisierte Ausdrucksmuster mit einem Gebrauchsschema
verbinden (vgl.
ebd., S.1) und die Fragen beantworten, wie man das, was als
Schreibprodukt von einem erwartet wird, macht und "was denn die
Entsprechung von Produkt und Zweck im einen oder anderen Fall
ausmacht?" (ebd.,
S.8)
Ganz genaue Angaben zur Berichtigung sind häufig nötig
Oft werden individuelle Überarbeitungen im Anschluss an Rand- oder Abschlusskommentare
verlangt, die Lehrkräfte zur Verbesserung von
Textproduktionen (▪ "Berichtigungen"
(Fritzsche 1994,
S.196) von Klassenarbeiten, Klausuren) hinzugefügt haben.
Solche Bemerkungen sollten nicht-direktiv sein und sich auf ganz bestimmte Textstellen beziehen.
darüber hinaus sollten sie
Hinweise auf die Handlungsrichtung beim Überarbeiten geben und, je nach
Leistungsstand des Schreibers, auch Angaben zur Art und Weise der
gewünschten Überarbeitung (Revisionsebene,
Revisionsklasse und
Revisionshandlungen) machen.
Ansonsten können auch
Kriterienkataloge oder Checklisten zur Verfügung gestellt werden, die
den individuellen Überarbeitungsprozess anleiten können.
Dennoch: Motivationale Probleme, die beim Verbessern schon "fertiger" Texte
auftreten können (vgl.
Fritzsche 1994,
S.196), lassen sich eben nicht ohne weiteres aus der Welt schaffen.
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Prozessorientierte
Schreibaufgaben
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
11.01.2024
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