Schreiben ist eine elementare Kulturtechnik
Lesen und
Schreiben
sind elementare Kulturtechniken, welche die Menschheit in
zahlreichen unterschiedlichen Kulturen entwickelt hat. Beide stehen
in einem engen Bezug zueinander.
Voraussetzung: Die Entwicklung der
Schrift, welche die
Oralität aus dem
gesellschaftlichen Leben verdrängte.
Insbesondere in literalen
Gesellschaften, in denen Kommunikation und Interaktion in der
Gesellschaft so sehr von Schriftlichkeit geprägt sind, ist ein
Leben, die kulturelle, soziale und politische Teilhabe ohne
Schreiben und Lesen
nicht denkbar. Und dies gilt ohne Einschränkung auch für das
digitale Zeitalter.
Schreiben ist nicht nur manuelles Schreiben
Dabei ist Schreiben längst nicht mehr nur
manuelles Schreiben, das Schreiben von Hand, das wir gewöhnlich
mit Hilfe eines Schreibgeräts (Bleistift, Kugelschreiber etc.), aber
natürlich auch mit bloßem Finger im Sand, ausführen, um Sprache
schriftlich zu fixieren.
Das Schreiben mit Hilfe der
Computertastatur (Tastaturschreiben)
oder das Schreiben mit anderen Schreib- bzw. Eingabegeräten hat dem
manuellen Schreiben mehr als nur Konkurrenz gemacht. Und: von
Schreiben per Spracheingabe (Siri o. ä.) ist dabei noch gar keine
Rede. Dabei verlangt jede dieser Arten zu schreiben z. T. besondere
Kompetenzen und Fähigkeiten, auch wenn ihnen natürlich die
allgemeine Sprachkompetenz, aber ohne Einschluss der Fähigkeiten zum
Sprechen, zugrundeliegt.
Wer die Ausführung des Schreibens mit der Hand und des Schreiben
am Computer beobachtet, braucht nicht viel um zu erkennen, dass die
Motorik des Schreibens jeweils sehr unterschiedlich aussieht.
Der Vergleich mit dem Tastaturschreiben macht darüber hinaus
andere Unterschied sichtbar.
Handschrift
-
ist langsamer
-
muss Buchstaben
im Schreiben motorischen erzeugen
-
schafft im
allgemeinen andere Einheiten als diskrete Buchstabenformen
-
folgt einer
anderen motorischen Dynamik
(vgl.
Nottbusch/Weingarten Will, o. J., S.1)
Schreiben ist eigentlich zweierlei: Verschriften und Vertexten
Und wer genauer hinsieht, weiß, dass wir im Alltag und in der Wissenschaft immer so vom Schreiben sprechen, als sei dies
eine einzige Handlung. Doch wer genauer hinsieht, stellt schnell
fest, dass unter dem Dach des Schreibens zwei verschiedene
Handlungen ausgeführt werden:
Verschriften
und Vertexten.

Die Begriffe Verschriften und Vertexten klingen vielleicht etwas künstlich,
ihre Unterscheidung ist
aber nicht unwichtig. Denn, wenn man beides auseinanderhält, wird
auch der Blick frei auf die ganz speziellen Fähigkeiten, die man für
die Ausführung der
Schriftproduktion und der
Textproduktion braucht und die
Kompetenzen, die dabei jeweils gefragt sind. (s.
Abb. unten)
Im Übrigen: Vom
Verschriftlichen spricht man, wenn man den Vorgang bezeichnen
will, der z. B. beim Schreiben eines Diktats stattfindet. Jemand
diktiert einem anderen eine Äußerung oder einen Text und diese
Person fixiert diese dann schriftlich.
Schreiben kann vielen Zwecken dienen
Wenn jemand mit oder ohne besonderes Hilfsmittel - man kann ja
Buchstaben schließlich auch mit dem Finger in den Sand ritzen -
irgendetwas schreibt, soll meistens ein Text entstehen, mit dem man
mehr oder weniger genau umrissene Absichten verfolgt. Der
entstehende Text dient dann vor allem der schriftlichen
Kommunikation.
Wo man auch hinsieht, überall trifft man auf Texte, die von irgendjemandem
für irgendeinen Zweck verfasst worden sind. Als Ergebnisse geistiger
Leistungen von Menschen werden dabei gesprochene Worte, Gedanken und
Gefühle, Texte anderer niedergeschrieben. Wenngleich ein Text, streng
genommen nicht schriftlich fixiert sein muss, um als Text zu gelten
(erweiterter
Textbegriff
in der ▪
Textlinguistik), gehen
wir hier im Arbeitsbereich "Texte verfassen.
Schreiben" von schriftlichen Texten aus, wenn wir von Texten
sprechen. Dabei stellt dies aber keine Festlegung auf einen bestimmten
Textbegriff oder eine bestimmte
Definition
des Schreibens
dar.
Kommunikation ist ist beim Schreiben nicht alles. Wir schreiben
nämlich "auch für uns selbst, etwa um uns etwas klar zu machen –
dann ist das Schreiben wissensbildend, es hat dann eine
epistemische Funktion; oder wir schreiben, um von anderen
gestellte Aufgaben zu erledigen, etwa in der Schule oder im Beruf."
(Bachmann/Becker-Mrotzeck
2017,in:
Forschungshandbuch empirische Schreibdidaktik, Kindle-Version,
S. 26)
Beim
Schreiben fixieren wir aber nicht nur sprachliche Äußerungen. Heutzutage,
im digitalen Zeitalter ist es
für die meisten Menschen zum Kinderspiel geworden, einem
geschriebenen Text ein Bild, eine Zeichnung, eine Tabelle, ja sogar
Audio- und Videodateien beizufügen und das alle Elemente mit Links
zu einem Hypertext zu verknüpfen.
Um derart komplexe Texte zu "schreiben", besser spricht man hier
wohl vom Gestalten oder Produzieren, muss über verschiedene
Kompetenzen verfügen, die ineinandergreifen müssen, damit die
(multimediale) Textproduktion so gelingt, dass sie ihr Schreibziel
erreicht.
Neben ▪
Schreibkompetenz sind,
abhängig von den Elementen des (multimedialen) Textes auch andere
Kompetenzen gefragt, z. B.
Lesekompetenz und ▪
Bildkompetenz
um nur zwei zu nennen.
Wer schriftliche Texte verfassen will, muss auch schreiben können
In diesem Zusammenhang gilt also: Wer Texte verfassen will,
muss auch schreiben können und Texte verstehen können. Ohne Beherrschung der
Schriftzeichen kann Schreiben nicht funktionieren. So muss man
beim Schreiben stets auch sehen, dass es in einem bestimmten literalen
Handlungskontext stattfindet und verschiedener
literaler Kompetenzen bedarf. (vgl.
ebd.)

Die tabellarische Darstellung zeigt, auf welchen literalen
Kompetenzen Schreiben als Schrift- und Textproduktion beruht und
lenkt den Blick zugleich darauf, welche Kompetenzen zusammenwirken
müssen, damit bestimmte Tätigkeiten wie Schrift schreiben, Schrift
lesen, Texte schreiben und Texte lesen überhaupt ausgeführt werden
können. Dabei spielen die Prozessdimensionen bzw. -kompetenzen
(Produktionskompetenz und Rezeptionskompetenz) eine wichtige Rolle.
Dies wird auch den schulischen Schreibunterricht stärker zu
beschäftigen haben.
Textproduktion fällt nicht jedem leicht
Gerade mal 3000 Jahre ist es her, dass das
Alphabet erfunden worden ist und seitdem stellen das
Schreiben und
Lesen die grundlegenden Kulturtechniken unserer Zivilisation dar. Und
doch weltweit sind noch immer Millionen von Menschen Analphabeten, und
selbst in einem hoch entwickelten Land wie Deutschland geht man davon aus,
dass bis zu 5% der Menschen weder schreiben noch lesen können.
Arbeit mit Texten,
wie sie hier verstanden wird,
ist stets
Schrift- und
Textproduktion
zugleich, durch einen oder mehrere Verfasser.
Die Texte, die solcherart entstehen, können nach verschiedenen Kriterien
in
Textarten und
Textsorten eingeteilt werden.
Dabei ist das Verfassen von Texten keineswegs eine Kleinigkeit.
Unzählige Schülerinnen und Schüler, aber auch Erwachsene jeden Alters
haben die eine oder andere
Schreibschwierigkeit und / oder leiden unter ernsthaften
Schreibstörungen.
Sie sehen sich von Schreiblähmungen und
Schreibkrisen geplagt und ihr Kampf um das geschriebene Wort ist eine
lange Leidensgeschichte wechselnder Schreibblockaden.
Dagegen hat
sich seit den siebziger Jahren eine kreative Schreibbewegung gebildet, die
in unzähligen Schreibwerkstätten, den Frust beim Schreiben
abbauen und die Lust am Schreiben stärken will. (vgl.
Werder, Lutz von 1993, S.13ff.)
Wer einen Text verfassen will, braucht Schreibkompetenz
Das Verfassen von Texten erfordert
Schreibkompetenz. Nach
Fix (2008, S.33)
kann darunter die Fähigkeit verstanden werden, vier verschiedene Formen
von Wissen in einem Schreibprozess anzuwenden, nämlich:
Dabei muss die Anwendung dieses Wissens in einem
Schreibprozess
so geschehen, dass das Schreibprodukt am Ende den Anforderungen
genügt, denen es aus genügen soll.
Dabei spielt es naturgemäß keine Rolle, ob man sich diese
Anforderungen selbst gesetzt hat oder Anforderungen an die
Schreibfunktion (z. B. Anleiten, Erklären, Unterhalten ...)
folgt, die einem von außen bzw. einem Dritten auferlegt worden sind. einer (selbst- und fremdbestimmten) Schreibfunktionen
gerecht wird.
Die erforderliche Schreibkompetenz gliedert sich nach
Fix (ebd.)
dabei in vier Teilkompetenzen, die zusammenwirken müssen.
Dabei geht es
darum, sich auf der Grundlage einer Analyse und Einschätzung
der
Schreibfunktion und -situation ein möglichst konkretes
Schreibziel
zu setzen. Das geht allerdings nur, wenn man sich eine
Vorstellung von seinem Leser macht und bedenkt, ob das
Schreibziel für diesen angemessen ist.
Um sein
Schreibziel mit einem bestimmten Schreibprodukt erreichen zu
können, muss man zunächst einmal, sein Vorwissen
aktivieren (Weltwissen)
und sich Gedanken darüber machen, ob man weiteres
Spezialwissen dazu braucht oder nicht. Wenn ja, muss man
sich dieses Wissen beschaffen. Und zur Recherche neuen
Wissens braucht man eben auch
Lesekompetenz.
Texte werden im Allgemeinen nach bestimmten
Textmustern
oder Textschemata
mit einem Bündel von Merkmalen (Textsorten)
geschrieben, denen wir beim Schreiben manchmal intuitiv, manchmal sehr
bewusst folgen.
Wer schreibt, strukturiert seinen Text und muss dabei eine sinnvolle,
kohärente
Textstruktur finden. Dabei müssen verschiedene Dinge berücksichtigt
werden, z. B.
-
die Beurteilung und Strukturierung von Informationen
-
die
Entwicklung einer Vorstellung über den Textaufbau und Entfaltung des
Textthemas
-
die
Planung eines entsprechen Textkonzepts
-
die
Bestimmung und Festlegung von Inhalten
-
die
Reflexion über das weitere Vorgehen
Dazu zählt
schlicht alles, was man zum Schreiben als Tun überhaupt
braucht. Das beginnt mit dem Schreibenkönnen als
motorische Tätigkeit und reicht bis zum
sprachlich-stilistischen Ausdruck und der
Rechtschreibung. Aber auch die Fähigkeit zur
Überarbeitung eines Textes gehört dazu (Revisionskompetenz),
die auch erst einmal bei unterschiedlichen
Schreiberfahrungen erworben sein will.
Neue Möglichkeiten durch prozessorientiertes Schreiben
Die herkömmliche
Aufsatzdidaktik konzentrierte sich, so lange sie das Schreiben
"überhaupt nicht als steuerbares und lernbares Handlungssystem"
betrachtete, vor allem darauf "zu lehren, was gute Texte sind" (Kruse/Ruhmann
2006, S.13), kümmerte sich aber leidlich wenig darum, auf welche
Weise und in der Abfolge welcher Schritte ein solcher Text produziert
wird. In einem davon geprägten Unterricht, der dem produktorientierten
Schreiben grundsätzlich den Vorrang gibt, "in dessen Vollzug das zuvor
im Unterricht erworbene Textsortenwissen lediglich mechanisch angewandt
wird" (Wildemann 2007,
S.41), fungiert natürlich auch die Lehrkraft "in erster Linie als
Vermittler von Schreibnormen, die der Schüler schließlich umsetzen
soll." (ebd.)
Dieses klassischen
Aufsatzverständnis, das sich vor allem an der Produktion
didaktisierter, mehr oder weniger klar normierter ▪
schulischer Schreibformen orientierte, ist inzwischen im Rahmen
der Kompetenzorientierung schulischer Lese- und Schreibprozesse, der
Betonung und Reflexion des Schreibprozesses, der mehr und mehr
selbst Gegenstand des Unterrichts wird, sowie neuerer ▪
textprozedurenorientierter Ansätze auf dem Rückzug oder ist
zumindest einer höheren Flexibilität beim Schreiben in
unterrichtlichen Lehr- und Lernzusammenhängen gewichen.
Schon die prozessorientierte Schreibdidaktik
hat dem Schreib-
und Formulierungsprozess ein deutlich anderes Gewicht gegegeben, die
Kruse/Ruhmann
(2006, S.14) mit drei Grundthesen zusammenfassen:
-
"Schreiben
ist viel mehr als Hinschreiben" Damit wird unterstrichen, dass beim Schreiben nicht nur Wissen aus
dem Gedächtnis wiedergegeben wird, sondern, dass man sich dabei auch
Wissen aneignen und neues Wissen konstruieren kann. Didaktisch
bedeutet dies auch, dass das Schreiben selbst ein wichtiges Vorgehen
beim Lernen selbst ist.
-
"Schreiben
ist Problemlösen" Die These geht davon aus, dass das Schreiben selbst einen komplexen
Vorgang darstellt, bei dem etliche Probleme gleichzeitig gelöst
werden müssen. Solche Probleme betreffen Fragen des Inhalts, der
sprachlichen Gestaltung und der Einschätzung der
Kommunikationssituation, in der ein Text steht.
-
"Schreiben ist
systematisch lernbar und lehrbar" Mit dieser These wird unterstrichen, dass die Fähigkeit zur
Textproduktion als Ergebnis eines Lernprozesses verstanden werden
kann, bei dem durch ein schrittweises Erlernen bestimmter, den
jeweiligen Schreibprozess kennzeichnender Teilschritte die dafür
nötige Textproduktionskompetenz erworben werden kann.
Indem die
Schülerinnen und Schüler ihren Schreibprozess damit in Teilschritten
unter die Lupe nehmen können, können sie auch mit Hilfe
unterschiedlicher Strategien ihre jeweilige Textproduktion
optimieren.
Dies bedeutet auch, dass Alltagbeurteilungen nach dem
Muster "Der eine kann, der andere kann halt nicht schreiben." ein
Stück weit der Legendenbildung zugeschrieben werden kann. Aber
solche Vorstellungen sind oft im Bewusstsein vieler Schülerinnen und
Schüler vorhanden, die sich, ohne zu wissen warum, immer wieder an
Schreibaufgaben scheitern sehen, obwohl sie angeblich doch so viel
zum Thema "gewusst" hätten.
Der Begriff Schreibform
Texte, die als Ergebnis geistiger Auseinadersetzung von Menschen
zustande kommen, i. e. S. "geschrieben" werden, lassen sich als
Schreibformen bezeichnen. Hier wird aus didaktischen Gründen
unterschieden zwischen:
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
13.11.2022
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