Mit dem Stellen von Fragen zum vertieften Textverständnis
Die von »Francis P.
Robinson (1906-1986) und Edwin L. Thomas
(1972) entwickelte PQ4R-Methode
stellt eine
Lesestrategie dar,
die von den Autoren zur Erarbeitung eines Lehrbuchkapitels vorgeschlagen
wurde. Ihr wichtigstes und zentrales Merkmal ist das
Generieren und
Beantworten von Fragen zum Text als Voraussetzung des
Textverstehens.
Die Bezeichnung stellt ein Akronym dar, das sich aus den
Anfangsbuchstaben der englischen Bezeichnungen für die unterschiedlichen
Phasen des Konzepts ableiten. Insgesamt werden 6 Phasen unterschieden.
1 |
Preview
(Vorprüfung) |
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2 |
Questions
(Fragen) |
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Stellen Sie Fragen
zu den Abschnitten. (Manchmal kann man einfach eine vorhandene
Abschnittüberschrift zu einer angemessenen Fragenformulierung
nutzen.)
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Notieren Sie sich diese Fragen auf einem separaten
Blatt.
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(Vgl.
W-Fragen-Methode, Fragemethode)
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3 |
Read
(Lesen) |
-
Lesen Sie den Abschnitt sorgfältig. (vgl.
intensives
Lesen)
-
Versuchen Sie dabei (ggf. auch im Anschluss daran), die
Fragen zu beantworten, die sie an diesen Abschnitt
gestellt haben.
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4 |
Reflect
(Nachdenken) |
-
Denken Sie beim Lesen auch über den Text bzw.
den Abschnitt nach, indem Sie versuchen, ihn zu
verstehen.
-
Suchen Sie ggf. nach geeigneten Beispielen.
-
Stellen Sie den Inhalt des Textes in einen Bezug zu ihrem
Vorwissen darüber.
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5 |
Recite
(Wiedergeben) |
-
Wenn Sie den Abschnitt mit den Arbeitsschritten 2-4
erarbeitet haben, versuchen Sie nun, indem sie den Text beiseite
legen, sich an die Informationen des Abschnitts zu erinnern.
-
Versuchen Sie dazu die von Ihnen formulierten Fragen zum
Abschnitt zu beantworten.
-
Wenn Sie Schwierigkeiten bei Ihren Antworten haben, lesen
Sie die Abschnitte noch einmal durch, die Ihnen zu erinnern
schwerfallen.
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6 |
Review
(Rückblick) |
-
Wenn Sie das ganze Kapitel mit den Arbeitschritten
1-5 durchgearbeitet haben,, gehen Sie es gedanklich noch
einmal durch.
-
Rufen Sie sich dabei die wichtigsten Gesichtspunkte
noch einmal in Erinnerung.
-
Versuchen Sie erneut, die Fragen zu
beantworten, die Sie abschnittweise gestellt haben.
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(vgl.
Anderson 1996, S. 191f., überarbeitet und ergänzt)
Der Erfolg der PQ4R-, wie auch der ähnlichen
▪ SQ3R-Methode,
beruht darauf, dass sie, wenn man ihr folgt, eine
▪
elaborative Verarbeitung des Textes ermöglicht (vgl. auch:
▪ Elaborationsstrategien).
Diese besteht grundsätzlich darin, dass der zu erfassende Textinhalt um
zusätzliche Informationen erweitert wird. (vgl.
Anderson 1996, S. 187, S.191) In wissenschaftlichen Experimenten
konnte nachgewiesen werden, dass insbesondere das selbständige Stellen
von Fragen an den Text die
Behaltensleistung bei der darauf bezogenen Texterfassung am deutlichsten
unterstützte. Nicht ganz so effektiv ist die Beantwortung vorgegebener
Fragen, aber beide führen zu einem deutlich größeren Erfolg als das
"bloße Lesen" eines Textes.
Der Rückblick ist besonders wichtig
Für die PQ4R-Methode ist die Komponente, den Text in einem
Rückblick mit den gestellten oder selbst generierten Fragen im
Kopf noch einmal durchzugehen, besonders wichtig, wie Experimente von
Rothkopf (1966) belegen.
Dabei können diese Fragen als ▪
Advance Organizer wirken und damit vor dem entsprechenden
Textabschnitt stehen oder aber auch im Anschluss an diesen aufgeführt
werden.
Rothkopf "verglich den Nutzen von Fragen, die sich auf den
folgenden Text beziehen, mit jenem Nutzen, der entsteht, wenn die Fragen
erst gegeben werden, nachdem gelesen wurde, und somit ein Rückblick auf
den Text zu werfen ist. Rothkopf instruierte die Probanden, einen langen
Text zu lesen, wobei alle drei Seiten Fragen eingestreut waren. Die
Fragen waren relevant für die drei Seiten, die den Fragen folgten
beziehungsweise ihnen vorangingen. Unter der erstgenannten
Versuchsbedingung sollten die Probanden den nachfolgenden Text mit
diesen Fragen im Kopf lesen. Unter der letztgenannten Bedingung sollten
sie auf das, was sie gerade gelesen hatten, zurückblicken und die Fragen
beantworten. Die beiden Experimentalgruppen wurden mit einer
Kontrollgruppe verglichen, die den Text ohne spezielle Fragen las. Diese
Kontrollgruppe beantwortete 30 Prozent der Fragen eines Abschlusstests
zum gesamten Text korrekt. Die Experimentalgruppe, deren Fragen eine
Vorschau auf den Text bildeten, beantworteten 72 Prozent der Testitems,
die relevant zu ihren Fragen waren, und 29 Prozent der irrelevanten
Fragen korrekt [...]. Die Experimentalgruppe, deren Fragen eine
Rückschau auf den Text bildeten, beantworteten 72 Prozent der relevanten
Items und 42 Prozent der irrelevanten Items korrekt. Es hat also den
Anschein, dass die Rückschau auf den Text mit Fragen im Kopf einen
Gewinn allgemeinerer Art erbringt." (ebd.,
S.192f.) (vgl. in diesem Zusammenhang auch:
Advance Organizer)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
28.04.2023
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