Open Educational Resources werden für institutionelles und
nicht-institutionelles Lernen immer wichtiger
Seit über 20 Jahren bietet teachSam seinen umfangreichen
Content, der über 20.000 Seiten umfasst, im Internet zur Nutzung
durch Lehrkräfte, Studierende und Schüler*innen an. Seit
mehreren Jahren sind alle diese Seiten, sofern das Urheberrecht
bei teachSam liegt, unter einer Creative
Commons Lizenz (CC-BY-SA 4.0 International license) als
freie Bildungsmaterialien von jedem kostenlos unter dieser
Lizenz nutzbar und weiterverwertbar.
Dabei entstand und entsteht dieser Content in vielen tausend
Arbeitsstunden in den letzten 20 Jahren, die ohne Vergütung für
die vielen Tausend Nutzerinnen und Nutzer erbracht worden sind.
Die geringen Werbeeinnahmen, die eine Seite wie teachSam
erzielt, reichen dabei nicht einmal, um die Kosten für den
Betrieb der Plattform zu decken.
Und die Nutzerinnen und Nutzer verstehen vielleicht bis heute
noch nicht, dass Ihr
Interesse für die Werbetreibenden auf dieser Seite, indem
Sie die entsprechenden Werbepartner mit einem Klick auf das
entsprechende Werbebanner besuchen, der einzige Weg ist, mit dem
sie einen Beitrag für den Fortbestand von teachSam und ähnlicher
Plattformen leisten können. Adblocker für teachSam genau so im
Einsatz wie für andere Seiten dieser Art, ruinieren dabei nicht
nur das "Geschäftsmodell", sondern verhindern, dass diejenigen,
die bereit sind, qualitativ hochwertige OER-Materialien für
Schule und Unterricht bereitzustellen, nicht wirklich
zunimmt. Die Zeit der "Nerds" des Internet 1.0 und 2.0, die in
umfangreichen Webseiten und Blogs ihr Wissen kostenlos zur
Verfügung gestellt haben, ist wohl vorbei, ihre Produzentinnen
und Produzenten schon im oder kurz vor dem Ruhestand. Was aber
könnte sie motivieren weiterzumachen?
Worum geht es?
Es geht darum, dass die Erstellung von OER-Content durch
Lehrkräfte und Studierende häufig daran krankt, dass Verlage
diesem Prozess, wo sie können, Steine in den Weg legen.
Viele Lehr- und Lernprozesse in unterschiedlichen Fächern
sind darauf angewiesen, aktuelle Texte aus Zeitungen und
Zeitschriften zu verwenden. Dies findet auch statt. Texte werden
z. B. aus großen Zeitungen fleißig auseinandergeschnitten,
zusammengeklebt oder per Handy fotografiert, sie werden auf den
Kopierer gelegt und hinter den Zugangssperren von
Lernplattformen Schülerinnen und Schülern verfügbar gemacht.
Was mit den Texten aber methodisch-didaktisch "geschieht",
bleibt jedem selbst überlassen. Wie mit dem Text gelernt werden
soll u. v. a. mehr, entscheiden die Lehrkräfte, wie schon immer,
eben jede/r für sich.
Was wir brauchen, sind über das Internet downloadbare
Angebote der Verlage, mit denen alle, die in Lehr- und
Lernprozessen tätig sind, arbeiten können und, wenn sie wollen
Materialien erstellen können, die sie dann als Agenten der "Shared
Culture" wieder anderen zur Verfügung stellen können.
Zeitungsverlage sollten ihre Haltung gegenüber freien
Bildungsmaterialien zügig überdenken
- Zeitungsverlage sollten Lehrkräften, die Materialien
erstellen wollen, den Bezug von bestimmten Artikeln aus
ihren Archiven kostenlos zur Verfügung stellen. Sie sollten
darüber hinaus ermöglichen, dass diese Artikel auf
OER-Webseiten kostenlos eingestellt und/oder von dort vom
Server der Zeitungen heruntergeladen werden können.
Es ist kaum nachvollziehbar, dass Zeitungsverlage
angesichts rückläufiger Leserzahlen Hunderttausende Euro in
kostenlose Probeabos, Marketingaktionen an Schulen
durchführen und sich sperren, denjenigen, die ihren
Qualitätsjournalismus in den Unterricht tragen wollen, mit
völlig unsinnigen Lizenzierungsvorstellungen Steine in den
Weg legen.
So fordert man Zeilenhonorar, will Lizenzgebühren erheben
noch Dauer der Laufzeit, nicht einmal nach Anzahl von
Downloads. Mein Verdacht: Man wittert kein großes Geschäft,
aber schreckt alle ab, die bereit sind, mit ihren Texten zu
arbeiten. Vielleicht hat man in den Zeitungsverlagen aber
immer noch nicht begriffen, worum es geht und hofft auf
andere Art und Weise, vielleicht auch mit proprietären
Lösungen ("Unser Verlag - first!") durchzukommen. Wenn Sie
sich nur nicht irren!
Buchverlage sollten umdenken
- Buchverlage, ich spreche hier vor allem von denen, die
literarische Texte verlegen, scheinen die Zeichen der Zeit
vollständig ignorieren zu wollen. Moderne Texte, die im
Deutschunterricht verwendet werden könnten, kommen im
Allgemeinen nur über die in Schulbüchern verfügbaren zum
Einsatz. Von dort können sie unter bestimmten Bedingungen
ggf. auf den Kopierer gelegt werden oder abfotografiert
werden und damit als Arbeitsblätter in den Unterricht
einfließen.
Was wir indessen brauchen, sind Texte, die in bestimmter
Weise formatiert (z. B. mit Zeilennummern versehen) per
Download verfügbar gemacht werden oder aber, wie im obigen
Beispiel der Zeitungsverlage), zur Nutzung im OER-Kontext
freigegeben werden.
Wir wollen Kurzgeschichten, Kurzprosa, Lyrik, Auszüge aus
modernen Romanen u. ä. mehr nutzen können, um sie in
OER-Materialien kostenlos einbinden zu können. Dabei können
sie, ähnlich wie dies Zeitungsverlage tun, den Download von
ihren eigenen Servern organisieren, wenn sie das Ganze
kontrollieren und selbst in der Hand behalten wollen. Nur:
Die einzelne Lehrkraft dafür zur Kasse zu bieten, ist und
bleibt ein No-Go, schließlich gibt es bei uns mit gutem
Grund eine Lernmittelfreiheit!
Vielleicht ist das Ganze aber auch unter
Marketing-Gesichtspunkten durchaus sinnvoll. Wer, wenn nicht
der Deutschunterricht, soll denn Autoren, ich greife hier
ganz beliebig in die "klassische" Kurzgeschichtenkiste,
Autorinnen und Autoren wie z. B. Peter Bichsel, Elisabeth
Langgässer, Kurt Marti, Ilse Aichinger, Marie Luise
Kaschnitz, Wolfdietrich Schnurre und viele mehr im
Bewusstsein potentieller Käuferinnen und Käufer ihrer Werke
halten, wenn nicht die Lehrkräfte, die bereit sind, sie in
Lehr- und Lernprozessen zu Wort kommen zu lassen!
Die Kultusministerien müssen endlich aufwachen
- Die Kultusministerien, die viel Geld für die
Lernmittelzulassung aufwenden, müssen sich in den Dienst der
kostenlosen Beschaffung von modernen Texten, die
urheberrechtlich geschützt sind, stellen. Auch sie könnten,
wenn nötig, die betreffenden Rechte zur Nutzung erwerben, um
sie dann über das Internet zur Verfügung stellen zu können.
Auch die Erstellung von OER ist nicht kostenlos
Selbstverständlich ist auch die Erstellung von
OER-Materialien nicht kostenlos und ein Konzept, das so tut, als
könnten Lehrkräfte, die heute mehr denn je aufgebürdet bekommen,
auch noch zusätzlich OER-Materialien erstellen, ist gewiss auf
Dauer gesehen nicht tragfähig. Aber die vorhanden Ressourcen zu
nutzen ist dennoch ein Gebot der Stunde.
Deshalb ist für mich jedenfalls klar:
OER braucht moderne Texte
Verlage und Zeitschriften können und müssen sich beteiligen
Gert Egle, 17.3.2010