Die Phase der
Adoleszenz (lat. adolescere =
aufwachsen) spielt in der
sozialen und
emotionalen Entwicklung des Heranwachsenden eine zentrale Rolle.
Das Leben stellt den Jugendlichen im Rahmen der
Entwicklungsaufgaben im Lebenslauf eines
Menschen besondere Aufgaben und Probleme, die, wenn sie bewältigt
werden, auch im Jugendalter unverzichtbare Beiträge zur Entwicklung
einer "Kompetenz der
Lebensbewältigung" (Fend
2003, S.210) leisten.
Das Konzept der Entwicklungsaufgaben
geht auf »Robert
James Havighurst (1900-1991) zurück. Entwicklungsaufgaben lassen
sich seiner Auffassung nach als Anforderungen verstehen, "die im
Verlaufe bestimmter Lebensphasen typischerweise zu bewältigen sind."
(Gruber/Prenzel/Schiefele
1986/2001, S.120)
Die altersentsprechenden Aufgaben resultieren
dabei aus biologischen Reifungsprozessen oder werden
gesellschaftlich definiert. Zugleich kann sich aber auch der
einzelne Aufgaben stellen, die von seinen persönlichen Ansprüchen an
sich und die Welt abhängen.
Werden diese Aufgaben erfolgreich
nacheinander bewältigt, führt dies zu einem gelungenen Leben mit
persönlicher Zufriedenheit. Gelingt diese Bewältigung nicht, stellen
sich Unzufriedenheit, sozialer Druck und im äußersten Fall sogar
psychische Krankheiten ein. (vgl.
ebd.)
In der Entwicklungs- und
Sozialpsychologie hat das Konzept aber vor allem durch die Arbeiten
»Erik
H. Eriksons (1902-1994) große Verbreitung gefunden und sein
"schönes 'Gemälde' des Lebenslaufs (hat)", so
Fend
(2003, S.404), "die Einschätzung der Jugendphase sehr
bereichert."
In seiner Theorie des Lebenslaufes, welche die psychosoziale
Entwicklung des Menschen in acht gesetzmäßig (epigenetisch)
aufeinander folgenden Phasen beschreibt, besitzt die Adoleszenz
besonderen Stellenwert, weil in diesem Lebensabschnitt Antworten auf
die Frage "Wer bin ich?" gesucht werden, "welche in einfachster Form
das Identitätsthema formuliert"
(Keupp u . a. 1999/2008,
S.29) und die Grundlage für die
Identitätsbildung und das ihr
korrespondierende krisenhafte Pendant der
Identitätsdiffusion
darstellen.
Auf jeder der acht Stufen sind für Erikson "alle Themen der
psychosozialen Entwicklung miteinander verflochten, doch jedes der
Themen erlangt in einer bestimmten Lebensperiode beherrschenden
Einfluss. Während dieser Zeit stellt das jeweilige Entwicklungsthema
eine Krise oder einen Wendepunkt für den Betreffenden dar."
(Bourne/Ekstrand
2005, S.343).
Mit dieser Auffassung setzt sich Erikson von der
Vorstellung einer "harmonischen Selbstentfaltung" (Fend
2003, S.404) ab.
Dagegen stellt
er die "Vorstellung eines kontinuierlichen Stufenmodells, dessen
adäquates Durchlaufen bis zur Adoleszenz eine Identitätsplattform
für das weitere Erwachsenenleben sichern würde." (Keupp u . a. 1999/2008,
S.29)
In diesem Durchlaufen der Stufen wird der Mensch dabei
"durch die Bewältigung altersphasenspezifischer Krisen und Konflikte
vorangetrieben. Werden sie produktiv gelöst, dann ist man bereit für
die nächste Stufe, ist dies nicht der Fall, dann beeinträchtigt dies
den gesamten weiteren Lebensweg." (Fend
2003, S.404)
Auf diese Weise kann jedes Entwicklungsthema
und die ihm zugeordnete Krise "Wege zu Wachstum und künftiger
Stärke" oder andernfalls zu "Fehlanpassung und künftige(m)
Stillstand" eröffnen. (Bourne/Ekstrand
2005, S.343)
Psychosoziale
Phase |
Aufgabe oder Krise |
Soziale Bedingungen |
Psychosoziale Folgen |
|
Phase 1
(Geburt bis 2 Jahre)
oral-sensorisch |
Kann ich der Welt trauen? |
Fürsorge und Befriedigung der
Grundbedürfnisse vs. fehlende Fürsorge |
»Urvertrauen
vs. Ur-Misstrauen
"Haben wollen und bekommen" |
"Ich bin, was man mir
gibt."
(Gefühle des Wohlbehagens) |
Phase 2
(2-3 Jahre)
muskulär-anal |
Kann ich mein Handeln selbst
steuern? |
Entbehrung, Toleranz und
Fürsorge vs. Überbehütung (Overprotection) |
Autonomie vs. Scham und Zweifel
"Halten" und "Loslassen" |
"Ich bin, was ich will."
(Gefühle von Autonomie und Stolz) |
Phase 3
(4-5 Jahre)
lokomotorisch-genital |
Kann ich, wenn ich meine
Grenzen erprobe, von meinen Eltern unabhängig werden? |
Ermunterungen zum Ausprobieren
und Erproben vs. fehlende Gelegenheiten dazu |
Initiative vs. Schuld
"Eindringen" und sich "Zurückziehen" |
"Ich bin, was ich mir vorstellen kann zu werden."
(gezielter Einsatz des Willens) |
Phase 4
(6-11 Jahre)
Latenz |
Kann ich die Fähigkeiten
beherrschen lernen, die ich zur Anpassung benötige? |
Angemessenes Üben und
Ermutigung vs. wenig Übung und mangelnde Unterstützung |
Leistung (Werksinn) vs.
Minderwertigkeitsgefühl
"Außenwendung" |
"Ich bin, was ich lerne."
(Betätigungsdrang, Beharrlichkeit und Wunsch nach
Kompetenz-demonstration) |
Phase 5
(12-18 Jahre)
Pubertät und Adoleszenz |
Wer bin ich? Was sind meine
Überzeugungen? Welche Einstellungen habe ich? |
Innere Festigkeit und positives
Feedback vs. Ziellosigkeit und unklares Feedback |
Identität vs. Rollenkonfusion
Innenwendung |
"Ich bin, was ich bin."
(Vertrauen zu sich selbst) |
Phase 6
frühes Erwachsenenalter |
Kann ich mich einem anderen
Menschen ganz geben? |
Wärme und Anteilnahme vs.
Einsamkeit |
»Intimität
vs. Isolierung |
"Ich bin, was
mich liebenswert macht." |
Phase 7
Erwachsenenalter |
Was kann ich nachfolgenden
Generationen mitgeben? |
Zielbewusstheit und
Produktivität vs. fehlendes Wachstum und Regression |
»Generativität
vs. Stagnation |
"Ich bin,
was ich bereit bin zu geben." |
Phase 8
Reife |
Hat mir mein Leben durch Arbeit
und Spiel Zufriedenheit und Erfüllung gegeben? |
Einheit und Erfüllung vs. Ekel
und Unzufriedenheit |
Ich-Integrität vs. Verzweiflung |
"Ich bin,
was ich mir angeeignet habe." |
(vgl.
Bourne/Ekstrand 2005, S.343;
Fend
2003, S.404f.,
Wikipedia 5.8.2012,)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2023