Home
Nach oben
Baustein 1
Zurück
Weiter
 

 

Ehe

Das verflixte siebte Jahr - Krisenphasen der Ehe

Gert Egle (2015)

 
 
 

Das siebte Jahr einer Ehe stand lange unter einem unguten Stern. Verflixt wird es genannt, um nicht verflucht oder verdammt sagen zu müssen, wie es die Herkunft des Wortes nahelegt. Das geflügelte Wort vom verflixten siebten Jahr geht dabei auf einen Spielfilm mit Marylin Monroe aus dem Jahr 1955 mit dem englischen Titel The Seven Year Itch zurück, der wiederum auf einem Bühnenstück George Axelrods basiert. Ehe der deutsche und englische Filmtitel zu einem geflügelten Wort zur Bezeichnung der vermeintlich am meisten kritischen Phase einer Ehe wurde, musste das das englische itch (=“Jucken, Juckreiz“), das ein mehrere Jahre andauerndes Leiden an Pusteln im Gesicht und auf dem Körper ausdrückte, quasi auf den Punkt gebracht werden. Der Filmtitel jedenfalls markiert kein Ereignis, das sieben lange Jahre andauert, sondern eines das genau im siebten Jahr einzutreten droht: Das Ende einer Beziehung bzw. das Ende einer Ehe. Und als Aberglaube dringt die bange Erwartung des verflixten Jahres in manche ehemals so romantische, freud- und lustvolle Beziehung ein.

Zwar ist das siebte Ehejahr seit 2008 stets das Jahr, in dem die meisten Ehen geschieden wurden, statistisch gesehen ist das verflixte Jahr aber gänzlich unerheblich, denn wer sich im siebten Jahr vor dem Familiengericht trennt, lebt ja mindestens schon ein Jahr lang getrennt (Zerrüttungsprinzip). So gesehen scheitern die meisten Beziehungen also weitaus früher, oft schon nach drei oder vier Jahren, wenn die Phase der großen Verliebtheit vorbei ist und echte Beziehungsarbeit mit Toleranz, Rücksicht, Einfühlungsvermögen, offene Gespräche und Gesten der gegenseitigen Zuneigung im Alltag gefordert ist.
Die Gründe, weshalb sich Menschen heute scheiden lassen, sind vielfältig, hat der Familienforscher Wassilios E. Fthenakis schon vor einigen Jahren festgestellt: „Zum einen sind immer weniger Menschen bereit, eine nicht funktionierende Beziehung hinzunehmen. Wenn sie unzufrieden sind, geben sie die Partnerschaft auf. Ein zweiter Grund ist die ökonomische Unabhängigkeit vieler Frauen durch eigene Berufstätigkeit - aber auch die Belastung, die dadurch auf die Familien zukommt. Noch immer sind sehr viele Männer nicht bereit, dabei ihren Anteil zu übernehmen.“1) Dass der Scheidungsantrag auch bei den im Jahr 2014 geschiedenen Ehen häufiger von der Frau gestellt wurde (in 52 % der Fälle), während nur 40 % der Fälle auf das Konto von Männern gingen (in den übrigen Fällen (8 %) beantragten beide Ehegatten gemeinsam die Scheidung) ist dabei keineswegs überraschend. Es bedeutet nämlich nicht, „dass die Frauen die Scheidung verursachen. Sie ertragen nur die Belastung nicht mehr. Männer dagegen nehmen Probleme in der Familie oft erst sehr spät wahr.“
2) Und die Psychologin Konstanze Fakih merkte einmal dazu an: „Frauen sind harmoniebedürftiger, leiden stärker unter Beziehungskrisen als Männer. Ist keine Ordnung mehr in ihrem Leben, sind sie entscheidungsbereiter, einen Schlussstrich zu ziehen." 3)

Beziehungs- und Ehekrisen sind keineswegs eine Sache eines bestimmten Jahres, das - Hopp oder Top - über das weitere Eheglück entscheidet. Sie kommen in allen Ehe- oder Beziehungsjahren vor. Meistens sind es Übergangsphasen irgendeiner Art, die den Partnern eine neue Rolle abverlangen und sie zwingen das Wir unter den anderen Vorzeichen neu zu erfinden. Und gerade dabei knarzt und knirscht es häufig im Gebälk.

Das kann eine Beziehung in ihrem jungen Stadium treffen, wenn es darum geht, nach dem Zusammenziehen Alltagsprobleme gemeinsam in einem fairen Rollenverständnis zu bewältigen oder sich über mögliche Kinder zu verständigen.

Aber auch nach der Geburt eines Kindes, in der Übergangsphase zu einer „echten“ Familie, zeigen sich oft krisenhafte Probleme. Da werden allen ehemaligen Beteuerungen zum Trotz, oft schneller als mancher Frau lieb ist, alte Rollenverhältnisse (Frau: Hausfrau und Mutter, Mann: Ernährer) mit dem Hinweis auf die vermeintlich natürliche Arbeitsteilung wieder eingeführt nach dem Motto: Das haben meine Eltern auch so gemacht!
Dazu kommt noch, dass das Kind von seiner Mutter unter Umständen so sehr geliebt wird, dass der Mann sich als Konkurrent um die, auch erotische, Zuwendung seiner Frau zu sehen beginnt. Und ein weiteres kann in dieser Phase zu einer echten Belastung der Beziehung werden: Jeder bringt seine eigene Erziehungsbiografie mit und glaubt zu wissen, was für ein Kind gut und was schlecht ist. Schnell werden aus gegensätzlichen Auffassungen, wenn beide nicht kompromissbereit sind, ernsthafte Paar- und Erziehungskrisen.

Aber auch wenn die Kinder dann in einer späteren Lebensphase aus dem Haus sind, lauert in der Übergangsphase, in der sich das „Nest“ zu leeren beginnt, erneut Gefahr für die Partner. Oft sind es hier die Frauen, die in einer traditionellen Rollenverteilung als Ehe-, Hausfrau und Mutter dem Mann für Beruf und Karriere den Rücken freigehalten haben, die nun erstmals wieder Ansprüche an das eigene Leben stellen und neue Ziele verfolgen.

Wer aber glaubt, dass Opa und Oma endlich gefahrlos der Goldenen Hochzeit entgegenleben können, verkennt auch hier, dass mit dem Rückzug aus dem Berufsleben für beide Partner nicht nur eine Zeit beginnt, in der sie angesichts der gestiegenen Lebenserwartung noch einmal „durchstarten“ können, sondern auch eine Zeit, in der sie sich eben auch auf der Pelle hocken. So manche alte Ehe zerbricht wohl auch daran, dass die ständige Anwesenheit des jeweils anderen, Überdruss erzeugt.
In allen diesen Übergangsphasen also stehen Beziehungen in besonderer Weise auf dem Prüfstand – ein Scheidungs-Vermeidungsprogramm gibt es nicht und die Pille gegen die verflixten siebten und anderen Ehejahre wird wohl Wunschdenken der Verliebten bleiben.

 (912 W.)

 

1) Passauer Neue Presse, 1.10.98)

2) ebd.

3) Berliner Kurier 1.10.98

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 09.06.2016

→vgl. auch: Gert Egle, Das verflixte siebte Jahr hat ausgedient, http://www.huffingtonpost.de/../../gert-egle/das-verflixte-siebte-jahr_b_9064766.html

 
      
    
   Arbeitsanregungen:
  1. Arbeiten Sie in einer tabellarischen Aufstellung heraus, was zu Krisenphasen in einer (ehelichen) Partnerbeziehung führen kann.

  2. Nehmen Sie im Anschluss daran, eine Gewichtung dieser Elemente vor.

  3. Überlegen Sie, wie man derartigen Krisen entgegenwirken kann. Formulieren Sie dazu 5 verschiedene Ratschläge.

   Arbeitsanregungen zur Inhaltsangabe im Deutschunterricht:

  1. Fassen Sie den Inhalt des Textes in Form einer Inhaltsangabe zusammen.

    • Gliedern Sie dazu den Text in Sinnabschnitte und geben Sie jedem Sinnabschnitt eine Überschrift.

    • Verfassen Sie einen Aussagekern für die Inhaltsangabe.

    • Schreiben Sie dann eine Inhaltsangabe zum Text.

  2. Formulieren Sie drei Ratschläge, mit denen ein junges Paar, das zum ersten Mal zusammenzieht, unter Umständen eine Krise in dieser Phase ihrer Beziehung vermeiden könnte. Begründen Sie dabei Ihre Vorschläge.
     

 

 
     
 

Baustein 1 ] Baustein 2 ] [ Baustein 3 ] Baustein 4 ] Baustein 5 ] Baustein 6 ] Baustein 7 ]

 

   


          CC-Lizenz
 

 

Creative Commons Lizenzvertrag Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International License (CC-BY-SA) Dies gilt für alle Inhalte, sofern sie nicht von externen Quellen eingebunden werden oder anderweitig gekennzeichnet sind. Autor: Gert Egle/www.teachsam.de