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Rechtsextremisten
setzen bei ihrem Versuch, ihre demokratiefeindlichen und
diskriminierenden Vorstellungen unter den Jugendlichen zu
verbreiten, heute mehr und mehr auf alles, was ihnen das Web 2.0,
das Mitmachweb mit seinen Social Sharing- und
Social-Network-Plattformen bietet. Facebook und & Co. liefern ihnen
Möglichkeiten, von denen sie vor geraumer Zeit nur träumen konnten.
Dabei vollzieht sich allem Anschein nach ein Strategiewechsel,
zumindest aber eine Neuausrichtung auf die Netzwerke Jugendlicher
und das vor allem im Internet. Rechtsextreme klinken sich auch über
die sozialen Netzwerke im Internet in die neuartigen sozialen
Beziehungen junger Menschen ein und machen sich, oft auf leisen
Sohlen, an Jugendliche heran und versuchen auf diese Weise deren
persönliches Vertrauen zu gewinnen. ("Erlebniswelt
Rechtsextremismus" - Wie funktioniert die rechtsextremistische
Propaganda im Web?) Der neue, »moderne« Rechtsextremismus,
"der sich mit einer zeitgemäßen und ästhetisch ansprechenden
Propaganda verstärkt an Kinder und Jugendliche wendet" (Frech
2008, S.3), hat damit auch in den neuen Kommunikationskulturen
Fuß gefasst.
Dabei gehen sie in einer Weise vor, die viele junge Leute, die ihre
realen sozialen Beziehungen über Facebook & Co organisieren, schon
seit längerem aufgegeben haben. Verpönt ist unter echten Freunden
nämlich, wenn jemand sein Profil so schönt, dass das virtuelle dem
realen Ich des "Freundes in echt" nicht mehr hinreichend entspricht.
Tarnen und Täuschen ist im persönlichen Umfeld des "normalen"
Nutzers out. Die Zeiten scheinen vorbei, als das Gespenst durch die
Medienwelt geisterte, dass zahlreiche User auf Facebook ihre
sexuelle Orientierung in einer Art Rollenspiel umdrehten (Gender-switching).
Wenn Rechtsextreme allerdings ihre möglichst sympathisch gestalteten
Profile als Köder zur Freundesgewinnung auslegen, ist dies kaum
einen Aufreger wert.
Natürlich liegt dies auch daran, dass die neuartige
rechtsextremistische Anmache kaum erfasst werden kann. Das schlägt
sich wohl auch in erhobenen Daten nieder. Auch wenn nur wenige
Jugendliche berichten, dass sie jemals von Rechtsextremen in
sozialen Netzwerken kontaktiert worden seien (2010
gaben das gerade mal 2% der Jugendlichen in der »JIM-Studie
2010 an), sollte das keine Blindheit auf dem rechten Auge
fördern. Feststeht jedenfalls, dass Mitglieder rechtsextremer
Organisationen offenbar von ihrer Führung aufgerufen wurden, den
"Kampf mit modernen Kommunikationsmitteln aufzunehmen und
mit "sympathischen Profilen" in sozialen Netzwerken auf Freundefang
zu gehen. Wie viele "sympathische" Fake-Accounts mittlerweile
von Rechtsextremen betrieben werden, lässt sich wohl nicht
feststellen, und Facebook & Co. haben wahrscheinlich auch kein
sonderliches Interesse daran, dies herauszubringen, solange die
Nutzer aktiv sind und eine hohe Vernetzungsdichte und –frequenz
zeigen. (Tarnen und Täuschen -
Altbekannte Strategie des Rechtsextremismus im Web 2.0)
Dennoch
ist es keineswegs so, dass sich Rechtsextreme in sozialen Netzwerken
grundsätzlich maskieren. Sie nutzen diese Plattformen natürlich auch
zu ihrer eigenen Selbstdarstellung in der rechten Szene, machen sie
zu einer Identitätsplattform im Netz, die ihnen die dringend nötige
Anerkennung durch andere Mitglieder verschafft und auf diese
Weise ihre rechtsextremen Welten stabilisiert. Mit ihren Facebook-Accounts oder Profilen in anderen vergleichbaren Netzwerken
signalisieren sie ihre Zugehörigkeit zu der einen oder anderen
rechtsextremistischen Gruppierung. Sie nutzen die Plattformen zur
Information und Kommunikation mit Gleichgesinnten und verwenden sie
zur Mobilisierung ihrer Freunde bei rechtsextremen Inszenierungen
auf der Straße oder im Internet. Diese Art der Nutzung des Web 2.0
durch den Rechtsextremismus macht sich dessen Vorteile zu eigen, ist
aber mit ihrer Ausrichtung auf die Selbstorganisation der rechten
Szene durchaus noch vergleichbar mit dem, was herkömmliche
Propagandaseiten – "Homepages" alten Stils – leisten sollten. Statt
Maskierung gilt hier das Prinzip öffentlicher Propaganda.
Anders bei den "Fanpages" und den Profilen, die Rechtsextreme zur
Selbstdarstellung in den verschiedenen Communities des Mitmachweb
anlegen. Hier geht es allein vor allem die interne Vernetzung und
Selbstvergewisserung in der rechten Szene.
Wer die Profile von Rechtsextremisten in sozialen Netzwerken unter
die Lupe nimmt, und das haben die Autorinnen und Autoren mit ihrer
von der Amadeu Antonio Stiftung herausgegebenen Broschüre "»Zwischen
Propaganda und Mimkry. Neonazi-Strategien in sozialen Netzwerken"
(2011) beispielhaft getan, kann mit der nötigen Medienkompetenz
auch diese Verbreitungswege rechtsextremistischen Gedankenguts
erschweren. Die Broschüre ist wie vieles andere Material, das sich
für den Einsatz im Unterricht eignet auf der Webseite des Netzwerkes
"»NETZ-GEGEN-NAZIS.DE.
Mit Rat und Tat gegen Rechtsextremismus."
Sieben Gruppierungen der rechtsextremistischen Szene, von den
Autorinnen als "Archetypen" der Szene vorgestellt, werfen dabei ein
ganz unterschiedliches Licht auf die Art und Weise rechtsextremer
Selbstdarstellung und kommunikativer Strategien auf sozialen
Netzwerken. Sie unterscheiden dabei:
Ferner betrachten sie die
Selbstdarstellung rechtsextremer
Frauen.
Gert Egle,
www.teachsam.de, 24.09.2012, zuletzt bearbeitet am:
21.12.2013 |
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