▪
arbeitstechnik lesen
▪ Lesekompetenz
▪
Konzepte der Schreibkompetenz
Wer sich mit der ▪ Geschichte des Lesens
befassen will, muss sich zwischen vielen Wissenschaften hin- und
herbewegen, weil das Lesen geradezu unendlich viele Aspekte besitzt,
in seiner bewegten Geschichte eine Rolle gespielt haben. Sie ist
zunächst einmal Kulturgeschichte, d. h. das Lesen hat sich in den
unterschiedlichen Kulturen zwischen Orient und Okzident auf
verschiedene Art und Weise entwickelt und dabei unterschiedliche
Arten von Lese- und Schreibkulturen entwickelt. Dabei war Lesen
lange Zeit eine Domäne der Männer, ehe in Deutschland im ▪
18. Jahrhundert ein größeres
Lesepublikum entstand, in dem Frauen eine außerordentlich große
Rolle spielten.
Weibliches Lesen hat dabei bis
in die Gegenwart einen besonderen Stellenwert.
Im Übrigen ist die Geschichte des Lesen ein Metaprozess in der
Mediengeschichte der Menschheit, die in frühester Zeit begonnen hat,
bis heute anhält und auch in der Zukunft seine Fortsetzung finden
wird und dabei auch immer die sozialen Beziehungen der Menschen in
allen Lebensbereichen und Altergruppen berühren wird. (vgl.
Krotz 2006, S.29)
Die Geschichte des
Lesens lässt sich aus diesen und anderen Gründen als
Sozialgeschichte des Lesens
auffassen, in deren Fokus viele verschiedene historische Aspekte des
Lesens stehen und unter dieser Perspektive zusammengeführt werden.
(vgl. Schön
2001, S.1) Sie ist verbunden mit der allgemeinen Geschichte, mit
der Mentalitätsgeschichte und Technikgeschichte, mit der Geschichte
des Schreibens, der Geschichte von Oralität und Literalität, der
Geschichte der Distributionsformen zu lesender Texte und auch der
Geschichte dessen, was tatsächlich gelesen wurde, der
Literaturgeschichte. (vgl.
ebd.)
Den Spuren des
Lesen in der Sozialgeschichte wird hier nachgegangen, wohlwissend,
dass es auch eine ganze andere, individuelle Sicht auf die
Geschichte des Lesens gibt, wie sie z. B. Alberto Manguel seiner
umfangreichen Darstellung, der er deshalb auch den Titel "Eine
Geschichte des Lesens" (1998) gegeben hat, zugrundelegt. "Letztlich ist",
so betont er, "die
wahre Geschichte des Lesens wohl die eines jeden Lesers." (Manguel
1998, S.33)
Dementsprechend ist für Manguel auch klar, dass eine
Geschichte des Lesens sich weder an der Chronologie der allgemeinen
Geschichte noch an Literaturgeschichten orientieren darf, "weil die
Rezeptionsgeschichte eines Autors oft nicht mit dem ersten Buch
beginnt, sondern mit dem Buch eines späteren Lesers." (ebd.,
S.34) Die "Geschichte des Lesens", die Manguel verfasste, folgt
dabei auch diesem Konzept und "springt [...] immer hin und her" in
die Gegenwart des Autors, mit seiner "Erfahrung als Leser, dann
wieder zurück in ein fernes, versunkenes Jahrhundert. Sie
überspringt ganze Kapitel, schmökert hier und stöbert dort, kehrt an
bestimmte Stelle zurück und verweigert sich der herkömmlichen
Ordnung." (ebd.,
S.35)
Der individuelle
Zugang zu der eigenen Geschichte des Lesens ist stets auch ein
reflektierter Zugang zur eigenen Lese- bzw. Medienbiographie. Dabei
trägt Lesen
auch, wenn es über einen längeren Zeitraum praktiziert wird,
zur Identitätsentwicklung des Lesers bei.
Woraus sich eine
Lektürebiografie im Einzelnen zusammensetzt, hängt vor allem davon
ab, "was man unter welchen Umständen gelesen, welche Wirkungen dies
erzielt, welche emotionalen und kognitiven Einstellungen man für die
eigene Identität daraus entwickelt. und wie dies in sozialer
Interaktion bewertet wurde." (Kuhn
2015, S.843f.)
Alles das bedeutet
nicht, dass Leserbiografien und damit "der reale Leser [...] in
seinem Lektüreverhalten" nicht "auch historisch konkret fassbar in
autobiographischen Zeugnissen (ist), in denen er über seine
Lesesozialisation, ihre Umstände und Instanzen Auskunft gibt." (Rautenberg/Schneider
2015, S. 107)
Dabei muss man aber sehen, dass solche
Lektüreautobiographien wie alle autobiographischen Zeugnisse im
Nachhinein die eigene Lektüre und Lektürepraxis willentlich oder
auch unwillentlich beschönigen und damit idealisieren könnten.
Daher muss man solche autobiographischen Lektürezeugnisse
auch mit Vorsicht genießen und sollte mit pauschalen Rückschlüssen
aus Einzelfallbeispielen zurückhaltend sein.